Islam-Konferenz
26. September 2006Zwei Jahre lang sollen sich die Teilnehmer der Islamkonferenz in Arbeitsgruppen der großen Themen annehmen, die das Zusammenleben zwischen der deutschen Mehrheitsgesellschaft und der muslimischen Minderheit hierzulande betreffen. Geladen sind 15 Vertreter der Muslime und 15 Vertreter von Bund, Ländern und Gemeinden. Am Ende soll ein Gesellschaftsvertrag zwischen dem deutschen Staat und den Muslimen stehen. Doch schon im Vorfeld der Konferenz gibt es Misstöne: Am Freitag (22.9.) gaben die islamischen Dachverbände in Deutschland eine gemeinsame Presseerklärung heraus, in der sie das Konzept der Veranstaltung in Frage stellten.
Islamverbände kritisieren mangelnde Transparenz
"Wir kritisieren, dass sich Sinn und Zweck der Islamkonferenz den Teilnehmern nicht erschließen, dass die Behörden immer noch keine Teilnehmerlisten herausrücken. Wir möchten aber wissen, wer eingeladen ist und wer für wen mit welcher Intention spricht", sagt Oguz Ücüncü, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG). Der 37-jährige Diplomingenieur, dessen Vereinigung aufgrund ihrer islamistischen Tendenzen vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet wird, beklagt die mangelnde Transparenz bei der Auswahl der Teilnehmer der Konferenz auf muslimischer Seite.
Obwohl die türkische Organisation mit 30.000 Mitgliedern einen der größten islamischen Verbände in Deutschland darstellt, wird sie zumindest offiziell nicht mit dabei sein, wenn am Mittwoch (27.9.) im Charlottenburger Schloss in Berlin die Veranstaltung feierlich von Innenminister Wolfgang Schäuble eröffnet wird. Milli Görüs wird aber indirekt durch den "Islamrat" vertreten, einem Zusammenschluss mehrerer islamischer Verbände, dessen größte Gruppe Milli Görüs ist.
Auch nicht organisierte Muslime unter den Geladenen
Der organisierte Islam in Deutschland wird außerdem repräsentiert durch die Funktionäre der anderen islamischen Dachverbände. Das sind im wesentlichen die offiziell dem Laizismus verpflichtete Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) - faktisch die offizielle religiöse Vertretung des türkischen Staates in der Bundesrepublik - sowie der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ), eine eher spirituell geprägte türkische Organisation. Mit dabei sein werden außerdem die Vertreter des Zentralrats der Muslime sowie der Alevitischen Gemeinde Deutschlands.
Die islamischen Verbände befürchten, dass die muslimische Seite auch von Persönlichkeiten vertreten wird, die dem säkular-liberalen Spektrum zuzuordnen sind. Ihre Namen sind noch nicht alle offiziell bekannt gegeben worden. Offenbar sind es Leute ohne enge Verbindungen zu den islamischen Organisationen, und das stört die Vertreter der Verbände, denn sie sehen sich als die eigentlichen Fürsprecher der Muslime hierzulande: "Das gilt ja für die anderen Religionen auch: Es wird nicht mit allen Katholiken verhandelt, sondern mit der katholischen Kirche", sagt Oguz Öcüncü. "Da müsste es doch auch im Umgang mit den Muslimen Usus werden, dass man den Dialog mit den Menschen führt, die sich für den Dialog anbieten."
Innenministerium legt Wert auf breites Spektrum
Bei der Erstellung der Teilnehmerliste hatten Innenminister Schäuble und sein Mitarbeiterstab anscheinend andere Vorstellungen. Ein halbes Jahr lang führten die Experten Gespräche mit Muslimen in Deutschland, lernten Menschen kennen und sammelten Ideen, bevor sie ihre Auswahl trafen. Nun stehen auf der Gästeliste auch so prominente Namen wie die türkische Islam-Kritikerin Necla Kelek oder die Berliner Frauenrechtlerin und Anwältin Seyran Ates - sehr zum Unmut der Verbände.
"Wenn wir uns vorstellen, dass in einem muslimischen Land ein muslimischer Innenminister zu einer Christentumskonferenz einladen würde und dann als Repräsentanten des Christentums Kirchenkritiker wie Eugen Drewermann und Hans Küng oder vielleicht noch Karl-Heinz Deschner einladen würde - ich glaube, der Aufschrei wäre erheblich größer als er momentan bei den Muslimen ist", sagt Ibrahim El-Zayat, Mitglied des Zentralrates der Muslime.
Islam-Verbände vertreten nur jeden Siebten
Doch vertreten die Verbände wirklich die Mehrheit der in Deutschland lebenden Muslime? Nach neuesten Umfragen sind nur knapp 15 Prozent der islamischen Gläubigen in Deutschland in Moscheevereinen und Organisationen zusammengeschlossen. Ibrahim El-Zayat lässt das Argument, die Moscheegemeinden und die sie vertretenden Dachverbände repräsentierten nur eine Minderheit, nicht gelten: "Ich kann ja auch nicht hingehen und sagen, ich vertrete die Nichtwähler. Dann hätten wir da einen sitzen, der für sich in Anspruch nimmt, für 45 Prozent Nichtwähler zu sprechen. Genau so wenig kann man für Nichtorganisierte Position ergreifen."
Bekir Alboga von DITIB, teilt diese Kritik seiner Funktionärskollegen nicht. Der 44-jährige Islamwissenschaftler sieht in der Tatsache, dass die Vertreter aller in Deutschland in Verbänden organisierten Muslime an einem Ort zusammentreffen, letztendlich auch die Möglichkeit für einen freien Meinungsaustausch unter diesen selbst: "Das erstmalige bei dieser Konferenz wäre, dass säkulare, beziehungsweise als 'Kultur-Muslime' zu bezeichnende Muslime und praktizierende Vertreter der muslimischen Verbände zusammenkommen. Das ist das erste Mal, und das empfinde ich als eine Chance."
Chance für mehr Dialog
Alboga setzt in die Konferenz große Erwartungen: Sie mache allerdings nur dann Sinn, wenn das ganze Spektrum an Fragen abgedeckt und verbindliche Lösungen zu wichtigen, den Alltag des muslimischen Lebens betreffende Themen gefunden würden: "Schächten, Freitagsgebet, Anerkennung der Feiertage, Schwierigkeiten bei der Errichtung einer Moschee, ungehinderte Religionsausübung - aber gleichzeitig auch die Anerkennung der Lebensweise in Deutschland seitens der Muslime. Bedenken oder - wenn es sie gibt - Hürden zu überwinden mit Blick auf die Verfassung in Deutschland." Alboga hofft, dass mit der Konferenz ein offener Dialog beginnt.
Auf Seiten der Verbände sind sich jedoch alle Teilnehmer einig: Eine Konferenz dieser Art, die zum ersten Mal auf deutschem Boden ausgetragen wird, ist längst überfällig. Da der Islam mittlerweile ein integraler Bestandteil der gesellschaftlichen Realität in Deutschland geworden sei, sei eine Diskussion über seine Zukunft hierzulande unumgänglich, so El-Zayat vom Zentralrat der Muslime: "Man hätte das schon vor vielen Jahren machen müssen - dann wären viele Probleme nicht so groß geworden wie sie heute teilweise sind."