Zypernkrise
5. Mai 2013Das stark verschuldete Euro-Land Zypern im Süden der geteilten Insel versucht sich mit allen Mitteln aus der wirtschaftlichen und finanziellen Misere zu kämpfen. Der türkische Norden dagegen, finanziert durch die Türkei, spürt die Krise kaum. Die Republik Zypern schöpft nun alle Möglichkeiten aus, um an das bitter benötigte Geld zu kommen, und gerät dabei in jüngster Zeit vor allem mit der Türkei aneinander.
Da ist zum einen der Streit über die Ausbeutungsrechte des Aphrodite-Gasfelds vor der zyprischen Küste. Sowohl der griechische Teil im Süden als auch der türkische Teil im Norden der seit 1974 geteilten Insel erheben Ansprüche auf die vor der Küste vermuteten großen Gasvorkommen. Dazu kommt jetzt die Forderung aus dem griechischen Südzypern, dass der türkische Norden nachträglich rund eine Milliarde Euro Stromschulden begleichen soll.
Notfalls müsse die Türkei bezahlen
Diese Kalkulation veröffentlichte Christos Toufexis, leitender Manager der Electricity Authority of Cyprus (EAC), in einem Artikel für die auflagenstärkste Tageszeitung Zyperns 'O Phileleftheros' (Die Liberale). "Die türkischen Zyprioten haben seit 1963 keine Stromrechnungen bezahlt", betont Toufexis im DW-Gespräch. Wenn man die Inflation und die Preisänderungen bei den Brennstoffen zur Stromerzeugung berücksichtige, komme man auf eine Summe von über einer Milliarde Euro, kalkuliert Toufexis. "Das muss doch jemand bezahlen", so der Zyperngrieche.
Der Zeitpunkt dieser Forderung habe durchaus mit der gegenwärtigen schlechten Finanzlage Südzyperns und der Electricity Authority of Cyprus (EAC) zu tun, so Toufexis. "Wenn Nordzypern nicht zahlen kann, dann muss eben die Türkei, die diese ungewollte Situation damals verursacht hat und die den Norden finanziell unterstützt, die Kosten für den Verbrauch tragen", so der Manager.
Offiziell geringere Schuldensumme
Costas Gavrielides, Pressesprecher der Electricity Authority of Cyprus (EAC) betont gegenüber der Deutschen Welle, dass Christos Toufexis nicht im Namen des Konzerns gesprochen habe. "Herr Toufexis ist kein Repräsentant der Firma. Das ist seine persönliche Sichtweise und eine von ihm selbst kalkulierte Rechnung", betont Gavrielides. Die tatsächlich von der EAC berechnete Summe betrage 262 Millionen Euro, so Gavrielides. "Der Betrag von einer Milliarde Euro kam durch einen frei gewählten Zinssatz von Herrn Toufexis zustande. Die EAC hat zu keinem Zeitpunkt von der türkisch-zyprischen Gemeinschaft oder von der Türkei eine Summe mit Zinsen verlangt", so der Pressesprecher.
Die Summe bezieht sich auf den verbrauchten Strom zwischen 1963 und 1996. Jahrzehntelang habe die Eelectricity Authority of Cyprus (EAC) die türkisch-zyprische Gemeinschaft mit Strom versorgt, so Gavrielides. "Seit 1996 hat die türkische Gemeinschaft ihre eigenen Generatoren und produziert selbstständig Strom", so der Pressesprecher. Laut Gesetz sei die EAC dazu verpflichtet, die fällige Rückzahlung einzufordern, meint Gavrielides. "Wir haben diese Forderung des Öfteren an die rechtmäßige Regierung Zyperns gerichtet, nicht an die türkisch-zyprische Gemeinschaft. Wir sprechen nur mit rechtmäßigen Institutionen", erklärt Gavrielides. "Es liegt an der Regierung Zyperns, sich mit der Forderung an die türkisch-zyprische Gemeinschaft zu wenden", erklärt Pressesprecher Gavrielides.
Konfliktlösung auf staatlicher Ebene
Vedat Yorucu, Wirtschaftsprofessor der Eastern Mediterranean University in Nordzypern, kritisiert die Berechnung der Electricity Authority of Cyprus (EAC) heftig. "Südzypern erkennt unsere Republik nicht an, aber Geld wollen sie schon von uns. Erst sollten sie uns offiziell als Türkische Republik Nordzypern anerkennen und dann kann man auf staatlicher Ebene über solche Dinge verhandeln", so der türkisch-zyprische Professor gegenüber der Deutschen Welle.
Es sei lächerlich rückwirkend Geld von Nordzypern zu verlangen, nur weil Südzypern momentan selbst in der Krise stecke, so Yorucu. "Der ursprüngliche Eigentümer des Strom-Kraftwerks in Zypern war damals außerdem die britische Kolonialregierung. Im Jahr 1960 wurden alle Produktionsressourcen und Maschinen für den gemeinsamen Gebrauch bereitgestellt: für die türkischen und die griechischen Zyprioten", so der Wirtschaftsprofessor im DW-Gespräch.
"Sinnlose Forderung"
Der Präsident der Türkischen Republik Nordzypern, Dervis Eroglu, reagierte ebenfalls auf die kürzlich veröffentlichte Summe von einer Milliarde Euro. Durch die Vereinbarung von 1960 sei klar gemacht worden, dass nationale Vermögenswerte beiden Gemeinschaften gehören, so Eroglu. "Wenn der Süden dieses Miteigentum ignoriert, dann ignoriert es die Geschichte", betont der Präsident gegenüber nordzyprischen Medien.
Wirtschaftsprofessor Vedat Yorucu verweist auf einen Vorfall im Jahr 2011. Damals explodierte das Vassilikos-Stromkraftwerk in Südzypern. Der Großteil des Landes saß im Dunkeln. "Nordzypern hat den Süden damals mit Strom versorgt. Griechisch-Zypern hat Millionen von Euro an den türkischen Norden für die Versorgung bezahlt. Jetzt kommen sie im Nachhinein mit einer Stromrechnung von vor Jahrzehnten. Das ist absolut sinnlos", so der Professor.
Das türkische Nordzypern habe außerdem seit 1974 Wasserressourcen für südzyprische Dörfer bereitgestellt, betont Yorucu. "Ein Teil der griechisch-zyprischen Elektrizität wurde damals für das Betreiben der Wasserpumpen gebraucht. Wasser, das Südzypern für sich selbst beansprucht hat", so der Wirtschaftsprofessor. Die Elektrizität sei von den griechischen Zyprioten also teilweise sogar selbst genutzt worden, was ihnen das Recht nehme, solch eine Rechnung zu stellen.