Nagelsmann gegen Klopp auf Augenhöhe
16. August 2017Wie sich die Bilder glichen: Auf der einen Seite stand Julian Nagelsmann in seiner Coaching-Zone und gestikulierte, wenige Meter daneben führte Jürgen Klopp energische Armbewegungen aus, um die Spieler auf dem Feld seinen Wünschen gemäß zu ordnen. Beide blond, beide schlank und groß, beide ehrgeizig und voll bei der Sache. In Sachen Gefühlsausbruch übertraf diesmal sogar der Jüngere den Älteren: Als Hoffenheims Angriff kurz vor der Pause eine hochkarätige Doppelchance vergab, musste Nagelsmanns Wasserflasche dran glauben, die der TSG-Coach frustriert gegen die Betonmauer hinter seiner Trainerbank schleuderte. Eine Explosion á la Kloppo.
Es war was los direkt neben dem Spielfeld. Einzige Unterschiede: Nagelsmann, der 20 Jahre Jüngere, trug ein weißes Hemd, Klopp stand im schwarz-orangenen FC Liverpool-Poloshirt und wie gewohnt mit modischer Brille an der Seitenlinie.
Schon im Vorfeld war die Champions-League-Qualifikation zwischen der TSG 1899 Hoffenheim und dem FC Liverpool zu einem Duell der Trainer hochstilisiert worden. Zu verlockend war dieser Schluss für viele Journalisten angesichts der zahlreichen Parallelen der beiden Coaches. Beide übernahmen schon in jungen Jahren ihr erstes Profi-Team. Klopp mit 33 beim FSV Mainz, Nagelsmann in Hoffenheim mit 28. Beide leben von der Emotion, wilde Jubelarien an der Seitenlinie sind Standard. Beide setzen im Umgang mit den Spielern auf Nähe und Kommunikation, sagen aber auch deutlich, direkt und manchmal lautstark, wenn ihnen etwas nicht gefällt.
Klopps Gegenpressing, Nagelsmanns Variabilität
Und doch war die Herangehensweise an das Spiel um den Einzug in die Königsklasse etwas unterschiedlich. Während Klopp - wie bereits früher bei Borussia Dortmund - auf starkes Gegenpressing setzte und seinem Team eine Kontertaktik verordnet hatte, legte Nagelsmann die Taktik für seine Mannschaft etwas variabler an. Nach einer abwechslungsreichen Anfangsphase, hielt Hoffenheim den Ball über weite Strecken kontrolliert in den eigenen Reihen und suchte geduldig die Lücke für den tödlichen Pass.
Klopps Truppe machte dagegen von Anfang konsequent die Räume eng und wartete auf Kontergelegenheiten. Neuzugang Mohamed Salah tat sich dabei besonders hervor. Immer wieder fand er Freiräume, in denen er gefährlich angespielt werden konnte. Nach der Pause und angesichts des 0:1-Rückstands agierte Hoffenheim offener und ermöglichte den Reds so mehr Platz für noch mehr schnelle Gegenstöße.
Insgesamt war es ein offener Schlagabtausch, bei dem Außenseiter Hoffenheim vor allem in der ersten Halbzeit mehr vom Spiel hatte. Insbesondere durch den vergebenen Foulelfmeter von Andrej Kramaric war die Chance da, in Führung zu gehen. Doch ein Fehler beim Freistoßtor von Trent Alexander-Arnold - Lukas Rupp sprang in der Mauer nicht hoch - und ein unglücklich abgefälschter Ball sorgten stattdessen für die Gegentore.
Selbstbewusste Analyse auf beiden Seiten
"Ich glaube nicht, dass heute die schlechtere Mannschaft verloren hat", analysierte Nagelsmann dementsprechend selbstbewusst nach der Partie. "Es war für uns ein unglücklicher Spielverlauf, mit dem Elfmeter und dem Freistoß, der reingeht." Vorne hätten sich seine Stürmer mehrfach gegenseitig den Ball weggenommen. "In der ersten Halbzeit waren wir besser als Liverpool. Allerdings haben wir insgesamt viele Situationen nicht optimal zu Ende gespielt, gehen aber dennoch mit viel Selbstvertrauen ins Rückspiel."
Sich nicht verstecken, auch in der Niederlage auf die eigene Stärke hinweisen - eine Analyse, die man so oder so ähnlich auch von Jürgen Klopp schon oft gehört hat. Der äußerte sich ebenfalls überzeugt vom eigenen Team, lobte aber zunächst den Gegner: "Ist doch klar, dass die richtig gut kicken können", sagte Klopp. "Aber ich denke, wir haben verdient gewonnen." Ein Eindruck den man teilen kann, besonders, wenn man die zweite Halbzeit betrachtet. Hier trieb Klopp seine Spezialtaktik fast auf die Spitze: Die Liverpooler Angreifer pressten Hoffenheims Defensive schon beim Spielaufbau so weit hinten rein, dass die TSG-Verteidiger oft nur wenige Meter von der eigenen Torauslinie in Bedrängnis gerieten. "Ich habe mindestens fünf Bälle gesehen, bei denen Torwart Oliver Baumann einen Querpass gerade noch so wegkratzt", sagte Klopp mit einem gewissen Stolz.
Unter dem Strich aber, da waren sich die beiden Trainer einig, die sich nach Abpfiff freundschaftlich abgeklatscht und auf die Schulter geklopft hatten: Es war es ein Duell auf Augenhöhe. Und das galt nicht nur auf dem Rasen, sondern auch auf den Trainerbänken - beziehungsweise in den Coaching-Zonen davor.
Spiel verpasst? Hier gibt es die gesamte Partie noch einmal zum Nachlesen im DW-Liveticker.