"Es war ein krimineller Akt"
18. Dezember 2018Es war am frühen Montagmorgen, kurz vor drei Uhr: Ein mehr als fünf Kilo schwerer Sprengsatz detonierte direkt vor dem verglasten Funkhaus des TV-Senders Skai in Piräus. Im Gebäude haben auch der gleichnamige Radiosender, die renommierte Tageszeitung Kathimerini, sowie ein populärer Musiksender ihren Sitz. Durch die Explosion ging nahezu die gesamte Glasfassade zu Bruch. Vor allem im dritten und vierten Stock des Funkhauses entstand schwerer Sachschaden. Dort sind Büros von Mitarbeitern und der Regieraum von Skai-TV untergebracht. Verletzt wurde dabei niemand - vermutlich auch deshalb, weil ein anonymer Anrufer kurzfristig vor der Explosion warnte und das Funkhaus gerade noch rechtzeitig geräumt werden konnte.
"Es war wie ein Anschlag auf unser eigenes Haus", berichtet Skai-Nachrichtenchef Jannis Adamidis im Gespräch mit der DW. Und er fügt hinzu: "Dieses Gebäude ist in der Tat so etwas wie unser zweites Zuhause - allein schon deshalb, weil wir dort unzählige Stunden verbringen. Für uns war es einfach erschütternd, am nächsten Morgen zur Arbeit zu kommen und vor einem halb verwüsteten Gebäude zu stehen". Erst gegen fünf Uhr morgens gab die Polizei das Funkhaus wieder frei; daraufhin ging das Programm sofort auf Sendung und berichtete live und ausführlich über die Ereignisse der vergangenen Nacht und den Stand der Ermittlungen. Am Montag stellten alle Arbeitnehmer des Senders und der Zeitung Kathimerini in einer gemeinsamen Erklärung klar, sie würden ihren journalistischen Auftrag auch in Zukunft wahrnehmen, ohne sich einschüchtern zu lassen. Es sei schließlich nicht das erste Mal, dass ihr Sender "zur Zielscheibe erklärt wird".
"So etwas hat gar keinen Hintergrund"
Eine Formulierung, die aufhorchen lässt. Warum sollte der landesweit führende Sender zur Zielscheibe geworden sein? Tatsache ist, dass Skai-TV mit seiner Berichterstattung immer wieder aneckt und polarisiert - spätestens seit dem hochdramatischen Sommer 2015, als die Euro-Mitgliedschaft Griechenlands auf der Kippe stand und führende Skai-Kommentatoren für ein Ja beim Referendum über die Sparauflagen der Geldgeber plädierten.
Für diese Positionierung ernten sie bis heute harsche Kritik von linker Seite. Nach den verheerenden Brandschlägen bei Athen im vergangenen Sommer kritisierten Skai-Journalisten die Regierung von Alexis Tsipras zudem so stark, dass die Regierung den Sender fortan boykottierte. Seitdem stehen Politiker der Linkspartei Syriza für TV-Debatten und Interviews nicht mehr zur Verfügung. Doch die Kritik an der Arbeit der Skai-Journalisten kommt nicht nur aus dem linken politischen Spektrum: In den frühen 1990er Jahren fiel der Sender durch massive Kritik am damaligen konservativen Regierungschef Konstantin Mitsotakis auf. In letzter Zeit erklärten nicht zuletzt Aktivisten anarchistischer Gruppen Skai zum Feindbild.
Der Hintergrund des jüngsten Anschlags liegt derweil noch im Dunkeln. "Der Sender wird aus unterschiedlichen Gründen und politischen Richtungen attackiert, weil seine Berichterstattung anscheinend immer wieder stört", analysiert Nachrichtenchef Jannis Adamidis. Offenbar sei es noch zu früh, die Täter zu identifizieren, aber selbst die härteste Kritik dürfe keinen terroristischen Anschlag rechtfertigen. "Ein solcher Anschlag hat keinen politischen Hintergrund. Das war lediglich ein krimineller Akt", glaubt Adamidis. Immerhin konnten die Fahnder am Dienstag den verbrannten Fluchtwagen der Täter im Athener Stadtteil Petralona ausfindig machen.
Anschlag wird zum Politikum
Regierungschef Alexis Tsipras verurteilte den Anschlag deutlich und sprach von einem "Angriff feiger und dunkler Kräfte gegen die Demokratie". Damit ist die Sache nicht erledigt: In einer persönlichen und ungewöhnlich scharfen Stellungnahme bezeichnete Skai-Eigentümer Jannis Alafouzos die ungleichen Koalitionspartner in Athen - nämlich die Linkspartei Syriza und die rechtspopulistische ANEL- als "geistige Anstifter" des Anschlags. Seit 2014 hätten beide Parteien "falsche Behauptungen" gegen seine Mediengruppe verbreitet, so Alafouzos. Daraufhin warf die Linke dem Skai-Eigentümer "Verleumdung" vor und sah sich zudem in ihrer Entscheidung bestätigt, die "Propagandisten" des Senders zu boykottieren.
Anscheinend wird der Anschlag auch ein politisches Nachspiel haben. Immerhin: "Unsere Arbeit ist die Antwort auf Gewalt", erklärten am Dienstag die Journalisten der Tageszeitung Kathimerini in ihrem Aufmacher - samt Gruppenfoto.