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Miese Stimmung an der SPD-Parteibasis

Jan Fritsche15. November 2013

Partei im Spagat: Die SPD will mit der Union koalieren und sich gleichzeitig für die Linkspartei öffnen. Aber was sagt die Parteibasis zu all dem? Eindrücke vom Bundesparteitag in Leipzig.

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Wortfetzen aus der Jugendsprache
Bild: picture-alliance/dpa

Es sind schwierige Zeiten für SPD-Chef Sigmar Gabriel. Nach dem schlechten Ergebnis bei der Bundestagswahl steht in seiner sozialdemokratischen Partei eine richtungweisende Entscheidung an. Soll die SPD mit CDU und CSU in eine große Koalition einsteigen und sich an der künftigen Bundesregierung beteiligen? Seit Wochen verhandeln die Parteien in Berlin darüber.

Eine Einigung ist noch nicht in Sicht, aber im Dezember soll die SPD in einem Mitgliedervotum darüber abstimmen, ob es eine Koalition geben soll oder nicht. Einen Vorgeschmack auf das Votum gibt der SPD-Parteitag in Leipzig. Die Stimmung bei den rund 600 Delegierten, die als Vertreter ihrer Heimatverbände über Parteiprogramm und Spitzenpersonal abstimmen, ist gedämpft.

Gegen die große Koalition

Sara Zorlu

„Die Mehrheit in meinem Kreisverband will keine große Koalition“, sagt die 28-jährige Sara Zorlu aus Nordrhein-Westfalen. Ihr und ihren Parteifreunden bereite der Gedanke an eine Koalition mit den Konservativen regelrecht Bauchschmerzen. "Da ist keiner, der sich freut, mit Angela Merkel an einem Tisch zu sitzen."

Wichtig findet die junge Frau vor allem das Thema doppelte Staatsangehörigkeit, also die Möglichkeit, neben dem deutschen noch einen weiteren Pass besitzen zu dürfen. Hier müsse sich ihre Partei in den Koalitionsverhandlungen unbedingt durchsetzen. "Die SPD hat Menschen mit Migrationshintergrund immer eine Stimme gegeben. Sie sollten sich nicht entscheiden müssen zwischen zwei Kulturen oder zwei Ländern."

Auch der Delegierte Milan Pein aus Hamburg hält es für fraglich, ob die SPD-Mitglieder einer großen Koalition zustimmen werden. "Die Leute haben die Erwartung, dass sozialdemokratische Inhalte in einem Koalitionsvertrag drin sind. Nur dann wird es eine Zustimmung geben", prophezeit der 39-Jährige. Definitiv müsse die Partei einen bundesweiten Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde heraushandeln. Doch der Delegierte zeigt sich auch realistisch: "Dass nicht alles umgesetzt werden kann, ist klar."

Zögerlicher Applaus für Gabriel

Milan Pein

Diese kritische Haltung der Basis bekommt auch der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel zu spüren. Zwar wird er in Leipzig wiedergewählt, aber nur mit 83,6 Prozent. Das sind acht Prozentpunkte weniger als noch vor zwei Jahren. Als das Ergebnis verkündet wird, geht ein tiefes Raunen durch den Saal. Erst dann applaudieren die Delegierten zögerlich ihrem alten und neuen Parteichef.

Dass die Menge ihm schließlich auch noch einen kurzen stehenden Applaus gewährt, scheint eher aus Höflichkeit als aus Begeisterung zu geschehen. Gabriel bedankt sich "für ein außerordentlich ehrliches Wahlergebnis". In seiner Rede hat er zuvor eigene Fehler eingestanden und die Verantwortung für "das enttäuschende Bundestagswahlergebnis" übernommen. Das kommt bei den Delegierten gut an: "Das war eine ehrliche Rede, weil sie auch durchaus selbstkritischen Inhalt hatte", sagt der Delegierte Swen Bastian aus Hessen. "Offene Worte waren notwendig."

"Mit den Linken kann man reden"

Öffnen will sich die SPD zukünftig auch im Umgang mit der Linkspartei. Einen entsprechenden Antrag haben die Delegierten mit großer Mehrheit verabschiedet. Bisher hatte die Partei Koalitionen mit der Linkspartei strikt ausgeschlossen, vor allem wegen der Außen- und Verteidigungspolitik der Linken.

Bei der nächsten Bundestagswahl 2017 wollen sich die Sozialdemokraten jedoch alle Optionen offen halten. "Der Großteil ist sehr froh darüber, dass wir uns auf Bundesebene endlich den Linken öffnen", sagt die Delegierte Inga Stephan über ihren Kreisverband in Niedersachsen. Zwar sei eine Koalition mit den Grünen immer noch die beste Option für die SPD, "aber die Linken sind eine Partei, mit der man reden kann", findet die 23-Jährige.

Inga Stephan

In den ostdeutschen Bundesländern gibt es längst rot-rote Bündnisse von SPD und Linken. Hier gilt die Partei als sehr viel pragmatischer als im Westen. Deswegen sind vor allem die Delegierten aus dem Osten erleichtert darüber, dass die Partei ihre strikte Verweigerungshaltung auf Bundesebene aufgeben will. "Das wird bei uns sehr begrüßt, weil wir zehn Jahre lang sehr gut mit der Linkspartei gearbeitet haben", berichtet Barbara Loth aus Berlin. Es sei höchste Zeit für die SPD, sich der Linkspartei zu öffnen.

Gabriel in schwieriger Mission

Solche Gedankenspiele werden von CDU und CSU mit großer Skepsis verfolgt. "Kommen Sie unversehrt zurück", gab die Kanzlerin dem SPD-Vorsitzenden Gabriel mit auf den Weg, als dieser von den Koalitionsverhandlungen zum Parteitag nach Leipzig aufbrach. Gemeint haben wird sie vor allem, dass der SPD-Chef sich nicht vom innerparteilichen Gegenwind gegen eine große Koalition anstecken lassen soll.

Für Gabriel kommt die derzeitige Situation einem Spagat gleich: Er muss sich gleichzeitig der Union nähern und die SPD für die Linkspartei öffnen. Und dann gibt es da auch noch die Parteibasis. Die hat beim Parteitag in Leipzig klar gemacht, dass sie nur dann einer großen Koalition zustimmen wird, wenn zentrale Parteiforderungen im Koalitionsvertrag landen.