Moskau droht der Republik Moldau
2. September 2022Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat die Republik Moldau am Donnerstag davor gewarnt, dass "eine Bedrohungssituation" für die Sicherheit russischer Truppen in Transnistrien, einer separatistischen Region im Osten der Republik, eine militärische Konfrontation mit Moskau auslösen könnte. "Jede Gefährdung der Sicherheit russischer Truppen würde nach internationalem Recht als ein Angriff auf Russland gewertet", so Lawrow in einem Interview mit einem russischen TV-Sender.
Wenige Stunden vor dieser Drohung hatte Lawrow der moldauischen Präsidentin Maia Sandu im russischen Fernsehen vorgeworfen, die Verhandlungen zur Lösung des Transnistrien-Konflikts zu blockieren: "Jetzt treten Transnistrien und wir für einen direkten Dialog ein, aber nach den öffentlichen Äußerungen von Präsidentin Maia Sandu und ihrem Team zu urteilen, wollen sie keinen solchen direkten Dialog, da sie sich in diesem Sinne von den USA und der EU leiten lassen. Offenbar setzen sie auf einen nicht-diplomatischen Weg zur Lösung des Transnistrien-Problems", sagte der russische Außenminister.
Moskaus fadenscheinige Argumentation
Die wiederholten verbalen Angriffe Lawrows gegen die pro-europäische politische Führung der Republik Moldau erfolgten wenige Tage nachdem der Chef der separatistischen Verwaltung in Tiraspol, Vadim Krasnoselski, einen Brief an die moldauische Staatschefin Maia Sandu geschrieben hatte. Darin forderte er Sandu direkt auf, über "die Prinzipien einer friedlichen politischen Lösung" zu verhandeln. Die Republik Moldau jedoch kommuniziert mit dem separatistischen pro-russischen Regime in Tiraspol ausschließlich über das Büro für Reintegration - eine Regierungsstruktur unter der Leitung des Vizepremierministers Oleg Serebrian, dem ehemaligen Botschafter der Republik Moldau in Berlin.
Dem russischen TV-Sender sagte Lawrow auch, dass Russland die russischsprachigen Menschen in der Republik Moldau verteidigen werde. Er erinnerte daran, dass es "in der Moldau neben Transnistrien auch Gagausien gibt, das ebenfalls einen Sonderstatus beansprucht". Er hoffe, so Lawrow weiter, dass "die moldauische Führung das Richtige tut, die vom Westen aufgezwungenen geopolitischen Spielchen beendet und an die Interessen der Menschen denkt, die nebeneinander leben". Bereits im Juni 2022 hatte Lawrow den Behörden in Chisinau vorgeworfen, "alles Russische zu annullieren, genau wie in der Ukraine". Die Republik Moldau gehört - wie die Ukraine - seit Juni 2022 zu den EU-Kandidatenstaaten.
Entschiedene Reaktion in Chisinau
Das Reintegrationsbüro in Chisinau reagierte schnell auf Lawrows Äußerungen. In einer öffentlichen Erklärung heißt es, dass die moldauischen Behörden weiterhin die friedliche Beilegung des Transnistrien-Konflikts fördern wollten. Dazu gehörten "die Identifizierung einer nachhaltigen und allumfassenden Lösung, die den einheitlichen, souveränen und unteilbaren territorialen Charakter der Republik Moldau respektiert, die Konsolidierung der Staatlichkeit, die Wiederherstellung der territorialen Integrität und Vollendung der Strukturreformen im ganzen Land".
Des Weiteren weist das Reintegrationsbüro entschieden zurück, dass die Rechte russischsprachiger Bürgerinnen und Bürger in der Republik Moldau verletzt würden. Zudem kritisiert die Institution die "vorsätzliche Einschränkung der Rechte von rumänischsprachigen Personen und Bürgern der Republik Moldau in der Region Transnistrien", die über moldauische Pässe verfügten, da sie dort als Ausländer gelten würden.
Warnung vor Manipulation
Ende August 2022 erwähnte die moldauische Präsidentin Maia Sandu während einer Videoschalte auf dem Strategischen Forum in der slowenischen Stadt Bled, dass ihr immer mehr Äußerungen aus Moskau auffielen, "die nicht immer angemessen und manchmal respektlos gegenüber der Souveränität der Republik Moldau sind". Die Situation sei schwierig, "weil wir uns in einer kriegsnahen Region befinden", so die moldauische Staatschefin.
In einem Interview mit einem moldauischen Fernsehsender forderte Maia Sandu die Bürger auf, sich nicht "durch Reden aus Transnistrien und Moskau oder durch pro-russische Politiker aus Chisinau" manipulieren zu lassen. Sie bestätigte, mehrere Briefe von der Separatistenverwaltung in Tiraspol erhalten zu haben. Die Kommunikation müsse aber über das Reintegrationsbüro zu konkreten Themen erfolgen, darunter auch, wie Ruhe und Frieden bewahrt werden könnten: "Wir werden weiterhin alles tun, was in unserer Macht steht, einschließlich der Kommunikation mit dem Regime in Tiraspol, auch öfter als bisher, um den Frieden zu wahren", sagte Sandu.
Der Dialog zwischen Chisinau und Tiraspol sei nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine "häufiger geworden", erklärte die moldauische Präsidentin: "Dieser Dialog fand gerade wegen der Sicherheitsrisiken öfter statt - um jegliche Versuche zur Destabilisierung zu vermeiden, um die Risiken, dass die Republik Moldau in diesen Krieg hineingezogen wird, deutlich zu verringern".
Wollen nicht von Putin "gerettet" werden
Es ist nicht das erste Mal, dass Russland versucht, das Argument "Sprache" zu nutzen, um die Republik Moldau zu destabilisieren. Im März 2022, kurz nach dem Einmarsch der Armee Putins in die Ukraine, forderte die russische Botschaft in Chisinau die Russen in der Moldau auf, die diplomatische Vertretung per E-Mail zu benachrichtigen, wenn sie "auf nationaler, sprachlicher, kultureller, religiöser oder anderer Ebene" diskriminiert würden. Daraufhin starteten russischsprachige Bürger der Moldau eine Online-Petition, in der sie Moskau aufforderten, das Land und seine Menschen in Ruhe zu lassen. Sie würden nicht diskriminiert und müssten nicht "gerettet" werden.
Das Außenministerium in Chisinau forderte die russische Botschaft auf, "Gesten zu unterlassen, die nicht zur Atmosphäre der Ruhe in der moldauischen Gesellschaft beitragen". Maia Sandu versicherte, dass in der Moldau alle Bürger, unabhängig von ihrer Sprache, in Sicherheit seien.
Illegale Truppenstationierung
Nach den jüngsten Äußerungen des russischen Außenministers Sergej Lawrow hat sein moldauischer Amtskollege Nicu Popescu am Donnerstag den Geschäftsträger der Russischen Föderation in Chisinau einbestellt. In einer offiziellen Erklärung des moldauischen Außenministeriums heißt es, dass "die Gesetzgebung der Republik Moldau grundlegende Menschenrechte und Freiheiten garantiert und die Rechte der russischen, ukrainischen, gagausischen, bulgarischen und anderer ethnischen Minderheiten in Übereinstimmung mit demokratischen Prinzipien respektiert".
Außerdem verfolge Chisinau weiterhin friedliche Lösungsansätze sowohl für die Wiederherstellung der Einheit der Republik Moldau als auch mit Blick auf den Dialog mit der Russischen Föderation über den Abzug der illegal auf moldauischem Hoheitsgebiet stationierten russischen Truppen.
Russland unterhält seit Anfang der 1990er Jahre eine sogenannte Friedenstruppe in Transnistrien, die aus den Resten der dort stationierten früheren sowjetischen 14. Armee besteht. Damals hatten prorussische Separatisten nach einem bewaffneten Konflikt den größten Teil der Region unter ihre Kontrolle gebracht. Chisinau fordert den Abzug der russischen Truppen, zu dem sich Moskau auch international verpflichtet hat, und die Einsetzung einer zivilen Beobachtermission unter der Schirmherrschaft der UNO.
Adaption aus dem Rumänischen: Robert Schwartz