Mutmaßlicher Supermarkt-Erpresser gesteht
30. September 2017Der inhaftierte Verdächtige sagte dem Haftrichter, dass er keine weiteren vergifteten Lebensmittel verteilt habe. Zudem räumte er die Tatvorwürfe ein. Das teilten Staatsanwaltschaft und Polizei am Abend in Konstanz mit. Gegen den 53-Jährigen aus dem Kreis Tübingen war Haftbefehl erlassen worden, er wurde bereits in eine Justizvollzugsanstalt gebracht. Der Vorwurf gegen den Verdächtigen lautet auf versuchte räuberische Erpressung.
Zuvor hatten Polizei und Staatsanwaltschaft erklärt, bei dem dringend Tatverdächtigen sei das Gift Ethylenglycol gefunden worden, mit dem Babynahrung in Friedrichshafen versetzt worden war. In seinem Haus habe man eine verbliebene Giftmenge sichergestellt, die bei der Manipulierung der fünf gefundenen Babynahrungsgläschen übrig geblieben sei, sagte Polizeivizepräsident Uwe Stürmer in Konstanz. Die aufgefundene Menge Ethylenglycol hätte gereicht, weitere fünf Gläschen mit Babynahrung zu vergiften.
Der Verdacht gegen den Mann aus Ofterdingen bei Tübingen hatte sich bereits zuvor nach dem Abgleich mit den Fahndungsfotos und nach der Überprüfung von Spuren erhärtet. Nachdem ein Ermittlungsrichter den Mann verhört hatte, erließ er Haftbefehl.
Der Leitende Oberstaatsanwalt Alexander Boger sagte in Konstanz, der Verdächtige sei nach Hinweisen aus der Bevölkerung am Freitagnachmittag festgenommen worden. Es gebe "strafrechtliche Vorbelastungen". Der lebte seit 2005 in Baden-Württemberg. Zuvor war er in Bayern gemeldet gewesen. Zunächst hatte es geheißen, der Verdächtige sei 55 Jahre alt. Polizei und Staatsanwaltschaft stufen den Mann als Einzeltäter ein.
Wachsam bleiben
Trotz der Festnahme erklärten die Behörden zunächst, Verbraucher seien weiterhin gut beraten, beim Einkauf von Lebensmitteln wachsam zu sein. Ein Polizeisprecher sagte, die Menschen sollten beim Einkauf darauf achten, ob Produkte manipuliert seien, und im Zweifelsfall die Polizei informieren. Sobald der Fall endgültig geklärt sei, würden die Behörden "so schnell wie möglich" Entwarnung geben.
Der mutmaßliche Täter hatte in einer E-Mail an die Polizei, den Verbraucherschutz und mehrere Lebensmittelkonzerne damit gedroht, bis Samstag 20 vergiftete Lebensmittel in Umlauf zu bringen. Er forderte einen niedrigen, zweistelligen Millionenbetrag. Der Fall schuf allgemein Verunsicherung, zumal der Erpresser keine Angaben dazu machte, welche Produkte und welche Filialen konkret betroffen sein sollen.
Maximale Aufmerksamkeit als Motiv?
Nach Auffassung des Kriminologen und Psychologen Martin Rettenberger handelt es sich um einen recht selten Fall von Kriminalität. "Das ist auf jeden Fall eine ungewöhnliche Konstellation. In der deutschen Kriminalgeschichte gibt es ein paar Fälle, die in diese Richtung gehen, aber die sind sehr selten", sagte der Direktor der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden der Nachrichtenagentur dpa. Eine Gemeinsamkeit von Erpressungsversuchen mit vergifteten Lebensmitteln sei, dass die Täter innerhalb kurzer Zeit bundesweit, zum Teil darüber hinaus, einen "maximalen Aufmerksamkeitsfokus" erhielten. Er vermutet beim Täter ein "ausgeprägtes Geltungsbedürfnis". Wenn es nur um die Gier nach Geld ginge, ließen sich für Täter andere Wege finden.
kle/uh (dpa, afp)