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Nachsitzen für die digitale Welt

Rolf Wenkel17. November 2014

Deutsche Unternehmen sind offenbar sehr realistisch und selbstkritisch. Denn weniger als die Hälfte glaubt, auf die digitalen Herausforderungen der Zukunft eine Antwort gefunden zu haben.

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Industrie 4.0" BioRob-Arm
Bild: Dr. Andreas Karguth

Das ist das Fazit einer Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG zum Thema Digitalisierung unter 500 Unternehmen aus zehn Branchen. Die Wirtschaftsprüfer der KPMG wollten wissen, wie Unternehmen auf die Digitalisierung reagieren, welche Branchen in diesem Prozess fortgeschritten sind und welche nicht.

"Das Fazit ist eher ernüchternd, sagt Marc Ennemann, Leiter des Bereichs digitale Transformation bei der KPMG. "Wir sind in Deutschland leider nicht so schnell und innovativ unterwegs, wie wir es sein sollten oder auch können." Zwar haben 43 Prozent der befragten Unternehmen die Zeichen der Zeit erkannt und Veränderungen an ihrem Geschäftsmodell angestoßen oder bereits umgesetzt. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch: Über die Hälfte der Unternehmen agiert eher zurückhaltend oder gar nicht. "Das zeigt, dass hier vielleicht die Zukunft verschlafen wird", so Ennemann.

Bei der Befragung sind die Unternehmen um eine Selbsteinschätzung gebeten worden, denn objektive Kriterien, ob und wann ein Unternehmen die Digitalisierung erfolgreich gemeistert hat, gibt es natürlich nicht. Digitalisierung habe keinen fest definierten Endzustand, sagt Ennemann. "Das bedeutet, dass man sich je nach der individuellen Unternehmenssituation überlegen muss: Sind die Geschäftsmodelle, sind die Produkte, die ich heute habe, noch für einen Zukunftsmarkt geeignet? Was passiert, wenn ich mir selbst darüber keine Gedanken mache, sondern nur mein Mitbewerber?"

Das Tempo ist entscheidend

Deutsche Unternehmen kopieren lieber neue Ideen statt selbst innovativ zu sein, sind dabei aber häufig nicht schnell genug und deshalb auch meist nicht sehr erfolgreich – das ist ein weiteres Fazit der KPMG-Studie. Am weitesten sind die Unternehmen, was ihre Produkte angeht: Zwei Drittel haben begonnen, ihre Produkte und deren Fertigung an die digitale Welt anzupassen oder die Anpassung sogar schon umgesetzt - Stichwort Industrie 4.0, also der Versuch, die Fertigungstechnik so zu perfektionieren, dass eine intelligente Fabrik dabei herauskommt, die möglichst auch Kunden und Geschäftspartner in die Wertschöpfungsprozesse integriert.

Bei Unternehmen, die im direkten Kontakt zu ihren Endkunden stehen, geht es darum, möglichst viele Informationen zu sammeln, um genaue Kundenprofile zu erstellen – Big Data, Data Mining und Data Analytics seien hier die Schlagworte, meint Ennemann. "Digitalisierung muss für jedes Unternehmen hinsichtlich seiner Produkte und seiner Prozesse individuell definiert werden. Aber ein ganz zentrales Element ist, dass man in Interaktion mit dem Kunden und seinen Endgeräten relativ viel über seine Endkunden erfahren und das auch in die Geschäftsabläufe integrieren kann."

Von Industrie 1.0 zu Industrie 4.0

Keine Pioniere

Tendenziell seien deutsche Unternehmen eher Optimierer als Pioniere, sagt Ennemann. Häufig kopierten sie einfach neue Ideen und nähmen Anstöße von außen auf, um die dann weiterzuentwickeln. Allerdings seien sie dabei oft zu langsam. Der Faktor Zeit sei bei der Digitalisierung entscheidend für den Erfolg.

Rund 60 Prozent der Unternehmen nutzen die Ideen und Anregungen ihrer Mitarbeiter, 55 Prozent übernehmen Erfolgsmodelle aus anderen Branchen, und knapp 50 Prozent haben Kooperationen mit Forschungseinrichtungen angestoßen oder bereits umgesetzt. Am weitesten fortgeschritten, was Änderungen an ihrem Geschäftsmodell angeht, ist die Medienbranche. Sieben von zehn befragten Medienunternehmen hätten bereits auf die Veränderung des Medienkonsums durch die Digitalisierung reagiert, heißt es in der KPMG-Studie.

"Auch die Telekommunikation ist relativ weit vorne", sagt Ennemann. "Allerdings: wenn man sich andere Branchen anschaut wie zum Beispiel das Gesundheitswesen oder die Versicherungen, dann stellen wir fest: die Kluft zwischen einzelnen Branchen ist doch sehr groß."