Brigitte Zypries: Die Regierungspraktikerin
26. Januar 2017Brigitte Zypries muss sich im Politikbetrieb in Berlin niemandem mehr vorstellen, wenn sie jetzt das Amt als Wirtschafts- und Energieministerin übernimmt. Das liegt daran, dass die SPD-Politikerin von 2002 bis 2009 bereits Bundesjustizministerin war und im Laufe ihrer 25-jährigen Politik-Karriere eine Fülle weiterer Ämter und Funktionen innehatte.
Mit dem abrupten Wechsel Gabriels ins Amt des Außenministers rückt die gebürtige Hessin nun erneut an die Spitze eines Ministeriums vor. Für die 63-jährige Politikerin, die für den nächsten Bundestag nicht mehr kandieren will, dürfte der Schritt ebenso überraschend gekommen sein wie für viele andere in ihrer Partei.
Von vielen Wirtschaftsvertretern wird die studierte Juristin mit offenen Armen empfangen. "Frau Zypries ist für einen nahtlosen Übergang die beste Wahl", heißt es vom IT-Verband Bitkom. Und auch vom Verband der Luft- und Raumfahrtindustrie kommen freundliche Worte. Man schätze die neue Ministerin als "kompetente und zupackende Person", die die Sorgen und Nöte der exportorientierten deutschen Hightech-Industrie verstehe.
Krisenmanagerin, Justizministerin, Staatssekretärin
Das sind Vorschusslorbeeren für die Neue an der Spitze des Wirtschaftsressorts, deren Karriere fernab wirtschaftspolitischer Fragen begann. Zypries wurde am 16. November 1953 in Kassel geboren und studierte nach ihrem Abitur Rechtswissenschaft. 1991 trat sie in die SPD ein und wurde in der Folge vom niedersächsischen Ministerpräsidenten und späteren SPD-Kanzler Gerhard Schröder gefördert. Er war es, der sie 1997 zu sich in die Staatskanzlei nach Niedersachsen holte, weil er ihre Arbeit schätzte. Schröders Aufstieg bescherte auch Zypries den Weg in die Bundesregierung.
Die Sozialdemokratin wurde bei der Flutkatastrophe im Sommer 2002 zur vielbeachteten Krisenmanagerin. Sie arbeitete danach als Staatssekretärin im Bundesinnenministerium und ab 2005 als direkt gewählte Bundestagsabgeordnete für ihren Wahlkreis Darmstadt.
Ende 2002 wurde sie Justizministerin. Das Amt übte sie sieben Jahre aus und überstand darin sogar den Kanzlerwechsel zu Angela Merkel. Während ihrer Amtszeit als Justizministerin setzte sie sich für mehr Verbraucherrechte ein, brachte aber auch härtere Anti-Terror-Gesetze mit auf den Weg. Sie galt als streitbar, aber stets fair und kooperativ - eine Regierungspraktikerin, die loyal, klug und weitsichtig agiert und mit heiklen Situationen umgehen kann.
Nach der Bundestagswahl 2013 wurde Brigitte Zypries vom bisherigen SPD-Parteichef und Vizekanzler Sigmar Gabriel zur Parlamentarischen Staatssekretärin in sein Wirtschafts- und Energieministerium geholt. Seitdem koordinierte sie für die Bundesregierung Fragen der Luft- und Raumfahrt - war aber auch für Digitalwirtschaft, Außenwirtschaft und Gründerförderung zuständig.
Dass eine Ex-Ministerin sich als Staatssekretärin wieder in der "zweiten Reihe" einreihte, sorgte bei ihrem Amtsantritt für Aufsehen. Zypries argumentierte damals, dass sie sich auf die inhaltliche Arbeit im neuen Themengebiet freue. Jetzt warten wieder neue Aufgaben auf sie.
Die Ausgangslage für Zypries ist gut. Die deutsche Wirtschaft strotzt vor Kraft - trotz der zahlreichen Krisen weltweit. Sigmar Gabriel hat in seiner letzten Regierungserklärung am Donnerstag hervorgehoben, wie robust er die Lage einschätzt. Um 1,4 Prozent wird die Wirtschaft in diesem Jahr wachsen, schätzt die Regierung - nach 1,9 Prozent im vergangenen Jahr.
Der BDI setzt weiter auf Gabriel als Wirtschaftsdiplomat
Doch Brexit, Trump, Flüchtlingskrise und islamistischer Terror werfen Schatten auf die Weltwirtschaft. Vom Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) kommen mahnende Worte an die neue Ressort-Chefin. "Es bleibt viel zu tun in der Wirtschaftspolitik angesichts zunehmender globaler Risiken, um die Stärke der verwundbaren deutschen Industrie zu sichern", sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber.
Neue Impulse erhofft er sich von Zypries an vielen Stellen: Die öffentlichen Investitionen in Infrastruktur und Unternehmensgründungen müssten deutlich steigen. Zudem müsse das Wirtschaftsressort noch vor der Bundestagswahl dafür sorgen, dass der Anstieg der Stromkosten gestoppt werde.
Viele Beobachter bezweifeln, dass Zypries in den verbleibenden acht Monaten eigene Akzente setzen kann. Interessant dürfte sein, wie prominent sie sich in heraufziehenden Handelskriegen positioniert, die durch die Politik von US-Präsident Donald Trump ausgelöst werden könnten.
BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Ferber scheint dabei mehr auf den lautstarken Sigmar Gabriel zu setzen - auch in seiner neuen Funktion als Außenminister. "Gerade in Zeiten, in denen die Verunsicherung in der Exportindustrie und der Weltwirtschaft zunimmt, ist es von Vorteil, wenn wirtschaftspolitische Themen stärker mit Außenpolitik verknüpft werden", fordert Kerber.
Machen Gabriel und Zypries jetzt also gemeinsam Außenwirtschaftspolitik? Pflegt Brigitte Zypries weiter ihren sachlich nüchternen Stil, dann dürfte der Grundton im Wirtschafts- und Energieministerium künftig ebenfalls sehr sachlich und nüchtern sein. Vielleicht lassen sich so ja auch schwierige Aufgaben in ihrem Ressort wie etwa die Energiewende voranbringen.