Viele Kontrollen, keine Treffer
11. Dezember 2012Ein gutes Jahr ist Andrea Gotzmann nun Vorstandsvorsitzende der Nationalen Anti- Doping Agentur (NADA) in Deutschland. Die ehemalige Basketball-Nationalspielerin blickt auf ein für sie persönlich "aufregendes" Sportjahr zurück. "Das Großereignis Olympische Spiele und die Paralympischen Spiele - das hatte schon eine ganz besondere Qualität, eine ganz besondere Atmosphäre", schwärmt Gotzmann. Für sie als ehemalige Leistungssportlerin, sei das ein einmaliges Erlebnis gewesen. Zumal sie nie bei den Olympischen Spielen gewesen sei - Frauen-Basketball war damals noch nicht olympisch. Aus Sicht von Deutschlands oberster Doping-Bekämpferin war es aber auch ein anspruchsvolles und sehr arbeitsreiches Sportjahr, während dem sie viel gelernt habe.
Es gab in der Tat einige Aufreger und Lerneffekte bei der NADA in diesem Jahr. Da war zum Beispiel das Hin und Her in der Frage, ob die UV-Bestrahlung von Blut, wie sie am Olympiastützpunkt in Erfurt praktiziert wurde, nun Doping sei oder nicht. Und da war natürlich auch das Dauerthema zu knapper Mittel für die Dopingbekämpfung. Vor allem aber hatte die unterfinanzierte Institution alle Hände voll zu tun, dem hohen Anspruch an sie gerecht zu werden: für einen möglichst sauberen deutschen Sport zu sorgen.
So viele Doping-Kontrollen wie noch nie
Im Olympiajahr war die Kontrolldichte besonders hoch: Die potenziellen Olympiateilnehmer seien überdurchschnittlich häufig kontrolliert worden, berichtet Daniel Fetzner, der Ressortleiter des NADA-Doping-Kontroll-Systems. Bei jedem Olympiateilnehmer habe die NADA im Schnitt fünf Kontrollen durchgeführt. "In der Spitze - das heißt in der Risikogruppe A, zu der beispielsweise auch der Radsport gehört, oder Rudern, Kanu und Schwimmen - haben wir sogar bis zu zwölf Kontrollen pro Athlet in den zwölf Monaten vor Beginn der Olympischen Spiele durchgeführt", so Fetzner.
Doch obwohl im Vorfeld der Spiele in London so viel kontrolliert wurde wie noch nie, gab es keine positiven Dopingbefunde. Was nicht automatisch heißen muss, dass keiner der deutschen Athleten gedopt war. Der Mainzer Sportmediziner Perikles Simon behauptete vor kurzem gar, dass in London rund 60 Prozent der Athleten gedopt gewesen seinen. Eine gewagte These, die die NADA so nicht bestätigen will. Während in den USA die US-Anti-Dopingagentur mithilfe ehemaliger Mannschaftskollegen die Rad-Legende Lance Armstrong zu Fall brachte und des langjährigen Dopings überführte, gibt es aktuell keine vergleichbaren Erkenntnisse in Deutschland.
Fall Armstrong großer Erfolg
Gotzmann hält den Fall Armstrong für einen großen Erfolg im Anti-Doping-Kampf. "Das ist ein Signal an die Athleten: Wir geben nicht auf, auch wenn der Sportler seine Karriere beendet hat. Da kann immer noch etwas kommen." Man habe die Möglichkeit, Proben lange aufzubewahren, einzufrieren und dann mit neuesten analytischen Methoden auch nach vielen Jahren noch einen Sieg abzuerkennen. Man könne aber auch investigativ vorgehen, etwa mit Kronzeugenregelungen und Zeugenaussagen.
Die Frage ist nur, wann. Nicht nur die Doper, sondern auch die Dopingjäger kamen in diesem Jahr in die Schlagzeilen: So sorgte das Internationale Olympische Komitee für einen Skandal, als es erst auf öffentlichen Druck hin die Dopingproben der Olympischen Spiele 2004 in Athen nachtestete. Trotz der geringen Anzahl der nachgesteten Proben stieß das IOC prompt auf fünf positive Medaillengewinner. Ein Anti-Doping-Erfolg wider Willen, so schien es.
Mit Zweckoptimismus gegen Doping-Netzwerke
Doch auch die Kritik am deutschen Anti-Doping-Kampf ebbt nicht ab. Gemessen an der Anzahl der Proben ist die Überführungsquote sehr niedrig. Es wird immer schwerer, den Athleten etwas nachzuweisen. Die Dopingmittel werden - auch durch geschickte Dosierung - immer schwerer auffindbar und nachweisbar. Die führenden Anti-Doping-Labore befinden sich zwar in Deutschland, doch deren Arbeit entwickelt sich immer mehr zu einem kaum zu gewinnenden Kampf gegen gut organisierte und offenbar auch finanzstarke Doping-Netzwerke. Gotzmann sieht in ihrer Arbeit dennoch großes Abschreckungspotenzial: "Es wird immer schwerer für die Athleten. Gerade bei uns mit den Laboren, die Weltruf haben", ist sich die Doping-Jägerin sicher. "Die Türen gehen nach und nach zu. Wird eine Substanz nachweisbar, muss man auf etwas anderes ausweichen. Da zwingen wir die Betrüger in andere Richtungen."
Ein wenig Zweckoptimismus schwingt mit. Sie fühle sich nicht wie bei einer Sisyphosaufgabe, behauptet Gotzmann. Die NADA beobachtet die Top-Athleten genau. Sieht, wann es zu Leistungssprüngen kommt, wie sich die Sportler in ihrem Meldeverfahren verhalten und sammelt etliche Informationen. Irgendwann werden die Doper auffliegen, ist sich Gotzmann sicher, räumt aber auch ein: "Wir haben gesehen, auch im Fall Armstrong, dass da ein unglaubliches System, eine Logistik, eine Wissenschaft und auch ein finanzielles Polster dahinter steckt."
Der NADA fehlen 500.000 Euro
Die Mittel der NADA hingegen sind begrenzt. Rund 30 festangestellte Mitarbeiter gibt es, die einen jährlichen Etat von 6,5 Millionen Euro benötigen. Jedes Jahr von neuem bangt die Stiftung um ihre Finanzierung durch Sport, Wirtschaft und Staat im Stakeholder-Modell, erklärt Fetzner. "Die Bundesländer ziehen sich immer mehr aus der Finanzierung der NADA zurück und auch die Wirtschaftspartner gehen immer weiter weg, so dass wir immer noch eine Unterfinanzierung im nächsten Jahr haben werden." 500.000 Euro fehlen der NADA für das kommende Jahr, eine Summe, die auch der Deutsche Olympische Sportbund wegen des erwarteten Minus in seinem eigenen Haushalt nicht schließen will. Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses im Deutschen Bundestag, forderte sogar eine Neuorganisation der NADA, das Stiftungsmodell sei gescheitert, der Staat müsse den Anti-Doping-Kampf zukünftig finanzieren.
Die NADA will ihre Arbeit in Zukunft weiter verbessern. So sollen die Präventionsarbeit und das Doping-Kontrollsystem weiter ausgebaut und die neue Task Force gestärkt werden, erklärt Gotzmann. "Doping macht nicht vor den Landesgrenzen halt. Wir müssen mit den internationalen Kollegen zusammenarbeiten und uns auf regelmäßiger Basis austauschen. Das erfordert eine kontinuierliche und planbare Finanzierung."