Mission impossible
25. November 2013Natürlich verstehe er die Ängste und Sorgen der Deutschen, beteuert der amerikanische Senator Chris Murphy und breitet kurz die Hände aus: Zusammen mit dem Kongressabgeordneten Gregory Meeks ist er am Montag (25.11.2013) nach Berlin gekommen, um die Wogen zu glätten, die seit den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden über die Spähaktionen des amerikanischen Geheimdienstes NSA immer höher schlagen. Die beiden Demokraten haben Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) getroffen, den noch amtierenden Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und den Vorsitzenden des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die deutschen Geheimdienste, Thomas Oppermann (SPD).
Am Abend finden sie sich in der Bertelsmann Stiftung in Berlin zu einer Diskussionsrunde ein. Wie in ihren anderen Treffen beteuern sie auch hier, wie wichtig es sei, das gegenseitige Vertrauen wieder aufzubauen und weiter an dem Transatlantischen Freihandelsabkommen zwischen der EU und USA zu arbeiten. Trotz der Spähvorwürfe also und der Enthüllungen der vergangenen Wochen, dass die NSA sogar das Handy der deutschen Kanzlerin angezapft haben soll, möglicherweise von der amerikanischen Botschaft in Berlin aus. Als er davon erfahren habe, sagt Murphy, "da habe ich sofort verstanden, dass wir eine Linie überschritten hatten." Soll heißen: Die Wellen der Empörung im Land des "Partners und Alliierten", so nennt Murphy Deutschland, schlagen immer höher. Trotzdem: Auf die Nachfrage der Deutschen Welle, ob es nicht Zeit für eine Entschuldigung sei, formuliert Murphy, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Senats, vorsichtig: Nicht Worte seien wichtig, sondern Taten.
Keine Entschuldigung
Denn die beiden US-Politiker kommen mit der Botschaft, dass die amerikanischen Geheimdienste in Zukunft bei ihrer Arbeit anders vorgehen werden; dass sie stärker die Privatssphäre von Bürgern und Politikern schützen sollen, ohne allerdings die nationale Sicherheit zu gefährden, erklärt Meeks. Man repräsentiere eine große Gruppe von Kongressabgeordneten und Senatoren, "die einen anderen Weg gehen wollen", so Murphy. Es gehe darum, wieder die Kontrolle über die Geheimdienste zu erlangen, etwa bei der Auswahl der zu überwachenden Personen, die in der Vergangenheit nicht immer gewährleistet gewesen sei. Derzeit sei der Präsident bei dieser Auswahl nicht involviert. "Ich stelle mir vor, dass das bei der Reform eine zentrale Rolle spielen wird."
Die beiden Senatoren zeigen sich optimistisch, dass die Überwachungsreform tatsächlich bald umgesetzt werde: Sowohl Demokraten als auch Republikaner würden die Reformen unterstützen, sagt Murphy. Mit Hinblick auf den von Präsident Barack Obama in Auftrag gegebenen Geheimdienstbericht, der im Dezember vorgelegt werden soll, sagt Murphy: "Für viele ist das wohl Augenwischerei, aber unterschätzen Sie den Bericht nicht."
"NSA entwickelt ein Eigenleben"
Überschätzen will Stefan Kornelius, Leiter des Ressorts Außenpolitik der Süddeutschen Zeitung (SZ) und ebenfalls Mitglied der Diskussionsrunde, den Reformwillen der Amerikaner aber auch nicht: Innerhalb der US- Sicherheitsbehörden herrsche ein starker Widerstand gegen die Reformen. "Es scheint, als ob die Organisation gerade dabei ist, ein Eigenleben zu entwickeln." Der deutsche Journalist nimmt damit Bezug auf das Strategiepapier der NSA aus dem Jahr 2012, über das die New York Times am Wochenende berichtete. Demnach strebten die Geheimdienstler in dem Papier eine vollständige Überwachung der Welt an. Jetzt sei durchaus der Moment, um die NSA wieder unter Kontrolle zu bekommen. Allerdings bleibe den Europäern wenig anderes übrig, als dabei zuzuschauen. "Der Prozess findet in den USA statt, wir haben kaum Einflussmöglichkeiten."
Die Regierungen in Berlin und Washington arbeiten derzeit an einer Vereinbarung, mit der die Arbeit der Geheimdienste neu geregelt werden soll. Die Vereinbarung soll in der ersten Dezemberhälfte fertig sein. SZ-Außenpolitik-Chef Stefan Kornelius bezweifelt aber, dass sie einen großen Einfluss haben wird: "Wir werden vielleicht nie wissen, was in der Vereinbarung steht." Oder ob alle Vertragspartner sich tatsächlich daran halten würden. "Allerdings", raunt ein Sitznachbar.
Am Ende der Veranstaltung in der Bertelsmann Stiftung eilen die Senatoren aus dem Raum: Es geht weiter zum nächsten Termin. Am folgenden Tag stehen Gespräche in Brüssel an. Auch hier wollen die Politiker Wogen glätten: Die NSA hat wohl nicht nur die deutsche Kanzlerin ausgespäht - dutzende Top-Politiker in aller Welt sollen bespitzelt worden sein. Ob die US-Senatoren in Brüssel Erfolg haben, bleibt abzuwarten.
Trotz der Charmoffensive der beiden US-Politiker, bleibt das politische Berlin verärgert. "Für uns ist die NSA-Affäre nicht beendet", erklärt der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die deutschen Geheimdienste, Thomas Oppermann, nach dem Treffen mit der US-Delegation. Auch Innenminister Friedrich lässt verlauten, dass er "besondere Anstrengungen" von den Amerikanern erwarte, um das verloren gegangene Vertrauen wiederherzustellen.