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Micky Maus: Ein Weltstar mit 1000 Gesichtern

Jochen Kürten | Suzanne Cords
17. November 2018

Vor 90 Jahren tauchte Micky Maus erstmals auf der Kinoleinwand auf. Jetzt feiert die berühmteste Comic-Figur der Welt Geburtstag. Ein neuer Bildband erzählt Mickys ganze Geschichte.

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Micky Maus
Bild: picture-alliance/AP Photo/Disney, K. Phillips

Ist Micky Maus die Mona Lisa des 21. Jahrhunderts? Beim Blick in "Mickey Mouse: Die ultimative Chronik" deutet jedenfalls vieles darauf hin. Jede noch so abwegige Frage zur berühmten Schöpfung von Walt Disney wird in dem neuen Buch des Taschen-Verlages beantwortet. Garantiert jede.

Der Taschen-Verlag ist seit einigen Jahren Vorreiter in der Publikation von Büchern im XXL-Format und das bedeutet: besonders groß, besonders dick, besonders bunt. Wer nun vermutet, dies ginge auf Kosten von Tiefe und Intellekt, irrt sich. "Die ultimative Chronik", wie das Buch im Untertitel heißt, das der Verlag zum 90. Geburtstag von Micky Maus herausbringt, liegt u.a. in Deutsch und Englisch vor. Fans der Pop-Kultur kommen auf ihre Kosten.

Geburtstagsbuch mit tausend Details zu Micky Maus

Die Fülle an Dokumenten ist überwältigend. Das hat natürlich seinen Preis. Auch dieses XXL-Buch kauft man nicht mal nebenbei im Buchladen um die Ecke. Die knapp 500 Seiten kosten 150 Euro. Außerdem gibt es eine auf 995 Exemplare limitierte Art Edition mit einem Faksimile eines Mickey-Mouse-Merchandise-Katalogs von 1936 und einem Portfolio mit fünf Drucken, die demnächst beim Verlag auch zu haben ist.

Das Buch "Walt Disney's Mickey Mouse: Die ultimative Chronik"
Keine Frage bleibt unbeantwortet in "Walt Disney's Mickey Mouse: Die ultimative Chronik"Bild: Taschen Verlag

Die Bücher des 1980 von Benedikt Taschen in Köln gegründeten Verlags erscheinen längst weltweit in mehrsprachigen Ausgaben. Sie spiegeln damit einen Trend wieder, der den deutschen Buchmarkt seit einiger Zeit erfasst hat: auf der einen Seiten E-Books, billige Krimis, Unterhaltungsware in Massenauflage; auf der anderen Seite teuer gestaltete Bücher mit Anspruch. Taschen steht mit an der Spitze dieser zweiten Ausprägung.

Zwei Amerikaner haben sich tief ins Disney-Archiv eingegraben

Zurück zu Micky. Zwei Autoren haben sich in die Archive des Walt Disney-Konzerns vergraben und Beeindruckendes zu Tage gefördert: über 1200 Illustrationen, erste Entwürfe, Zeichnungen, Storyboards, Plakate, Fotos, alles in bester Qualität abgedruckt. David Gerstein, US-amerikanischer Animations- und Comic-Historiker, sowie der Filmhistoriker J.B. Kaufmann zeichnen die Geschichte der Maus akribisch wieder, von ihren Anfängen als frühe Kinofigur bis zum digitalen Popphänomen unserer Tage.

Zur deutschen Ausgabe hat der Filmpublizist und Disney-Experte Daniel Kothenschulte das Vorwort beigesteuert. "Wie konnte sich Micky so lange Zeit diese Popularität bewahren und kontinuierlich jede nachwachsende Generation erfreuen?", fragt Kothenschulte zu Beginn und gibt dem Leser ein paar Erklärungsversuche mit auf den Weg, stützt sich dabei aber auch auf das Urteil von berühmten "Zeitgenossen" der Maus. Hier eine kleine Auswahl:

Die Form sei für den Erfolg hauptverantwortlich, so der amerikanische Schriftsteller John Updike: "Diese Ohren gehören nicht zum dreidimensionalen Raum, sondern ins ideale Reich der Zeichen, der Symbolisierung, der Zeichentrickwandlungsfähigkeit und - unzerstörbarkeit."

Micky Maus als Disneys Alter Ego?

Anders sah es Walter Benjamin. Der Kulturphilosoph verstand die Maus als eine Einladung für Jedermann: "Also, nicht 'Merchandising'. Nicht das 'Formale', nicht ein 'Mißverständnis' ist hier für den ungeheuren Erfolg dieser Filme die Basis, sondern, dass das Publikum sein eigenes Leben in ihnen wiederentdeckt."

Andere, wie der Zeichner Frank Thomas, setzen auf autobiografische Erklärungsmuster: "Die erstaunliche Maus war tatsächlich Walts Alter Ego. Sie spiegelte die persönlichen Charakterzüge, die Lebensauffassung und die Ideen ihres Chefs."

"Mickey Mouse - die ultimative Chronik"
Mickey Mouse heißt Micky auf EnglischBild: Taschen

Und der Meister selbst? Der hielt von solchen Gedankenspielen recht wenig: "Wir versuchen nur, einen guten Film zu machen. Und dann kommen die Professoren und sagen uns, was wir tun." Gemeint mit den "Professoren" war damals der britische Schriftsteller Aldous Huxley, dessen Auslassungen und Interpretationen Disney ablehnte.

Eine Maus als Projektionsfläche für Interpretationen

Was bleibt also? Worin liegen die Gründe für den Erfolg der 90 Jahre alten analogen Maus im digitalen Zeitalter? Wahrscheinlich ist die Frage nicht letztgültig befriedigend zu beantworten. Und damit sind wir wieder bei Mona Lisa. Auch deren Lächeln ist bis heute nicht zu erklären. So geht es wohl allen großen überzeitlichen Kulturphänomenen, ob Mona oder Maus - ein letztes Rätsel bleibt.

Die gebundene Ausgabe von "Mickey Mouse: Die ultimative Chronik" mit 496 Seiten erscheint am 25. November beim Taschen Verlag, ISBN: 978-3836552837.

Suzanne Cords Weltenbummlerin mit einem Herz für die Kultur