Migration: CSU verschärft vor der Bundestagswahl den Ton
3. Januar 2025Als Partei gibt es sie nur in Bayern: die Christlich-Soziale Union (CSU). Programmatisch verfolgt sie im Kern die gleichen Ziele wie die fast namensgleiche Christlich-Demokratische Union (CDU), die in den anderen 15 von 16 Bundesländern politisch aktiv ist. Deshalb wird die CSU auch als kleine Schwester der großen CDU bezeichnet und beide verstehen sich auch so. Wegen ihrer sehr ähnlichen Weltanschauung bilden sie im Deutschen Bundestag seit Jahrzehnten eine gemeinsame Fraktion.
Ihr großes Ziel bei der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar 2025 ist es, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) und deren Bundeskanzler Olaf Scholz an der Regierungsspitze abzulösen. Die Chancen dafür stehen gut: Im Deutschlandtrend des Monats Dezember haben die Unionsparteien mit 32 Prozent doppelt so viel Zuspruch erhalten wie die SPD. Auch alle anderen Parteien liegen deutlich zurück.
Wahlkampf-Thema: das Weihnachtsmarkt-Attentat von Magdeburg
Ein wichtiges Thema im Wahlkampf ist die schon lange kontrovers geführte Migrationsdebatte. Nach dem tödlichen Attentat auf einen Weihnachtsmarkt in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) kurz vor Heiligabend hat sich die Stimmungs- und Tonlage nochmals zugespitzt. Der Tatverdächtige stammt aus Saudi-Arabien und soll nach bisherigen Erkenntnissen in sozialen Medien mehrmals einen Anschlag angekündigt haben. Auch vor diesem Hintergrund fordern mit Ausnahme der Linkspartei alle Parteien eine strengere Migrationspolitik.
Besonders weitgehende Vorstellungen hat Berichten bayerischer Medien zufolge die CSU. Sie zitieren aus einem Positionspapier für die traditionelle Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten vom 6. bis 8. Januar 2025 im Kloster Seeon: "Wer dauerhaft bei uns leben möchte, muss auch dauerhaft Leistung erbringen und darf nicht dauerhaft Leistungen in Anspruch nehmen."
Das Programm für die Bundestagswahl klingt etwas anders
Mit dieser Forderung geht die CSU über das hinaus, was sie gemeinsam mit der CDU im Programm für die Bundestagswahl beschlossen hat. Dort heißt es: "Ganz generell sollen Sachleistungen, wo immer möglich, Vorrang vor Geldleistungen haben. Die Bezahlkarte soll flächendeckend und restriktiv in allen Bundesländern eingeführt werden."
Der Rechtswissenschaftler Volker Boehme-Neßler von der Universität Oldenburg hält den CSU-Vorstoß für aussichtslos: "Wer legal als Flüchtling hier lebt, dem kann man nicht den Lebensunterhalt streichen", sagte er dem privaten TV-Sender "Welt" unter Verweis auf deutsches und europäisches Recht. Das zu ändern sei kompliziert, weil es dabei um eine entscheidende Frage gehe: "Wird jemand verfolgt, braucht jemand Schutz?"
Abschiebungen wären theoretisch leichter möglich
Größere Erfolgschancen sieht Boehme-Neßler bei einer anderen Forderung aus dem CSU-Papier: "Wer ein Verbrechen begeht oder vorsätzlich mehrfach straffällig wird, muss unser Land verlassen." Das wäre nach Boehme-Neßlers Einschätzung rechtlich jetzt schon möglich. Die dafür geltenden Gesetze seien keinesfalls zu milde: "Man könnte mehr abschieben, die Abschiebungen klappen aber nicht."
Ginge es nach der CSU, sollte der Druck auf Migranten auch deshalb weiter erhöht werden: Wer nicht ausreise oder nicht abgeschoben werden könne, müsse in unbefristete Abschiebehaft genommen werden können. Solche Ideen hält der Rechtsexperte für populistisch: "Es geht um Wahlkampf", betont Boehme-Neßler. Das Thema Missbrauch von Migration und illegale Migration stehe bei den Menschen ziemlich weit oben auf der Agenda. "Aber rechtlich gesehen und humanitär ist das ein Problem."
Die CSU will der AfD ein Thema wegnehmen
Auch der Politikwissenschaftler Volker Kronenberg von der Universität Bonn hält das Migrationspapier der CSU für ein Wahlkampf-Manöver. Sie versuche, der populistischen und extremistischen Alternative für Deutschland (AfD) ein wichtiges Thema wegzunehmen, nämlich das von Migration, Flucht und innerer Sicherheit.
Große Differenzen zwischen CSU und CDU kann Kronenberg hingegen nicht erkennen. Schon das von ihrem gemeinsamen Kanzlerkandidaten Friedrich Merz vorgelegte Grundsatz-Programm sei eine Abkehr von der Migrationspolitik der bis 2021 regierenden CDU-Kanzlerin Angela Merkel gewesen. Sie hatte 2015 die Einreise von fast einer Million Flüchtlingen überwiegend aus Syrien und dem Irak ermöglicht. Ihr Motto: "Wir schaffen das!"
Angela Merkel und die angebliche "Herrschaft des Unrechts"
Die CSU war seinerzeit anderer Meinung, allen voran der damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer. Als "Herrschaft des Unrechts" bezeichnete der spätere deutsche Innenminister Merkels Flüchtlingspolitik. Politik-Experte Kronenberg verweist aber auch auf das Agieren anderer Parteien in den Jahren danach.
Im TV-Sender "Welt" nennt er namentlich SPD-Kanzler Olaf Scholz, der schon vor dem Beginn des Bundestagswahlkampfs auf dem Titel des weitreichenstarken Magazins "Der Spiegel" zu sehen war. Die Schlagzeile war ein Zitat des amtierenden deutschen Regierungschefs zum Thema Migration: "Wir müssen endlich im großen Stil abschieben!"
Auch das Bündnis Sahra Wagenknecht könnte profitieren
Daraus sei aber nicht allzu viel geworden, erinnert Kronenberg an die weiterhin geringen Zahlen abgeschobener Flüchtlinge. Oft scheitert der Versuch schon daran, dass sich ihre Herkunftsländer weigern, sie aufzunehmen. Hier werde manches vollmundig versprochen und angekündigt, aber realpolitisch folge zu wenig, meint Kronenberg. "Und das steigert den Frust und den Unmut." Das wiederum treibe Wählerinnen und Wähler zur AfD oder zum Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).
Die im Januar 2024 gegründete Partei ist eine Abspaltung der Linken. Inhaltlich ist die Schnittmenge zwischen beiden politischen Kräften groß – abgesehen von einem Thema: Migration. Bei dieser Frage gehört das BSW zu dem Lager, das für einen schärferen Kurs ist. Die am weitesten gehenden Einschränkungen für die davon potenziell betroffenen Menschen hat neben der AfD jetzt die CSU vorgeschlagen.
Rechtliche und parteipolitische Bedenken
Abgesehen von rechtlichen Bedenken gibt es jedoch einen weiteren Grund dafür, dass die Pläne nach der Bundestagswahl wohl in der Schublade bleiben werden: Eine von den Unionsparteien angeführte Regierung wäre auf mindestens eine Koalitionspartnerin angewiesen. Infrage kämen am ehesten SPD und Grüne.
Beide Parteien plädieren zwar auch für eine härtere Gangart gegenüber Migrantinnen und Migranten, die Ideen der CSU gehen ihnen aber zu weit: "Die CSU schießt wieder einmal weit über das Ziel hinaus und biedert sich der AfD an", sagte der SPD-Innenpolitiker Dirk Wiese der "Rheinischen Post".