"Natürlich wollen wir die NATO nicht abschaffen"
13. Februar 2005Kritik des Bundeskanzlers
Verteidigungsminister Peter Struck trug die Kritik des Kanzlers an der NATO vor. "Der Grundsatz bleibt: Eine enge transatlantische Bindung ist im deutschen, im europäischen und im amerikanischen Interesse. Aber bei der Umsetzung dieses Grundsatzes kann nicht die Vergangenheit der Bezugspunkt sein", ließ der Kanzler wissen. "Nein, wir müssen uns den neuen Umständen anpassen." Die NATO sei inzwischen nicht mehr der primäre Ort, an dem die transatlantischen Partner ihre strategischen Vorstellungen konsultieren und koordinieren würden. Nach Ansicht des Bundeskanzlers könnte ein Expertengremium Abhilfe schaffen, in dem Fachleute aus Europa und den USA bis 2006 einen Reformbericht ausarbeiten.
Rumsfeld sieht keinen weiteren Reformbedarf
Die Vorschläge Deutschlands stießen bei den Teilnehmern der Münchner Sicherheitskonferenz auf wenig Gegenliebe. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sagte, der beste Ort für die Diskussion über die transatlantischen Beziehungen sei die NATO selbst. Die NATO mit ihren 26 Mitgliedsländern sei das beeindruckendste Bündnis in der Geschichte der Menschheit und "zeigt viel Energie und Vitalität", sagte er. In Afghanistan, auf dem Balkan und im Irak sei sie erfolgreich im Einsatz. An der Weiterentwicklung der Organisation werde ständig gearbeitet. "Wenn wir zusammenarbeiten, ist nichts unmöglich", so Rumsfeld.
NATO bereits im Umbruch
Handeln sei besser als reden, wies auch NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer die Ideen zurück. Die NATO sei bereits mitten in einem Reformprozess und habe sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Angesichts so viel laut geäußerter Skepsis meldete sich Verteidigungsminister Struck noch einmal zu Wort. "Natürlich wollen wir die NATO nicht abschaffen", stellte er klar. "Sondern es ist eine Beschreibung eines Zustandes, den wir ändern wollen und verbessern wollen."
Welche Rolle die NATO an den Krisenherden der Welt spielen kann, etwa im Nahen Osten, darüber wurde ebenfalls debattiert. "Im Fall eines Friedensabkommens, eines UN-Mandats und einer Anfrage von Israelis und Palästinensern könne die NATO auch dort aktiv werden", sagte Generalsekretär Scheffer. "Noch sei es zu früh für eine Entscheidung, aber für diese Aufgabe muss die NATO bereitstehen.".
Irak weniger auf der Tagesordnung, dafür der Iran
Nicht nur die neuen Chancen für einen Frieden im Nahen Osten wurden auf der Münchner Sicherheitskonferenz positiv bewertet, viele Redner lobten auch die Fortschritte im Irak und die erfolgreichen Wahlen. Das Thema Irak-Krieg, das in den vergangenen beiden Jahren die Konferenz dominiert hatte, trat diesmal weiter in den Hintergrund. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld verkniff sich seine gewohnt spitzen Bemerkungen gegenüber den Gegnern des Irak-Kriegs und zeigte sich ebenso versöhnlich wie andere Mitglieder der Bush-Regierung in den vergangenen Wochen.
Eine neue Brisanz gewann am ersten Tag der Konferenz das Thema Iran: Dass der Iran keine Nuklearwaffen besitzen dürfe, wurde von vielen Rednern angemahnt. Der beste Weg zu diesem Ziel blieb aber umstritten. Bundeskanzler Gerhard Schröder forderte, die USA sollten die diplomatischen Bemühungen der Europäer aktiv unterstützen. Der Iran hat erneut versichert, keine Atomwaffen herstellen zu wollen. Das Land fühle sich dem Atomwaffensperrvertrag verpflichtet, sagte der stellvertretende iranische Außenminister Gholamali Khoshroo auf der Sicherheitskonferenz.