Mexiko leidet unter Dollar-Stärke
23. März 201552 Millionen US-Dollar, Tag für Tag - um die eigene Währung vor zu schneller Abwertung zu schützen, hat die mexikanische Zentralbank damit begonnen, ihre Währungsreserven auf den Markt zu werfen. Vom 11. März bis zum 08. Juni läuft das Programm, danach werde über eine Verlängerung dieses als "zusätzliche Präventivmaßnahme" bezeichneten Mechanismus' entschieden, so die Wechselkurs-Kommission, die Finanzministerium und Zentralbank bilden.
Seit Jahresbeginn hat der mexikanische Peso rund fünf Prozent an Wert gegenüber dem US-Dollar verloren. Am Tag vor dem Start des Programms kostete ein US-Dollar 15,65 mexikanische Peso - ein historisches Tief seit Einführung des "neuen Peso" im Juni 1992. Im Jahresvergleich beträgt der Wertverlust sogar 18 Prozent.
Neben den guten Konjunkturdaten der US-Wirtschaft ist vor allem die von vielen Seiten für Juni erwartete Zinserhöhung durch die US-Notenbank für den Kursanstieg des US-Dollar gegenüber allen wichtigen Währungen weltweit verantwortlich. Es wäre die erste Zinserhöhung seit 2006. Diese könnte jedoch Turbulenzen für die ohnehin schwächelnde mexikanische Wirtschaft mit sich bringen.
Mögliche Kapitalflucht
Die Zinssenkungen der US-Notenbank nach 2008 als Antwort auf die Wirtschafts- und Finanzkrise hatten dafür gesorgt, dass viel Kapital in aufstrebende Schwellenländer wie Mexiko oder Brasilien geflossen ist. Laut Weltwährungsfond (IWF) lag Mexiko weltweit auf Platz fünf der Auslandsinvestitionen. Zinserhöhungen in den USA könnten diesen Geldfluss nun wieder umkehren.
Nach Zahlen der mexikanischen Zentralbank sind allein im Februar bereits 16 Milliarden Pesos, rund 1,1 Milliarden US-Dollar, aus dem Land abgezogen worden. Gabriela Siller, Finanzexpertin der Banco BASE, sieht jedoch keinen Grund zur Sorge: "Mit der bevorstehenden Zinserhöhung ist zu erwarten, dass zwischen fünf und acht Milliarden US-Dollar abfließen werden. Das sind weniger als zwei Prozent des ins Land geflossenen Kapitals seit 2008", so Siller gegenüber der mexikanischen Tageszeitung La Jornada.
Aus diesem Grund glaubt Jaime Ruiz Sacristán, Chef der mexikanischen Wertpapierbörse, nicht, dass die Stützmaßnahmen der Zentralbank wegen der drohenden Kapitalflucht eingeführt wurden. Die starke Abwertung des Peso sei vor allem Spekulationen geschuldet, um Währungsrisiken in anderen Teilen der Welt auszugleichen - etwa in Russland oder Südafrika.
Auch Mexikos Finanzminister Luis Videgaray Caso zeigte sich nicht sonderlich beunruhigt. Die Stärke des US-Dollar sei ein globales Phänomen. Im Vergleich zu anderen Währungen stehe der Peso noch recht gut dar. So hat etwa der Euro seit Jahresbeginn rund 15 Prozent gegenüber dem US-Dollar verloren und war auf dem niedrigsten Stand seit 12 Jahren gerutscht. Die Versteigerung der Währungsreserven durch die Zentralbank solle Mexikos Wirtschaft vor potenziell gefährlichen Schwankungen schützen und für Stabilität sorgen, so Videgaray.
Gegen den US-Dollar-Anstieg anzukämpfen wäre wohl auch ein aussichtsloses Unterfangen, das weiß auch Mexikos Zentralbank. Den Währungshütern geht es eher darum, eine zu schnelle Abwertung des Peso zu verhindern. Denn die hätte negative Auswirkungen auf viele mexikanische Unternehmen, da diese ihre Kredite oft in US-Dollar bedienen.
Liquiditätsprobleme sollte es nicht geben. Zwar sind die Währungsreserven wegen der Maßnahmen in der vergangenen Woche um 801 Millionen US-Dollar geschrumpft, betragen aber weiterhin rund 195 Milliarden US-Dollar; hinzu kommt eine Kreditlinie des IWF über 70 Milliarden US-Dollar.
Angst vor Inflation
Die Abwertung des Peso schürt Inflationsängste. Im Februar lag die Teuerungsrate zwar bei nur drei Prozent, darin spiegeln sich aber noch nicht die negativen Auswirkungen der Peso-Abwertung wider. Die Verteuerung von Importprodukten wegen der Dollar-Stärke wird sich erst in der zweiten Jahreshälfte in den Statistiken niederschlagen. Die mexikanischen Finanzbehörden haben Privatunternehmen dazu aufgerufen, ihre Schulden in US-Dollar zu verringern. Seit Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise ist die Verschuldung der mexikanischen Privatwirtschaft überproportional gestiegen.
Die Dollar-Verkäufe der Zentralbank haben die Abwertung des Peso zunächst bremsen können. Andere Schwellenländer, zum Beispiel Brasilien, könnten dem mexikanischen Vorbild folgen, sagte Win Thin, Währungsexperte bei der Privatbank Brown Brothers Harriman & Co gegenüber dem Finanzportal MarketWatch. Eine Zinserhöhung durch Mexikos Zentralbank oder gar Kapitalkontrollen hält er dagegen für wenig wahrscheinlich.
Ölpreisverfall und Haushaltskürzung
Neben der Peso-Abwertung macht Mexikos Regierung vor allem der rapide Verfall des Ölpreises zu schaffen - ein Drittel der Staatseinnahmen wird im Ölsektor erwirtschaftet. Erst Ende Januar hatte die Regierung entschieden, die öffentlichen Ausgaben für das laufende Haushaltsjahr um 124 Milliarden Pesos, rund acht Milliarden US-Dollar, zu kürzen - das entspricht 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Hälfte der Summe entfällt auf den staatlichen Erdölkonzern Pemex. Dieser hatte daraufhin eine Reihe von Förderprojekten gestrichen.
Dabei hatte 2015 Mexikos Jahr werden sollen. Die historische wie umstrittene Energiereform erlaubt erstmals die Beteiligung privaten Kapitals bei Erschließung und Förderung der mexikanischen Öl- und Gasvorkommen. Die ersten Ölfelder sollen Mitte des Jahres versteigert werden, die Ausschreibung läuft. Doch die Rahmenbedingungen aus niedrigem Ölpreis und schwachem Peso sorgen für Ungewissheit.
Vor wenigen Tagen hat die Regierung eine weitere Haushaltskürzung für 2016 von rund 0,8 Prozent des BIP angekündigt. Trotz zahlreicher Strukturreformen durch die Regierung Enrique Peña Nieto: Der vielbeschworene mexikanische Moment will sich einfach nicht einstellen.