Nach den Krawallen: Gießen will kein "Eritrea-Fest" mehr
9. Juli 2023"Die Bilder, die aus unserer Stadt am Wochenende durch die Welt gingen, sind unerträglich", sagte der Gießener Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher nach der Randale rund um das umstrittene Eritrea-Festival. Tausende unbeteiligte Bürgerinnen und Bürger seien in ihrem alltäglichen Leben mehr als einen ganzen Tag massiv eingeschränkt worden. "Man muss angesichts dessen tatsächlich die Frage stellen: Stehen diese Einschränkungen noch im richtigen Verhältnis zu dem Wunsch des Veranstalters, ein Fest zu feiern? Diese Frage gehört auf allen Ebenen - politisch wie juristisch - aufgearbeitet", erklärte das sozialdemokratische Stadtoberhaupt.
Bei den gewaltsamen Ausschreitungen vom Samstag waren 28 Polizisten verletzt worden. Die Beamten seien mit Stein- und Flaschenwürden "massiv angegriffen" worden, sagte ein Polizeisprecher. Rauchbomben seien gezündet und Absperrungen durchbrochen worden, Menschen hätten gegen Autos getreten oder diese mit Gegenständen beworfen. Gegen 100 Personen werde unter anderem wegen Körperverletzung und schweren Landfriedensbruchs ermittelt.
Viele Polizeikräfte auch am Tag nach dem Eritrea-Festival
Am Sonntag war die Lage friedlich. Dennoch blieb die Polizei mit zahlreichen Kräften vor Ort - "so lange es nötig ist", wie ein Sprecher sagte. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verurteilte die Gewalt in Gießen "scharf" und dankte den Einsatzkräften. Hessens Innenminister Beuth forderte von der Bundesregierung, den Botschafter Eritreas einzubestellen. "Der Regierung muss deutlich gemacht werden, dass eritreische Konflikte nicht auf deutschem Boden ausgetragen werden dürfen", erklärte er.
Erst am Freitagmittag hatte der Verwaltungsgerichtshof in Kassel entschieden, dass das Festival stattfinden dürfe. Die Stadt hatte es zunächst verboten, denn bereits im vergangenen Jahr war es zu massiven Angriffen auf das Festival gekommen.
Eritreas menschenverachtendes Regime
Veranstalter des Festivals ist der Zentralrat der Eritreer in Deutschland, der wegen seiner Nähe zu dem Regime in dem Land am Horn von Afrika als umstritten gilt. In Eritrea regiert Präsident Isayas Afewerki in einer Ein-Parteien-Diktatur das Land. Meinungs- und Pressefreiheit sind stark eingeschränkt. Auch Menschenrechtsorganisationen haben wiederholt von schwersten Missständen berichtet.
Nach Angaben des Auswärtigen Amts leben etwa 70.000 eritreische Staatsangehörige in Deutschland. Wie die Bundeszentrale für politische Bildung berichtet, versucht die eritreische Regierung, mit einer Auslandsjugendabteilung junge Eritreer im Ausland zu beeinflussen und unter anderem bei Festivals Spenden zu sammeln.
rb/haz (AFP, dpa)