Nebenwirkung Selbstmord
4. Oktober 2002Bis vor zwei Jahren lebte die Ärztin Ulrike Steinhoff im afrikanischen Malawi. Sie erkrankte an Malaria. Als Mittel zur Behandlung nahm sie Lariam. "Das galt ja als das Mittel gegen die Krankheit", sagt Steinhoff. Die Folge waren schwere Nebenwirkungen. Schwindelgefühle banden sie ans Bett, jeder Gang zur Toilette war von Brechreiz begleitet. Dazu kamen Schlafstörungen und Angstzustände. Vor der Einnahme von Lariam, also vor Ausbruch der Malaria, da hatte sich Ulrike Steinhoff gut im Griff. Doch unter dem Einfluss des Malariamittels war sie von Angst geplagt - und fürchtete sich davor ermordet zu werden. Sie ließ sogar die Fenster ihres Hauses vergittern.
Macht Lariam krank?
Die durch das Mittel Lariam ausgelöste Angst kann so stark sein, dass sich Menschen umbringen. Das zumindest behaupten Kritiker des Präparates. Der spektakulärste Fall: Zwei mit Lariam behandelte US-Soldaten töten sich im letzten Jahr selbst - nach ihrer Rückkehr aus Afghanistan. Doch ob die Selbstmorde ursächlich auf Lariam zurück gehen, das ist nach Ansicht des Tropenmediziners Gerd Burchard von der Berliner Charité bisher unklar. Personen mit einer Psychose oder einer einer schweren psychiatrischen Erkrankung sollten laut Burchard keinesfalls Lariam einnehmen. "Dass jetzt ein Zusammenhang wissenschaftlich nachgewiesen ist zwischen einer erhöhten Selbstmordrate unter Lariam-Einnahme, das kann man meines Erachtens zur Zeit nicht behaupten", so Burchard
Keine Beweise
Gerd Burchard argumentiert ähnlich wie der Hersteller des Malaria-Mittels, die Firma Hoffmann-La Roche: Ein kausaler Zusammenhang zwischen Lariam und Suizid-Handlung sei nicht belegt. Und außerdem gelte: Das Mittel nutzt weit mehr als es schadet. Immerhin rät der Konzern davon ab, Lariam weiter einzunehmen, wenn psychische Veränderungen einzusetzen beginnen. Doch diesen "Ratschlag" erteilt La Roche bisher lediglich seinen Patienten in den USA. In Deutschland gibt der Konzern dagegen weiterhin die Devise aus: "Nebenwirkung Selbstmord" ausgeschlossen Der mögliche Grund für diese widersprüchliche Informationspolitik: In den USA drohen im Zweifelsfall höhere Schadensersatzklagen als hierzulande.
Lariam ist ein wirksames Mittel gegen Malaria. Und es ist vor allem unersetzlich. Schließlich haben sich gegen Lariam bisher kaum Resistenzen gebildet - sieht man einmal von einigen Regionen in Thailand und Kambodscha ab. Und allein schon deshalb ist es unverständlich, warum der Konzern La Roche in Deutschland nicht genauso offen über mögliche Nebenwirkungen informiert wie in den USA.