1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Neonazis verbreiten ihre Parolen im Netz

Naomi Conrad 9. Juli 2013

Rechtsextremisten versuchen, Jugendliche im Netz zu ködern - und weichen immer mehr auf ausländische Anbieter aus. Denn große Anbieter wie Facebook werden aktiver im Kampf gegen Rechts.

https://p.dw.com/p/194Yv
Ein Rechtsextremist auf einer Neonazi-Demo in Wolfsburg (Niedersachsen) - Foto: Peter Steffen (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Als der Mann noch aktiv in der rechtsextremen Szene in Niedersachsen war, habe er den ganzen Tag deren Online-Angebot gepflegt. Hauptberuflich. Bezahlt worden sei er mit "irgendwelchen Geldern aus der Szene", erzählt Martin Ziegenhagen über einen Aussteiger. Ziegenhagen ist Diplom-Pädagoge und Projektleiter der "Online-Beratung gegen Rechtsextremismus". Oft seien es Eltern, die sich an die Beratungsstelle wenden, weil ihre Kinder in rechtsextreme Milieus abgedriftet sind, erzählt er. Der erste Kontakt zu den Jugendlichen entstehe oft über das Internet: Über Youtube-Videos, Facebook-Chats oder Twitter, sagt Ziegenhagen. Deren Eltern seien oft ziemlich hilflos: "Die wissen gerade mal, was Facebook ist. Die haben oft keine Ahnung, was ihre Kinder im Internet machen."

In Deutschland verbreiten Neonazis ihre Hass-Progaganda vorrangig und gezielt über die Sozialen Medien, in denen Jugendliche unterwegs sind. Das geht aus dem Jahresbericht 2012 von jugendschutz.net hervor, der am Dienstag (09.07.2013) in Berlin vorgestellt wurde. Die staatlich finanzierte Organisation durchsucht das Internet nach jugendgefährdenden und strafbaren Inhalten: 2012 registrierte die Organisation über 1600 strafbare Inhalte, 80 Prozent davon in den Sozialen Medien.

Mit 550 noch größer war die Zahl der rechtsextremistischen, aber nicht strafbare Beiträge in den Sozialen Medien in Deutschland: Sie bedeuten eine Zunahme von fast 50 Prozent im Vergleich zu 2011.

Auch Twitter spielt für rechtsextreme Organisationen und Persönlichkeiten eine immer stärkere Rolle: Dokumentierte jugendschutz.net 2011 noch 141 solcher Kanäle, waren es 2012 knapp 200.

Auf den ersten Blick harmlos

Rechtsextremisten stehen während einer Neonazi-Demo mit einem Banner in Wolfsburg (Niedersachsen) - Foto: Peter Steffen (dpa)
Neonazi-Aufmarsch in Wolfsburg: Ankündigung von Demonstrationen im InternetBild: picture-alliance/dpa

Oft erscheinen die Facebookprofile von rechtsextremen Gruppierungen zunächst allerdings recht harmlos: "Rechtsextreme fallen keineswegs mit purer, plumper Propaganda auf", sagt Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung. Er hat beobachtet, dass sich Rechtsextreme im Internet immer besser tarnen. "Auf den ersten Blick lassen die erst einmal anklingen, was bei Jugendlichen immer gut ankommt: Lifestyle, Musik, Events." Rassistische und diskriminierende Aspekte seien oft verborgen und erst nach etlichen Klicks zu finden. "Das Gros der Angebote ist nicht rechtlich angreifbar", bestätigt Stefan Glaser, stellvertretender Leiter von jugendschutz.net.

Hinzu kommt, dass Rassismus oft als "schwarzer Humor" getarnt werde, etwa durch antisemitische Witze, erklärt Glaser. Solche Inhalte würden von den Anbietern wie Facebook auf ihren Seiten stehen gelassen, da sie nicht ausdrücklich gegen ihre Richtlinien verstoßen. Das kritisiert Glaser: "Da muss Facebook eine klare Linie ziehen."

Stefan Glaser, des Arbeitsbereichs Rechtsextremismus bei jugendschutz.net - Foto: jugendschutz.net
Stefan Glaser von jugendschutz.netBild: jugendschutz.net

Gute Zusammenarbeit mit Facebook und Co.

Allerdings betonen Glaser und Krüger, dass man mit den großen Plattformen wie Facebook und Google zunehmend besser kooperiere. Diese reagierten "mit größerer Sensibilität und Bereitschaft", so Krüger, auf Beschwerden einzelner User oder Organisationen wie jugendschutz.net: Inhalte würden innerhalb sehr kurzer Zeit von den Seiten entfernt oder Profile geblockt.

Auch deshalb weichen viele rechtsextreme Internetnutzer vermehrt auf ausländische Server aus - vor allem auf die Seite des russischen Anbieter VK.com, ein soziales Netzwerk, das nach eigenen Angaben mehr als 100 Millionen aktive Nutzer hat, darunter neben polnischen und tschechischen auch etliche deutsche Neonazis, so Glaser: "Aus dem Hardcore-Neonazi-Bereich wurde VK.com bereits Mitte letzen Jahres stark beworben" - und zwar von Usern, deren Inhalte von Facebook und anderen Diensten gelöscht worden waren."

Seit ein paar Tagen bestehe allerdings ein "direkter Draht" zu den Betreibern von VK.com, so das hasserfüllte Inhalte möglichst schnell entfernt werden könnten. Der Dienst sei "willig und dankbar für Hinweise."

Neonazis im Internet

Aufgabe des Einzelnen

Doch alle Hass-Videos und Propaganda-Tiraden werden wohl nie gänzlich aus dem Internet verschwinden können. Martin Ziegenhagen von der Online-Beratungsstelle ist überzeugt, dass - wie der Aussteiger aus Niedersachsen - Rechtsextreme längst an neuen Internetauftritten basteln. So gebe es bereits erste Apps, etwa um über das Smartphone rechtsextreme Radiosendungen und Podcasts zu empfangen. Er zuckt mit den Schultern: "Dagegen kommen wir nur schwer an."

Politische Bildung und Aufklärung, glaubt Thomas Krüger von der Bundeszentrale für Politische Bildung, seien deshalb wichtig: "Es geht darum, innerhalb und außerhalb der Schule wachzurütteln." Jugendliche müssten das Rüstzeug bekommen, um Techniken zu durchschauen. Doch letztlich müssten alle "aktiven Netzbürger" sich fragen. "Was tun wir, um uns mit solchen Inhalten kritisch auseinanderzusetzen?" Denn Islamophobie oder rechtsradikale Parolen dürfte keiner stillschweigend akzeptieren.