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Mobile Eingreiftruppe gegen illegale Migration

Florian Blaschke24. Juli 2006

Der wachsende Flüchtlingsstrom an Europas Südgrenzen, insbesondere in Spanien und Italien, setzt die EU immer mehr unter Druck. Nun soll eine mobile Eingreiftruppe das dringlicher werdende Problem in den Griff bekommen.

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Afrikanische Flüchtlinge setzen in einem maroden Boot nach Spanien überBild: AP

Die Bilder gingen in den letzten Jahren immer wieder um die Welt: Kleine Boote, kaum schwimmtauglich, landen mit verzweifelten Menschen an den Touristenstränden Maltas, Italiens oder Spaniens. Es sind spektakuläre Bilder, die das Problem der illegalen Migration nach Europa besonders deutlich machen. Vor diesem Hintergrund hat der EU-Justizkomissar Franco Frattini am Mittwoch (19.7.2006) reagiert und einen Lösungsvorschlag präsentiert: Den Aufbau eines schnellen Einsatzteams unter Leitung der europäischen Grenzschutzagentur Frontex – eine mobile Eingreiftruppe sozusagen. Fraglich ist nur, ob sich mit einer solchen Maßnahme das Problem wirklich lösen lässt.

Steffen Angenendt
Steffen Angenendt

Steffen Angenendt, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Migrations-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), ist skeptisch: "Zwar steht insgesamt die Finanzierung des Projekts und somit wird es sicherlich auch schnell realisiert werden. Die andere Frage ist aber, ob diese Maßnahmen helfen und geeignet sind, die Zuwanderung zu bewältigen, und da würde ich vor zu hohen Erwartungen warnen." Der Vorschlag Frattinis ist Teil eines Maßnahmenpakets zur Eindämmung illegaler Migration, das neben einer Eingreiftruppe zwei weitere Aspekte umfasst: Die Verständigung auf politische, gesamteuropäische Ziele in dieser Frage und die Erarbeitung eines gemeinsamen Visa-Kodex' für die Mitgliedsstaaten.

Deutlich sichtbarer Beitrag

Das Bundesinnenministerium in Berlin sieht seine Beamten für die Zusammenarbeit mit Frontex bereits heute gut gerüstet: "Die Bundespolizei hat für diesen Zweck einen Personalpool grenzpolizeilicher Experten qualifiziert, die anlassbezogen und zeitnah in gemeinsame Einsätze unter der Ägide von Frontex entsandt werden können", sagte ein Sprecher. Dabei wird das Einsatzteam, über das der Ministerrat am Montag (24.7.) in Brüssel unter anderem beraten wird, nicht nur eine Polizeieinheit sein, sondern ein Zusammenschluss internationaler Fachleute, bestehend aus insgesamt 250 bis 300 Spezialisten vom Polizisten über den Dolmetscher bis zum Sanitäter. Diese sollen im Ernstfall innerhalb von zehn Tagen an der jeweiligen Grenze einsatzbereit sein, um beispielsweise die Behörden vor Ort bei der Grenzsicherung zu unterstützen oder das Herkunftsland von Flüchtlingen zu identifizieren.

Immigranten auf den Kanarischen Inseln
Besonders für das kleine Malta stellen die illegalen Einwanderer ein großes Problem darBild: AP

Dass gerade Deutschland derart schnell in dieses Projekt mit eingestiegen ist, wundert Angenendt nicht wirklich, wurde das Land nach dem Jugoslawien-Konflikt mit der Masse an Zuwanderern von vielen anderen europäischen Ländern alleine gelassen. "Auf der anderen Seite hat die Bundesregierung in den letzten Jahren immer wieder gefordert, die Grenzkontrollen zu verbessern und die Bewältigung der illegalen Migration zu verstärken, auch auf europäischer Ebene", sagt Angenendt. Von diesen Prinzipien kann und will man nun natürlich nicht einfach abrücken, zumal Frattinis Vorschlag überschaubare Kosten und einen schnell umsetzbaren Zeitplan beinhaltet. "Da kommt man auch noch relativ billig weg und hat einen deutlich sichtbaren und nicht nur symbolischen Beitrag zur Festigung der EU-Grenzen geleistet", sagt der Experte von der DGAP. "Das kommt in der Öffentlichkeit sicherlich auch gut an."

Verantwortliche Politik ist teuer und langfristig

Doch Angenendt befürchtet, dass die geplanten Maßnahmen zu kurz greifen könnten: "Wenn man effektiv etwas gegen illegale Zuwanderung unternehmen will, muss man überlegen, wie man die Anreize für illegale Beschäftigung hier in Europa reduzieren kann", sagt er. "Und eigentlich gibt es in der EU-Politik schon eine ganze Reihe von Instrumenten, die man, wenn man sie richtig einsetzen würde, dazu nutzen könnte, einen Teil des Zuwanderungsdrucks zu mindern. Ich denke da beispielsweise an die europäische Nachbarschaftspolitik, die ein sehr differenziertes Instrument darstellt, das man eigentlich mit Leben füllen könnte und müsste." Stattdessen jedoch scheint es der Politik wichtiger zu sein, sichtbare Entscheidungen zu fällen, statt beispielsweise die entwicklungs- und außenpolitischen Mittel zu erhöhen, um auch die Situation in den Heimatländern der Migranten zu verbessern. "Das wäre teuer, das wäre langfristig und möglicherweise nicht mit gut sichtbaren Ergebnissen verbunden", prognostiziert Angenendt. "Aber es wäre eine verantwortungsbewusste Politik."

Antrag auf Visum
Viele der illegalen Einwanderer bleiben einfach länger im Land, als es ihr Visum erlaubtBild: dpa

Als sicher gilt inzwischen, dass stärkere Grenzkontrollen zwar einen Teil des Problems lösen können, ein anderes jedoch gleich wieder mit sich bringen. "Die Erfahrung, die wir in den letzten zwei Jahrzehnten gemacht haben, ist, dass der Aufbau von Grenzkontrollen und von verschärften Einreisekontrollen eigentlich immer den Preis für die illegale Einreise in die Höhe treibt", sagt Angenendt. Bei der illegalen Migration handelt es sich inzwischen um ein ausgesprochen lukratives, illegales Geschäft. Nicht vergessen darf man bei all diesen Fragen auch, dass die Zuwanderung über brüchige Nussschalen, mit denen beispielsweise Menschen aus Afrika nach Spanien übersetzen, nur ein Teil des Problems sind, wenn auch das medial spektakulärste. "Viel unspektakulärer und viel normaler ist die illegale Zuwanderung von Menschen, die einfach mit einem Visum kommen und nach dessen Ablauf einfach bleiben", sagt Angenendt.

"Illegale Zuwanderung wird dadurch nicht verschwinden"

Deshalb, so der Experte, sei es so wichtig, für dieses Problem gesamteuropäische und innenpolitische Lösungen zu finden: "Solange flächendeckend illegal beschäftigt wird, gerade in Südeuropa, wo in Spanien beispielsweise eine ganze Industrie davon abhängig ist, nämlich die Frühgemüseindustrie, hat man so starke Anreize, dass sich da ein lebensgefährliches Risiko als Investition lohnt." Für den Experten waren die letzten Jahre denn auch eher von Verlegenheitslösungen gekennzeichnet, als von echten Durchbrüchen: "Ich habe den Eindruck, dass die Nachbarschaftspolitik immer gerne in Sonntagsreden als eine europäische Errungenschaft betrachtet wird, dass aber die Staaten, die nicht unmittelbar davon betroffen sind, es ganz gerne bei solchen Sonntagsbekenntnissen lassen und die eigentlichen Sorgen dann gerne den südeuropäischen Staaten überlassen."

Spanien befestigt seine Grenzen
Spanien macht dicht: Arbeiter befestigen Stacheldraht an der Grenze zwischen Spanien und Marokko in der spanischen Enklave MelillaBild: AP

Besondere Hoffnungen auf eine wirkliche Veränderung macht sich daher auch Angenendt nicht: "Meine Prognose ist, dass eher solche kurzfristigen und restriktiven Maßnahmen wie jetzt vollzogen werden, als richtige und notwendige, langfristige Politik." Seiner Meinung nach ist der Aufbau der Eingreiftruppe verständlich, überbewerten dürfe man ihn jedoch nicht: "Man sollte nicht zu viele Hoffnungen daran knüpfen, dass damit illegale Zuwanderung verschwindet. Das wird sie sicherlich nicht."