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Tsipras: 2018 ist die Krise zu Ende

10. September 2017

Mit der Aussicht auf Wirtschaftsförderungen in Milliardenhöhe eröffnete Ministerpräsident Alexis Tsipras die Internationale Messe in Thessaloniki. Griechenlands Hauptproblem kam dabei nicht zur Sprache: die Steuern.

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Griechenland Internationale Handelsmesse in Thessaloniki | Alexis Tsipras, Ministerpräsident
Bild: DW/F. Schmitz

Jedes Jahr im September findet in Thessaloniki die Internationale Handelsmesse statt – in diesem Jahr zum 82. Mal. Interessant für die Griechen ist die Veranstaltung weniger aufgrund der vielen, zumeist griechischen Aussteller, sondern vor allem, weil hier sowohl der Regierungschef als auch der Oppositionschef ihre politischen Grundsatzprogramme für das nächste Jahr vorstellen. So verkündete Ministerpräsident Alexis Tsipras vor Vertretern aus Politik und Wirtschaft: "Im August 2018 wird die Krise in Griechenland endgültig zu Ende gehen." Dann also, wenn das internationale Kreditprogramm für Griechenland ausläuft.

Tsipras‘ Botschaft des Abends: Wir stehen bald auf eigenen Füßen. Nicht von gestern wolle er reden, sondern von jener Zukunft, die Griechenland verdient habe. Abgewanderte Fachkräfte sollen zurückgeholt und Stellen für Berufsanfänger im ersten Jahr mit Steuergeldern unterstützt werden. Es sollen Bedingungen geschaffen werden, unter denen Start-Ups, Tourismus, Landwirtschaft und der digitale Sektor gedeihen könnten. Von milliardenschweren Förderprogrammen, die "spezifisch eingesetzt" würden, sprach er ebenso wie von Mikrokrediten für kleine und mittlere Unternehmen. Diese, betonte Tsipras verständnisvoll, hätten am meisten unter der Krise gelitten. All das wäre hilfreich - wenn da nicht der Fiskus wäre.

Griechenland Internationale Handelsmesse in Thessaloniki
Internatione Handelsmesse: Bis zum 17.September präsentieren 1500 Aussteller ihre UnternehmenBild: DW/F. Schmitz

"Alle müssen vom Wachstum profitieren"

In der Tat wecken die aktuellen Zahlen Hoffnung. 2016 erwirtschaftete Athen einen Primärüberschuss von 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung und übertraf damit überraschend die Forderungen der Geldgeberländer. Und auch die dramatische Arbeitslosenquote ist um knapp sechs Punkte auf derzeit  21,7 Prozent gesunken.

So ging es Alexis Tsipras in seiner Rede vor allem darum, Optimismus zu verbreiten. Durch die Reformbemühungen der letzten Jahre sei Griechenland nun interessant für Investoren geworden, frohlockte er -  und spielte damit auch auf den Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in der vergangenen Woche an. Dieser hatte eine intensivere, wirtschaftliche Zusammenarbeit in Aussicht gestellt. Und ja, die Wirtschaft in Griechenland wächst, wenn auch langsam. Tsipras aber weiß, dass dies nur Wenigen zu Gute kommt. Daher forderte er: "Wir brauchen ein Griechenland der Chancengleichheit. Alle müssen vom Wachstum profitieren."

"Hohe Steuerlast"

Darüber kann Asmenia Hatzipanagiotou von ihrem kleinen Messestand aus nur den Kopf schütteln. Ihrem Familienunternehmen geht es schlecht. Dass sich die Lage in naher Zukunft verbessern wird, glaubt sie nicht: "Für uns ist die Krise nicht vorbei. Von dem was wir erwirtschaften, können wir nicht leben." Schuld daran sei vor allem die die hohe Steuerlast, meint Nikos Taloumis. Der 36-jährige Unternehmer hat vor allem Auftraggeber aus dem Ausland, so dass der schwache griechische Binnenmarkt kaum Einfluss auf seine Umsätze hat. Sein Hauptproblem: 63 Prozenz seiner Gewinne wanderten im letzten Jahr an den Fiskus.

"Als Geschäftsinhaber bin ich Angestellter in meiner eigenen Firma. Der Staat verdient prozentual mehr als ich", moniert Taloumis. Auch sei der Gang zum Finanzamt jedes Mal eine Qual. Zwar habe sich hier in punkto Organisation in den letzten Jahren ein wenig etwas getan. Doch genau wie vor der Krise, sei die Verwaltung vor allem eines: unberechenbar. Auch hierfür fand Tsipras passende Worte. "In der Vergangenheit sind Milliarden in die Reformierung des öffentlichen Sektors gesteckt worden und nichts ist passiert", kritisierte er die Vorgängerregierung. Dies solle sich nun endlich ändern. Bis 2020 sollten Verwaltungsvorgänge digitalisiert und somit transparenter gemacht werden.

Griechenland Internationale Handelsmesse in Thessaloniki | Asmenia Hatzipanagiotou & Tochter
Asmenia Hatzipanagiotou (links) aus der Provinzstadt Larissa und ihre Tochter glauben nicht an eine baldige Verbesserung der LageBild: DW/F. Schmitz

Höchstausgaben für Selbständige

Noch aber herrscht Chaos in der griechischen Verwaltung. Darunter leiden vor allem die Selbständigen, die gut ein Drittel der griechischen Steuerzahler ausmachen. Traditionell haben diese keinen Ruf in Griechenland. Freiberufler gelten per se als Steuerhinterzieher. Doch in Zeiten, in denen gerade junge Professionelle kaum Möglichkeiten haben, in ein geregeltes Beschäftigungsverhältnis zu gelangen, bleibt häufig nur der Weg in die Selbständigkeit. Und auch deswegen hatte Tsipras ihnen vor seiner Wahl zum Ministerpräsidenten im Januar 2015 ein transparenteres und gerechteres Steuersystem versprochen. Doch die Situation hat sich verschlechtert.

Als Freiberufler liegen die Abgaben für Einkommens- und Mehrwertsteuer sowie Krankenversicherung bei über 70 Prozent. Hinzukommt, dass Steuervorauszahlungen in Höhe von 100 Prozent zu leisten sind. "Bei der unsicheren Marktsituation in Griechenland ist es kaum einzuschätzen, wie die Umsätze im nächsten Jahr sein werden", erklärt die 30-jähre Tenia Menegaki. Sie ist Mit-Initiatorin eines jener Start-Ups, in die der Ministerpräsident in seiner Rede so große Hoffnung setzt. Auch sie hatte 2015 darauf gehofft, dass das Steuersystem zu Gunsten der Selbständigen reformiert werden würde. "Unser Problem ist - neben den hohen Abgaben - vor allem, dass sich ständig etwas ändert. Andauernd gibt es neue Gesetze und mann muss sich anpassen. Es mangelt einfach an Stabilität und Verlässlichkeit."

Griechenland Internationale Handelsmesse in Thessaloniki
Während auf der Messe reges Treiben herrscht, kämpfen Griechenlands Innenstädte weiterhin gegen den LeerstandBild: DW/F. Schmitz

Hohe Steuern schrecken Investoren ab

Damit schadet Griechenland vor allem dem Binnenmarkt. Immer noch stehen in Athen und Thessaloniki Geschäfte leer oder müssen schließen, weil ihnen die Kunden ausbleiben. So bleibt für viele nur die Möglichkeit, Einnahmen am Fiskus vorbeizuschleusen oder ihr Glück im Ausland zu suchen. "Kleine und mittlere Unternehmen werden genauso hoch besteuert wie große Konzerne", moniert Menegaki. "Was wir bräuchten ist ein Steuermodell, das sich an den realen Umsätzen orientiert."

Davon sprach Tsipras in seiner Rede in Thessaloniki jedoch nicht. Wohl auch, weil die Bedingungen für die Milliardenkredite, die Griechenland vor dem Bankrott bewahrt haben, ihm dafür keinen Spielraum lassen. Dabei liegt es vor allem an den hohen Steuern, dass nur wenige Investoren Interesse an Griechenland zeigen. Und auch, dass dem Land die Fachkräfte davonlaufen. "Nur faires Wachstum kann zu Stabilität führen", betonte Tsipras gestern in Thessaloniki. Fördergelder allein aber werden dabei nicht helfen.

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Florian Schmitz Reporter mit Schwerpunkt Griechenland