Stühlerücken im Kabinett
27. Januar 2017Die Pressekonferenz beginnt mit einem kleinen Gerangel: Die beiden Wirtschaftsminister - der Alte und die Neue - setzen fast gleichzeitig zum Reden an und fallen einander ins Wort. Schließlich spricht Brigitte Zypries ein Machtwort: "Ich bin doch jetzt die Hausherrin." Sigmar Gabriel grinst - und fügt sich. Später dann, vor den Mitarbeitern des Hauses, loben sie gegenseitig ihre Arbeit, klopfen sich verbal auf die Schulter.
Am Vormittag erst hat Bundespräsident Joachim Gauck im Schloss Bellevue Zypries offiziell zur Chefin des Wirtschaftsministeriums ernannt - die erste Frau in dieser Position. Ihren Vorgänger Gabriel entließ er erst von seinem Posten und kürte ihn dann zum Außenminister.
Frank-Walter Steinmeier, der bisherige Chefdiplomat, wird aller Wahrscheinlichkeit nach schon in wenigen Wochen, am 12. Februar, zum nächsten Bundespräsident gewählt. Anders ausgedrückt: Der Freitag ist bestimmt vom politischen Stühlerücken und Neuanfängen.
Die Abschiedsrede falle ihm schwer, erklärt Steinmeier im überfüllten Weltsaal am Freitagnachmittag im Auswärtigen Amt. "Dieses Mal werde ich nicht zurückkommen." Der SPD-Politiker war bereits von 2005-2009 Außenminister und kehrte dann 2013 wieder in das Amt zurück. Eine Zeit, die von Krisendiplomatie, oft unter deutscher Führung, zumindest aber Vermittlung, geprägt war, sei es im Ukraine- oder Syrienkonflikt, der Auseinandersetzung mit Russland, Brexit oder aber den schwierigen Verhandlungen um das Atomabkommen mit dem Iran.
Steinmeier: Deutschland hat sich "nicht weggeduckt"
"Die Weltpolitik hat uns im Atem gehalten", so sagt es Steinmeier, aber Deutschland habe sich "nicht weggeduckt". Auch die Zukunft werde unsicher bleiben: So habe eine andere Amtseinführung vor einer Woche Folgen für die Welt, die noch nicht abzuschätzen seien.
Steinmeier bleibt Chefdiplomat, die Worte "Trump" und "Inauguration" nennt er nicht direkt. Dafür kriegt er die Kurve zurück zum Stühlerücken im Kabinett. Eines sei doch klar: Im Vergleich zu der Amtseinführung der vergangenen Woche, wisse er mit Sicherheit, dass er und Gabriel sich sicher nicht streiten würden – wieder eine diplomatischer Stich in Richtung Trump. Das Publikum lacht und klatscht. Am Ende erhält er eine stehende Ovation aus dem Raum.
Gabriel: Europa und transatlantische Partnerschaft im Mittelpunkt
Auch Gabriel sorgt für Heiterkeit im Saal, in dem viele ihren ehemaligen Chef, der im Ministerium äußerst beliebt ist, wohl vermissen werden. Die eigentliche Botschaft Steinmeiers sei doch gewesen: "Mach‘ keinen Scheiß! Verdirb mein Erbe nicht!", erklärt Gabriel. Einige Diplomaten grinsen. Und: er sei nicht einmal mal halb so schlimm, wie es in den Zeitungen gestanden habe. Denn viele Kommentatoren hatten gezweifelt, ob Gabriel – ein Politiker, der gerne und direkt sagt, was er denkt - dem Amt des Diplomaten gewachsen sei.
Dann wird Gabriel ernst: Die Außenpolitik dürfe nicht auf die Bundestagswahl im September fokussiert sein, dafür seien die Herausforderungen zu groß. Autoritäre Antworten auf die Krisen und Unsicherheiten seien auf dem Vormarsch, liberale Antworten dahingegen in der Defensive, warnte der neue Außenminister. Deshalb werde er um Europa kämpfen. Denn: "Das europäische Einigungswerk steht auf dem Spiel." Deutschland könne nicht neutral sein.
Seine erste Reise wird Gabriel bereits an diesem Wochenende nach Paris führen. Dort wird er den Außenminister Jean-Marc-Ayrault treffen. Bei dem Treffen wird es nach Angaben des Außenministeriums um die Zukunft der Europäischen Union, sowie um die Krisen in Syrien und der Ukraine gehen.
Gleichzeitig warb er für eine Zusammenarbeit mit den USA unter dem neuen Präsidenten Donald Trump: Auch wenn es manchen schwer falle, sei die transatlantische Partnerschaft - zusammen mit Europa - noch immer ein Pfeiler der deutschen Außenpolitik: Was auch immer für Töne aus den USA kämen, "wir müssen die Hand ausgestreckt lassen." Bald werde er mit seinem künftigen US-amerikanischen Amtskollegen, dem langjährigen Chef von ExxonMobil Rex Tillerson, sprechen.
Anders ausgedrückt: Die Arbeit im Außenministerium geht nahtlos weiter. Anders, als im Wirtschaftsministerium: Dort hat Zypries den Mitarbeitern noch ein "bis Montagmorgen um acht" als Abschied auf den Weg gegeben. Zur Freude der Mitarbeiter: "Ach, wir haben jetzt frei?", so ein Mitarbeiter freudig.