Verhandeln für Deutschland
5. Dezember 2012Viertel vor acht in den Räumen der deutschen Delegation im Konferenzzentrum in Doha: Zeit für die Morgenbesprechung. Rund 40 Mitglieder der deutschen Delegation sind zusammengekommen, darunter Mitarbeiter des Umweltministeriums, des Auswärtigen Amts und des Wirtschaftsministeriums. Am Kopfende hat die parlamentarische Staatssekretärin im Umweltministerium Katherina Reiche Platz genommen. Zu ihrer rechten ein großer, schlanker, dunkelblonder Mann: der Verhandlungsführer Karsten Sach.
Seit über zehn Jahren führt Sach die deutsche Delegation bei den Klimakonferenzen an. "Ich habe mich auf eine internationale Stelle im Umweltministerium beworben, weil ich etwas anderes machen wollte", erzählt Sach, "und dann bin ich seit mittlerweile 21 Jahren im internationalen Bereich hängengeblieben."
Bodenständig aufgewachsen
Aufgewachsen ist er in einem wenig internationalen Umfeld: in einem Dorf im östlichen Schleswig-Holstein. "Ich bin auf einem kleinen Bauernhof groß geworden", sagt Sach, "und wir haben uns eigentlich selten weit von dem Dorf entfernt." International wurde es dann mit einem vierjährigen Einsatz an der ständigen Vertretung Deutschlands bei der EU. Dort war Sach auch für Umwelt zuständig, als Deutschland 1994 die Ratspräsidentschaft der EU innehatte.
Bei aller norddeutschen Zurückhaltung ist es ihm ist wichtig zu betonen, dass seine jetzige Aufgabe nicht nur Klimaschutz, sondern die gesamte internationale Umweltpolitik umfasst. Dennoch sei der Klimaschutz für ihn prägend gewesen: "Ich habe 1994 - vor der großen Klimakonferenz in Berlin - bereits die EU-Gruppe zu Klimaschutz geleitet", erzählt er. "Es ist eine riesige Menschheitsherausforderung, an der es mir große Freude macht mitzuarbeiten."
"Vorsichtiges Abtasten"
"Ich bin ihm, glaube ich, beim Klimagipfel in Den Haag das erste Mal begegnet", erzählt Christoph Bals, Geschäftsführer der Umweltorganisation Germanwatch. Bei diesem ersten Aufeinandertreffen haben sie sich erst einmal "vorsichtig abgetastet": "Ich wusste, was er vorher gemacht hat, und hatte mir einige Informationen besorgt, wie gut er das in seiner Brüsseler Zeit gemacht hat", sagt Bals. Bei einer von Nichtregierungsorganisationen veranstalteten Party habe er sich dann das erste Mal mit Sach unterhalten: "Und da hat mich gefreut, wie diskussionsbereit er gewesen ist." Sach sei "in hohem Maße dialogfähig".
Diese Offenheit gegenüber den Positionen anderer hält Karsten Sach für eine zentrale Fähigkeit in seinem Job als Verhandlungsführer: "Man muss in der Lage sein, sich in die Sicht der Dinge der anderen reinzuversetzen", sagt er. Fairness, fügt der studierte Jurist hinzu, sei auch wichtig: "Schließlich sieht man sich im Leben immer mehrmals."
"Mich nerven Bremser"
Sach spricht klar, überlegt und sorgfältig - er verschluckt kein einziges Wortende. Er wirkt umsichtig und geduldig, aber die zähen Verhandlungen bei Klimakonferenzen können auch seine Geduld strapazieren: "Mich nerven Debatten um der Debatten willen", sagt er, "mich nervt, dass manchmal Dinge, die einer schon zehnmal gesagt hat, nochmal gesagt werden, weil man meint, die anderen haben nicht richtig zugehört." Vor allem möge er keine Ergebnislosigkeit: "Mich nervt am meisten, wenn Prozesse es erlauben, Bremsern eine zu starke Position einzuräumen."
Bei dieser Ungeduld gegenüber "Bremsern" kann man sich fragen, was Sach insgeheim über die Haltung des EU-Mitglieds Polen denkt. Polen blockiert, dass die EU ihre Ziele zur Emissionsminderung von 20 auf 30 Prozent erhöht - ein Schritt, den nicht nur Umweltaktivisten von der EU fordern, sondern den auch Umweltminister Peter Altmaier gerne täte, hat die EU doch das Ziel von einer 20-prozentigen Reduktion bereits jetzt - Ende 2012 - so gut wie erreicht.
Doch Sach ist kein Typ, der sich mit vorschnellen Äußerungen weit aus dem Fenster lehnt. Zudem respektiert er, dass unterschiedliche nationale Interessen zu unterschiedlichen Positionen führen. "Über mich selbst", sagt er, "ärgere ich mich am meisten wenn ich ungeduldig werde, obwohl ein Land eine Position vertritt, die ich vielleicht - wenn ich nachdenke - an seiner Stelle auch vertreten würde."
Berater unterschiedlichster Minister
Wenn am Donnerstag (06.12.2012) Umweltminister Peter Altmaier erstmals in das Verhandlungsgeschehen in Doha eingreift, wechselt Sach von der Rolle des Verhandlungsführers in die des Beraters. Diese Rolle hat er unter so unterschiedlichen Politikertypen wie Jürgen Trittin von den Grünen, Sigmar Gabriel von der SPD, Norbert Röttgen und jetzt Peter Altmaier von der CDU ausgefüllt.
"Jemand der so viele Kontakte, so viele Qualitäten und so viel strategisches Überblickswissen hat“, meint Bals, "der ist nicht leicht zu ersetzen." Außerdem sei Sach ein unaufgeregter und unideologischer Typ: "Wenn der Minister sich fair behandelt fühlt und sieht, dass er letztendlich die Weisung gibt, dann ist das für beide Seiten eine fruchtbare Rolle."
Mit Energie in die entscheidende Phase
Kurz bevor die Klimakonferenz in Doha in ihre entscheidende Phase geht, wirkt der 53-jährige Karsten Sach wach und dynamisch. "Das ist die Weltklimagemeinschaft, die sich hier trifft", meint er, "da gibt es tolle Leute, die tolle Ideen haben, um einen extrem schwierigen Prozess voranzubringen." Aus den Gesprächen schöpfe er viel "positive Energie".
Dass das nicht in jeder Verhandlungsrunde so ist, gesteht aber auch er ein. Neben der psychischen Stärke, mit den Rückschlägen und Frustmomenten der Verhandlungen gut umzugehen, sei auch körperliches Durchhaltevermögen gefragt. Es scheine ja dazuzugehören, dass man auch die Nächte durch verhandele, meint Sach: "Da müssen Sie trotzdem versuchen, sich halbwegs ausgewogen zu ernähren, und halbwegs ausgeruht zu diesen Konferenzen zu kommen."
Einen besonders emotionalen Eindruck macht Karsten Sach nicht. Etwas zögernd antwortet er auf die Frage, ob ihm der Klimawandel Sorge mache. Ja, sagt er dann, aber der mache nicht nur ihm Sorge. "Je nach Prognose wird davon ausgegangen, dass wir in 14 bis 18 Jahren doppelt so viele Dienstleistungen und Güter produzieren wie heute“, führt er in nüchternem Ton aus, "und es ist für mich nicht vorstellbar, dass wir das tun können, wenn wir die Umwelt weiter so missachten, wie wir das in vielen Staaten heute immer noch tun."