1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Missgunst und Misstrauen im Ringen um Iraks Verfassung

Peter Philipp23. August 2005

Das Ringen um die irakische Verfassung geht weiter. Unter anderem ist die Frage der Machtverteilung zwischen der Regierung in Bagdad und den einzelnen Regionen noch ungeklärt. Peter Philipp kommentiert.

https://p.dw.com/p/75Em
Peter Philipp

Vier Minuten vor Ablauf der Frist konnte der irakische Parlamentspräsident Haschim al-Hassani den Erfolg melden: Man habe den Abgeordneten den Entwurf für eine Verfassung vorgelegt. Hassami musste aber sofort einschränken: Es gebe jedoch immer noch einige Unklarheiten und die werde man in den nächsten drei Tagen ausräumen. Eine Lösung also, die keine Lösung ist: Die selbst bestimmte Frist wurde eingehalten, indem man sie verlängerte.

Demokratie à la Bagdad. Nun weiß man ja, dass der Irak erst noch dabei ist, ein demokratisches System aufzubauen und sich dabei gegen alle Gewalttaten wehren muss, die die Gegner eines "neuen Irak" aufbieten, um diesen Wandel zu verhindern. Aber auch trotz solcher Widrigkeiten ist es nicht gerade ermutigend, dass es den Vertretern der verschiedenen Volksgruppen so schwer fällt, eine verfassungsmäßige Grundlage für das künftige Zusammenleben im Irak zu vereinbaren.

Unterschiedliche Systeme

Der Hauptgrund für diese Schwierigkeiten dürfte darin liegen, dass Missgunst und Misstrauen gegenüber den anderen Volks- und Religionsgruppen stärker sind als der Wille zum friedlichen Miteinander. So ist der Verdacht der Sunniten sicher berechtigt, dass kurdische und schiitische Autonomiebestrebungen die Einheit des Irak gefährden. Nicht nur, weil hier oberflächlich unterschiedliche politische Systeme gefordert werden und bei einem föderativen System auch entstehen: ein säkularer Staat bei den Kurden oder ein Abklatsch einer "Islamischen Republik" bei den Schiiten - ein Iran an Euphrat und Tigris.

Mit allem, was solch gesellschaftspolitische Unterschiede für den Einzelnen - zum Beispiel für die Frauen - bedeuten. Aber auch, was die künftige Verteilung des Wohlstandes betrifft: Denn Föderalismus, das bedeutet auch Kontrolle über die Bodenschätze und würde Schiiten und Kurden gegenüber den Sunniten eindeutig bevorteilen: Die Ölquellen liegen nun einmal bei Kurden und Schiiten, nicht aber bei den Sunniten. Diese würden deswegen nicht nur ihre bisherige politische Vormachtstellung verlieren, sie sähen auch ihren Zugriff auf die Reichtümer des Irak gefährdet.

Ein Scheitern wäre eine Blamage

Keine gute Ausgangslage für ein friedliches Zusammenleben. Und eine beträchtliche Hürde beim Versuch, nun in den nächsten drei Tagen eine Einigung herbeizuführen. Insgeheim mag mancher der Beteiligten den von Washington vorgegebenen Zeitplan längst schon verwünschen, aber man macht gute Miene zum bösen Spiel: Das Eingeständnis eines Scheiterns kann man sich nicht erlauben, weil es einer Selbst-Disqualifizierung gleich käme. Und so manövriert man weiter und wird man sich eines Tages sicher auch einigen.

In drei Tagen oder später - das ist letztlich unwichtig. Wichtig ist, dass die Iraker selbst beweisen, dass sie in der Lage sind, zumindest die Grundlage zu schaffen für ihren künftigen Staat und dass dieser Staat freiheitlich und demokratisch ist. Der Wille dazu ist da, bisher aber fehlte es offenbar an der nötigen Zivilcourage.