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Politik

Harmonie angesichts einer ernsten Lage

Gerhard Gnauck
7. Februar 2017

Angela Merkel hat den mächtigsten Mann Polens getroffen, PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski. Was die beiden besprochen haben, ist nicht offiziell bekannt. Nur so viel: Das Treffen werde "Ergebnisse bringen", so Kaczynski.

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Polen Angela Merkel in Warschau
Bild: picture-alliance/NurPhoto/A. Widak

Streitpunkte nicht verschweigen, aber das Gemeinsame hervorheben - so etwa war die Atmosphäre in Warschau, als Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag für einen Tag voller Gespräche nach Polen kam. Angesichts der stürmischen internationalen Lage ist das immerhin besser als nichts. So verkündete ein ranghoher Mitarbeiter des Staatspräsidenten Andrzej Duda nach dessen Gespräch mit Merkel: Beide hätten "das Gefühl, dass es zwischen Polen und Deutschland keine fundamentalen Differenzen gibt".

Für die Kanzlerin war das eine von vielen Begegnungen vor dem EU-Gipfel in Rom im März, wo die Gemeinschaft angesichts des Brexit und anderer Probleme eine gemeinsame Linie finden muss. Merkel ist seit dem Sommer vergangenen Jahres der erste Regierungschef aus einem der großen EU-Länder, der in Polen zu Besuch kommt. Frankreich hatte im Herbst ein Gipfeltreffen aus Verärgerung über das geplatzte Geschäft mit Airbus-Hubschraubern abgesagt.

Dunkle Fotos vom Treffen Merkel-Kaczynski

Wie wichtig und schwierig manche der Gespräche waren, kann man nur vermuten: Nach dem Treffen Merkels mit Jaroslaw Kaczynski, dem Chef der Regierungspartei PiS, Strippenzieher hinter den Kulissen und somit offenbar mächtigsten Mann Polens, gab es keine Presseerklärungen. Nur ein paar unscharfe und dunkle Fotos zeugten von der Begegnung der beiden in einem Zimmer im traditionsreichen Hotel Bristol. Hier dürfte es vor allem um die Zukunft der EU gegangen sein, vermutet ein PiS-Politiker im Gespräch mit der DW. Später sagte Kaczynski immerhin, es habe eine "gute Atmosphäre" geherrscht, der Besuch Merkels werde "Ergebnisse bringen".

Auch nach dem Treffen mit Staatspräsident Andrzej Duda gab es keine öffentlichen Erklärungen der Teilnehmer. Ein enger Mitarbeiter Dudas sagte im polnischen Rundfunk, die deutsche Seite habe um ein "strenges Vier-Augen-Format" gebeten, also ein Gespräch ohne Übersetzer, offenbar auf Englisch. Da der Präsident vor allem außenpolitische Kompetenzen hat, dürfte es um die Sicherheitslage nach der Wahl Donald Trumps gegangen sein.

Polen gegen "hysterische" Reaktionen auf Trumps Maßnahmen

"Die öffentliche Meinung Westeuropas reagiert ziemlich hysterisch auf manche Maßnahmen Trumps", sagte Dudas Sprecher Marek Magierowski zu der Begegnung, "Osteuropa reagiert etwas ruhiger, es hat in Erinnerung, dass die USA, wer auch immer im Weißen Haus sitzt, unser wichtigster militärischer Verbündeter sind und bleiben." Man müsse Trump klarmachen, wie groß die Bedrohung aus dem Osten  - "auch für amerikanische Interessen" - heute sei. Merkel und Duda seien sich einig, dass es zwischen ihnen künftig "regelmäßige Kontakte" geben müsse.

Polen  Jaroslaw Kaczynski in Warschau
Einen offiziellen Fototermin gab es nach dem Treffen zwischen Merkel und Kaczynski nichtBild: picture-alliance/NurPhoto/A. Widak

Offener war es beim Treffen mit der "Frau Premierministerin, liebe Beata", wie Merkel ihre Kollegin Szydlo anredete. Hier benannten beide vor der Presse offen die Themen und Kritikpunkte, etwa die Frage von Rechtsstaat und Pressefreiheit in Polen (Merkel) oder der "inakzeptablen" geplanten Gasleitung Nord Stream 2 (Szydlo). Konrad Szymanski, Europa-Staatssekretär in Warschau, betonte gegenüber der Deutschen Welle den konstruktiven Verlauf des Gesprächs: "Die Chefinnen waren zusammen, um den jeweils anderen Standpunkt besser zu verstehen."

"Großer Sprung" in der Verteidigungspolitik

Allerdings gebe es bei der Frage, ob die Europäischen Verträge geändert werden müssten, um etwa die Nationalstaaten stärker zu berücksichtigen, weiter verschiedene Meinungen. Darüber wollten beide Seiten beim Essen am späten Abend weiter diskutieren. "Nichtstun in der Frage der Verträge", warnt Szymanski, "kann dazu führen, dass andere Kräfte in der EU die Initiative an sich reißen und dann weitere Austritte herbeiführen."

Polen Angela Merkel und Beata Szydlo in Warschau
Die polnische Regierungschefin Beata Szydlo empfing Angela Merkel ganz offiziellBild: picture-allaince/AP Photo/C. Sokolowski

Beide Länder seien sich einig, so Szymanski, dass es einen "großen Sprung" in der Verteidigungspolitik geben müsse. Auch sei beschlossen, eine deutsch-polnische Arbeitsgruppe für die zwischen beiden Ländern strittigen Energie- und Klimafragen zu gründen. Merkel wies darauf hin, dass Deutschland seine Verteidigungsausgaben 2016 um fünf Prozent erhöht hat und sagte, man werde sie weiter steigern. Das Thema europäischer Atomwaffen, für das Kaczynski vorab in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" Sympathie bekundet hatte,  kam jedoch offenbar nicht zur Sprache.

Merkels Kolonne fährt auf der linken Spur

Auch ein Treffen mit der deutschen Minderheit in Polen hatte Merkel im Programm. Dabei wollten die Minderheitenvertreter, die im Parlament einen Abgeordneten stellen, neben Bildungsfragen auch den Streit um die Vergrößerung der schlesischen Stadt Oppeln (Opole) ansprechen. Dort hatte die Regierung im Januar Teile des Umlands der Stadt zugeschlagen. Daraufhin traten Bewohner der Gemeinden, darunter auch Deutsche, in einen Hungerstreik und erreichten so Begegnungen mit Polens Innenminister und dem Oppositionsführer. Jetzt wird über eine Kompromisslösung verhandelt.

Insgesamt also ein Besuch im Zeichen neuer deutsch-polnischer Harmonie: "Wir sprechen jetzt generell mehr über das Verbindende als über das Trennende", sagte Szymanski abschließend. Auch die Tatsache, dass sich Merkels Wagenkolonne auf dem Weg zu Parteichef Kaczynski entgegen der Fahrtrichtung durch die Warschauer Innenstadt kämpfte, dürfte die Harmonie nicht trüben.