Neue Proteste gegen Erdogan
11. März 2014Der 15-jährige Berkin Elvan war im Juni vergangenen Jahres auf dem Höhepunkt der Demonstrationen gegen die islamisch-konservative Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan von einem Tränengasgeschoss der Polizei am Kopf getroffen worden. Er lag seitdem in einem Istanbuler Krankenhaus im Koma. Nach Darstellung seiner Familie nahm er damals nicht an der Demonstration teil, sondern erwar unterwegs, um Brot zu holen.
Staatspräsident Gül kondoliert
Die Mutter des Jungen machte Erdogan für den Tod ihres Sohnes verantwortlich. Staatspräsident Abdullah Gül drückte den Angehörigen sein Beileid aus. Er rief dazu auf, neues Leid zu verhindern. Dies habe er auch den Behörden der Provinz Istanbul gesagt, erklärte der Präsident.
Nach der Nachricht vom Tod des Jungen, dessen Schicksal in der Türkei zu einem Symbol für das harte Vorgehen der Polizei gegen die Proteste geworden ist, kam es zu Demonstrationen und Zusammenstößen in zahlreichen Städten. In Istanbul hinderte die Polizei mit mehreren Wasserwerfern Hunderte Demonstranten daran, auf den zentralen Taksim-Platz vorzudringen, wie Augenzeugen berichteten. Die Menge skandierte: "Schulter an Schulter gegen Faschismus." Zuvor war es bereits vor dem Krankenhaus, in dem Berkin Elvan starb, zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten gekommen.
In Ankara ging die Polizei mit Tränengas und Wasserwerfern gegen rund tausend protestierende Studenten vor, die mit Fotos des toten Jungen in den Händen (Artikelbild) eine wichtige Verkehrsader blockierten. Auf einem zentralen Platz der Hauptstadt versammelten sich Hunderte Demonstranten. Auch aus Adana und Antalya wurden Demonstrationen gemeldet.
Das achte Todesopfer
Im Sommer 2013 hatten sich die Proteste an Plänen der Regierung entzündet, den Gezi-Park am Rande des Istanbuler Taksim-Platzes zu bebauen. Sie richteten sich aber bald vor allem gegen den als autoritär empfundenden Regierungsstil Erdogans. Elvan ist das achte Todesopfer der damaligen landesweiten Massenproteste, unter ihnen ein Polizist. Zudem wurden bei den Demonstrationen mehr als 8000 Menschen verletzt.
wl/qu (dpa,afp)