Perspektiven für Klimaschutz
8. Dezember 2015Es ist eine der wenigen Pressekonferenzen hier in Paris, die mit guten Nachrichten beginnen. Zumeist hört man bei diesen Gelegenheiten Verhandlungsparteien, die andere kritisieren, oder Umweltschützer, die den mangelnden Fortschritt bemängeln. Am Dienstag aber gibt es Positives zu vermelden.
"Es gibt bemerkenswerte Entwicklungen im Bereich der Erneuerbaren Energien", sagt Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der Organisation Germanwatch. "Darüber hinaus ist der Kohleverbrauch im Jahr 2015 zwischen zwei und vier Prozent gesunken."
Das war es dann aber auch schon wieder mit den guten Nachrichten. Kein Land tut genug, um den Klimawandel aufzuhalten, meinen Germanwatch und die Umweltschützer vom 'Climate Action Network', und lassen die ersten drei Plätze ihres Klimaschutz-Indexes demonstrativ frei.
Darin geht es nicht ausschließlich darum, wie viele Treibhausgase ein Land in die Atmosphäre bläst. "Neben der Höhe der Emissionen erfassen wir die Entwicklung der Emissionen", sagt Jan Burck, der für den Index verantwortlich zeichnet. "Weitere Kategorien sind Energieeffizienz und Erneuerbare Energien sowie die Klimapolitik der Staaten."
Marokko: Erneuerbare Energien machen unabhängig
Es ist vor allem die Klimapolitik, die Marokko in diesem Jahr einen Platz unter den zehn Besten einbringt. Bis 2030 möchte das nordafrikanische Land seine Treibhausgas-Emissionen um 32 Prozent senken. Innerhalb der nächsten fünf Jahre bereits, bis zum Jahr 2020, soll der Anteil von Solar- , Wind-, sowie Wasserkraft auf 42 Prozent steigen. Das erste Solarkraftwerk der Anlage Noor, das größte Projekt seiner Art auf der ganzen Welt, steht kurz vor der Inbetriebnahme.
Die Pläne und deren Umsetzung, sagen Experten, sind der Tatsache zu verdanken, dass sich König Mohammed VI. ehrlich für erneuerbare Energien begeistert. Ein mindestens ebenso wichtiger Faktor: Der Umstand, dass Marokko über keine fossilen Energien verfügt und sich mithilfe erneuerbarer Energien von Algerien unabhängig machen möchte, wo die meisten seiner Gaslieferungen herkommen.
"Marokko importiert mehr als 90 Prozent seiner Energie, deshalb ist Energiesicherheit von entscheidender Wichtigkeit", erklärt Mohamed Boussaid, selbst Marokkaner, der ein Projekt der deutschen Entwicklungsagentur GIZ dort leitet.
Doch Jan Burck warnt davor, den Projekten in Sachen Erneuerbare Energien zu großen Stellenwert zuzuschreiben. "Die Emissionen Marokkos entwickeln sich trotz allen Bemühungen noch relativ rasant nach oben", sagt Burck. "Sie bauen nicht nur erneuerbare Energien aus, sondern auch Kohlekraftwerke. Hier muss sich noch zeigen, ob sich die günstigeren Erneuerbaren gegen die Kohlekraftwerke durchsetzen."
Indien: Guter Wille und technische Fähigkeiten
Wer im Wettbewerb 'Erneuerbare gegen Kohle' gewinnt, das ist vor allem mit Blick auf den drittgrößten Emittenten von Treibhausgasen entscheidend: Indien. Derzeit werden dort nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) drei Viertel des Energiebedarfs aus fossilen Energieträgern gedeckt, insbesondere aus Kohle.
Wirtschaft und Bevölkerung wachsen schnell und so wird damit gerechnet, dass sich Indiens Energiekonsum bis zum Jahr 2040 verdoppelt. "Es kommt jetzt also darauf an, ob Indien seine Menschen in Zukunft mit Energie aus erneuerbaren Quellen versorgt, oder ob das mit Kohle gemacht werden soll", sagt Jan Burck.
Derzeit liefert die Sonne dem Land nur etwa vier Megawatt Energie; Pläne der Regierung sehen vor, dass es im Laufe der nächsten sieben Jahren 100 Gigawatt sein sollen.
"Wir sehen da schon eine positive Entwicklung hin zu Erneuerbaren", sagt Harjeet Singh aus Neu-Delhi, der sich in der NGO Actionaid um Klimawandel kümmert. "Kürzlich haben auch verschiedene Bundesstaaten ihre eigenen Pläne dazu vorgelegt. So will der Bundesstaat Delhi in den nächsten Jahren bis zu zwei Gigawatt solare Energie gewinnen, und das hat auch Schwung in die Sache gebracht."
Auf der Pariser Klimakonferenz hat der indische Premierminister Narendra Modi gemeinsam mit dem französischen Präsidenten François Hollande Pläne für eine internationale 'Solar-Allianz' vorgestellt. Die sieht vor, dass Industrieländer die notwendigen Mittel und Technologien zur Verfügung stellen, damit Entwicklungsländer Solarenergie ausbauen können.
Geld und Technologie - darin sieht auch Klimaschützer Singh die entscheidenden Zutaten für eine indische Energiewende.
"Investitionen, Joint Ventures, Technologietransfer – das alles kann Indien helfen, sich zu der 'grünen Volkswirtschaft' zu entwickeln, von der wir alle sprechen", meint er. "Das Gute ist ja, dass wir in Indien durchaus Menschen mit technischen Fähigkeiten haben. Diese Fähigkeiten müssen nur mit etwas Geld von außen weiter entwickelt werden."