Wissenswertes über Linksaußen
10. Juli 2017Wieviele Linksextreme gibt es in Europa?
Genaue Zahlen gibt es nicht. Die extreme politische Rechte ist viel intensiver erforscht als die extreme Linke. Die Unruhen in Hamburg haben gezeigt, dass es in Europa ein linksradikales Netzwerk gibt, das sich in seinen Aktivitäten zumindest teilweise abstimmt. Aber die europäische Polizeibehörde Europol kann keine zuverlässigen Angaben über die Anzahl der Mitglieder machen.
Im jüngsten Verfassungsschutzbericht schätzt das Bundesinnenministerium, dass es im Jahr 2016 in Deutschland mit seinen 81,4 Millionen Einwohnern 28.500 Linksextreme gab, von denen 8500 gewaltbereit sind.
Linksextremismus gibt es überall in Europa. In Ländern wie Italien, Griechenland oder Schweden finden sich linksradikale Subkulturen, die mindestens so aktiv sind wie die in Deutschland. Auch in vergleichsweise bürgerlichen Städten wie Zürich oder Bern in der Schweiz hat es schon linksextrem motivierte Gewaltausbrüche auf den Straßen gegeben.
Nimmt die Gewalt von linksaußen zu?
Dafür gibt es Hinweise. Der neueste Europol-Bericht über Terrorismus in der EU verzeichnet zwischen 2015 und 2016 einen "scharfen Anstieg" von linksextremen und anarchistischen Straftaten, auch wenn er zugleich feststellt, dass die "operativen Fähigkeiten der Gruppen gering bleiben". In diesem Jahr ist wegen der gewalttätigen Vorfälle rund um den G20-Gipfel in Hamburg auch mit einem Anstieg der Zahlen in Deutschland zu rechnen.
Bemerkenswert ist außerdem, dass Anhänger der verschiedenen linksradikalen Strömungen nicht alle gleichermaßen gewalttätig sind. Europol stellt fest, dass "anarchistische Gruppen und Einzeltäter öfter Gewalt ausüben als solche, die linksextremen Bewegungen angehören."
Wie viele verschiedene Arten des Linksextremismus gibt es?
In Europa ist eine verwirrende Vielfalt von linksextremen Gruppierungen aktiv. Experten unterscheiden jedoch drei Hauptkategorien:
- Kommunisten, die den Lehren von Marx und Lenin folgen
- Anarchisten
- So genannte "Autonome", die meist mit Zentren wie der "Roten Flora" in Hamburg oder dem "Freistaat Christiania" in Kopenhagen in Verbindung stehen
Das Bundesinnenministerium stellt fest, dass die Zahl der Kommunisten langsam sinkt, während die anderen beiden Gruppierungen wachsen. Das Ministerium macht für die Mehrzahl der Gewalttaten Autonome verantwortlich.
Einige linksradikale Bewegungen sehen sich selbst als Opposition und Verteidigungsorganisationen gegen rechtsradikale Gruppen. Dazu gehören die "Revolutionäre Front" in Schweden und die griechische "Verschwörung der Feuerzellen".
Aus der Sicht des deutschen Innenministeriums ist ihre ideologische Grundlage die Ablehnung des "kapitalistischen Systems als Ganzes". Der Kapitalismus sei für Linksextremisten mehr als nur eine Wirtschaftsform: Er sei sowohl Basis als auch Garant der "bürgerlichen Herrschaftsverhältnisse" durch "Repression" nach innen und "Aggression" nach außen. Der Kapitalismus sei demnach verantwortlich für alle gesellschaftlichen und politischen Missstände wie soziale Ungerechtigkeit, "Zerstörung" von Wohnraum, Kriege, Rechtsextremismus und Rassismus sowie für Umweltkatastrophe.
Unter den Teilnehmerm an den gewalttätigen Krawallen in Hamburg können aber auch sogenannte "Krawalltouristen" zu finden sein, die sich nur für Zerstörung um der Zerstörung willen interessieren. Eine nicht repräsentative Umfrage, die die deutsche Ausgabe des Jugendmagazins "Vice" unter Gipfelgegnern durchgeführt hatte, erbrachte, dass die Mehrheit der Befragten nicht einmal grundlegende Fakten über die Institution G20 kannte.
Welche Taten werden Linksradikalen vorgeworfen?
Alles von der Sachbeschädigung durch Graffiti bis hin zum Mord. Mitglieder der griechischen "Verschwörung der Feuerzellen" stehen beispielsweise unter Verdacht, im Jahr 2013 zwei Anhänger der rechtsextremen Bewegung "Goldene Morgenröte" ermordet zu haben.Die Gruppe übernahm darüber hinaus in diesem Jahr die Verantwortung für eine Briefbombe, die an den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble geschickt worden war. In Schweden veröffentlichte die "Revolutionäre Front" ein Video im Internet, in dem zu sehen ist, wie Maskierte mit Äxten ein Haus zerlegen, das ihren Angaben zufolge einem Rechtsradikalen gehörte.
Selbstverständlich sind nicht alle linksextrem-motivierten Straftaten derart schwerwiegend, aber Europol schreibt: "In Deutschland verübten Anarchisten im Jahr 2016 zahlreiche Brandstiftungen, denen vor allem Polizeifahrzeuge und Privatwagen zum Opfer fielen. Belgien machte ähnliche Erfahrungen mit angezündeten Autos und Telefonfunkmasten. In Griechenland und Italien vermutet man Anarchisten hinter einer Reihe von Brandanschlägen auf Fahrzeuge, Häuser und Banken."
Und das Bundesinnenministerium ist zu dem Schluss gekommen, dass Linksradikale zunehmend gewalttätig sind: "Akzeptanz und Intensität von Gewalt haben in der linksextremistischen Szene in den letzten Jahren spürbar zugenommen. Dies betrifft vor allem Gewalt gegen die Polizei und den politischen Gegner (insbesondere tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten)."
Linksextreme Gewalt findet überwiegend in Städten statt, sehr oft im Umfeld von Veranstaltungen wie dem G20-Gipfel. "Linksextreme und Anarchisten nützen dabei legale Demonstrationen aus, um gewalttätige Angriffe gegen öffentliches Eigentum und gegen Sicherheitskräfte zu starten", heißt es bei Europol. Ein Beispiel sind die "No-Border-Camp"-Demonstrationen in Thessaloniki in Griechenland, wo Linksradikale gewaltsam mit der Polizei zusammenstießen.
Was sind die Folgen der Gewaltexzesse von Hamburg?
Die unmittelbare Folge ist, dass die Menschen in Deutschland und überall sonst in Europa für das Potenzial linksextremer Gewalt stärker sensibilisiert sind als vor dem 7. Juli. Vertreter der beiden Regierungsparteien in Deutschland, CDU/CSU und SPD, haben sich für die Schaffung einer europaweiten Datenbank für gewaltbereite Linksextreme ausgesprochen.
Die europäische Polizeibehörde weist jedoch darauf hin, dass es die Mittel, um eine solche Liste zu erstellen, bereits gibt: Das Europol-Projekt "Dolphin" ermöglicht den Austausch von Informationen über links- wie über rechtsextrem motivierte Straftaten, die zwei oder mehr EU-Staaten betreffen.