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Minsk als Schicksalsort für die Ukraine

Roman Goncharenko9. Februar 2015

Die weißrussische Hauptstadt Minsk ist der Schauplatz wichtiger Entscheidungen in der Ukraine-Krise. Präsident Alexander Lukaschenko bemüht sich um Neutralität. Doch der Schein trügt.

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Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko (rechts) und Wladimir Putin bei einem Treffen am 10.10.2014 (Foto: Reuters)
Der weißrussische Präsident Lukaschenko (r.) und PutinBild: Reuters/Vasily Fedosenko

"Machen Sie sich überhaupt keine Sorgen wegen der Veranstaltung in Minsk." Alexander Lukaschenko versicherte dem russischen Präsidenten Wladimir Putin beim Treffen in Sotschi am Wochenende, der für Mittwoch geplante Vierergipfel zu Ukraine-Krise werde bestens organisiert. Erwartet werden außer dem Kremlchef der ukrainische Präsident Petro Poroschenko, Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatschef Francois Hollande. Im Gespräch mit Putin erinnerte Lukaschenko an die Treffen in Minsk der sogenannten "Kontaktgruppe", die aus Vertretern der Ukraine, Russlands und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) besteht. "Ich habe alles gemacht, wie Sie gebeten haben, es gab keine Beschwerden", sagte der weißrussische Präsident. Er klang wie ein Berichterstatter.

Auf Kuschelkurs mit Kiew

Noch vor Berlin ist Minsk zum wichtigsten Standort für diplomatische Bemühungen in der Ukraine-Krise geworden. Ende August 2014 trafen sich dort die Präsidenten Poroschenko und Putin zum ersten Mal zu einem Gespräch unter vier Augen. Im September haben sich in Minsk Vertreter der Regierung in Kiew und der prorussischen Separatisten aus der Ostukraine auf eine Art Friedensplan geeinigt. Die Anführer der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk wurden damals in Minsk indirekt legitimiert. Doch diese Vereinbarungen sind inzwischen gebrochen. Die Separatisten haben eine Offensive begonnen, die Kämpfe in der Ostukraine werden immer heftiger.

Minsk ist offenbart nicht zufällig zu einem zentralen Verhandlungsort geworden. Seit Beginn der Ukraine-Krise vor rund einem Jahr positioniert sich Weißrussland als neutral. Ende Februar 2014, kurz vor Beginn der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland, sprach sich Lukaschenko für die Bewahrung der territorialen Integrität der Ukraine aus. Anders als Russland erkannte er die neue ukrainische Staatsführung sofort an. Lukaschenko, der Ende Mai dem neuen ukrainischen Präsidenten Poroschenko umgehend zu dessen Wahlsieg gratulierte, wurde auch zur Amtseinführung nach Kiew eingeladen. Er besuchte Kiew erneut Ende Dezember 2014, um mit dem Präsidenten Poroschenko zu verhandeln.

Ukraine-Gespräche in Minsk am 05.09.2014 (Foto: AFP)
Ukraine-Gespräche in Minsk im September 2014Bild: Vasily Maximov/AFP/Getty Images

Die weißrussische Scheinneutralität

Doch in Wirklichkeit ist Lukaschenko ein langjähriger und enger Verbündeter Moskaus. Kaum jemand erinnert sich heute, dass Russland und Weißrussland 1997 einen gemeinsamen Staat gegründet haben, der rein formell bis heute existiert. Weißrussland und Russland sind auch Gründungsmitglieder der Eurasischen Wirtschaftsunion ehemaliger Sowjetrepubliken, die seit dem 1. Januar 2015 auch juristisch existiert. Beide Seiten streiten zwar regelmäßig wegen Handelsfragen. So schränkte Russland neulich Importe weißrussischer Lebensmittel ein und verärgerte dadurch Lukaschenko. Und doch halten Moskau und Minsk an ihrer Allianz fest.

Auch militärisch arbeiten beide Staaten eng zusammen. Beide sind Mitglieder in der von Russland dominierten Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit. Russland betreibt in Weißrussland eine Radarstation und stationiert dort Kampfflugzeuge und Hubschrauber. Bis 2016 will Moskau einen eigenen Luftwaffenstützpunkt in Bobruisk aufbauen - rund 250 Kilometer nördlich der ukrainischen Grenze.

"Hilfe" statt "Vermittlung"

Astrid Sahm, Weißrussland-Expertin und Gastwissenschaftlerin bei der Berliner "Stiftung Wissenschaft und Politik" (SWP), meint, die jüngste weißrussische "Freundschaft" mit der Ukraine sei keine neue Entwicklung. "Lukaschenko unterhielt trotz seiner Ablehnung der sogenannten 'farbigen Revolutionen' bereits nach 2004 gute Kontakte zum damaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko", sagte sie der Deutschen Welle. Deswegen sei Lukaschenko auch nach dem Machtwechsel in Kiew von den ukrainischen Akteuren um Unterstützung gebeten worden, so die Expertin.

Lukaschenko selbst betonte aber, er möge das Wort "Vermittlung" nicht. Er spricht lieber von "Hilfe". "Wir sind keine Friedensstifter, wir haben uns nicht um die Rolle beworben", sagte Lukaschenko auf einer Pressekonferenz Ende Januar 2015.

Gipfeltreffen in Minsk Lukaschenko und Poroschenko 26.08.2014
Lukaschenko (l.) und der ukrainische Präsident Poroschenko: Der weißrussische Präsident erkannte die neue ukrainische Staatsführung sofort an.Bild: Kirill Kudryavtsev/AFP/Getty Images

Europas "letzter Diktator" wieder salonfähig

Russland schweigt zu dem auffallend freundlichen Kurs Lukaschenkos gegenüber den neuen Machthabern in Kiew. Beobachter vermuten, dass sich Moskau so eine Möglichkeit für direkte Kontakte mit Kiew offenhalten möchte. Nur einzelne Politiker in Moskau werfen Lukaschenko vor, auf der falschen Seite zu stehen.

Außenpolitisch profitiert Lukaschenko offensichtlich von seinen diplomatischen Diensten in der Ukraine-Krise. Der autoritär regierende weißrussische Präsident gilt im Westen als "Europas letzter Diktator", die Europäische Union hat gegen ihn und Vertreter der weißrussischen Machtelite Sanktionen eingeführt. Nun könnte er als Gastgeber Merkel und Hollande die Hände schütteln.

Und es geht noch weiter. Lettland, das derzeit den EU-Vorsitz hat, schloss eine Einladung Lukaschenkos zum EU-Gipfel der Östlichen Partnerschaft in Riga im Mai 2015 nicht aus. Bisher war er bei diesen Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs unerwünscht. Das dürfte Lukaschenko zusätzliche Punkte bei der eigenen Bevölkerung bringen. Im September will sich der weißrussische Präsident, der seit 1994 im Amt ist, erneut zum Präsidenten wählen lassen.