Netzwerk will Licht ins Dunkel der Stasi-Zeit bringen
21. Dezember 2008Der Ort, an dem der Vertrag unterzeichnet wurde, hat eine große symbolische Bedeutung: das Europäische Haus am Brandenburger Tor. Bis Ende 1989 stand wenige Meter von hier entfernt die Berliner Mauer. Für Marianne Birthler, Leiterin der deutschen Stasi-Unterlagen-Behörde, erfüllt sich der lang gehegte Wunsch, die kommunistischen Diktaturen länderübergreifend aufzuarbeiten.
Auch in der Vergangenheit gab es Kontakte, aber keine systematische Zusammenarbeit. Mit der Gründung des europäischen Netzwerks wird das anders. Tagungen, Projekte und vielleicht eine gemeinsame Ausstellung sind geplant, sagt Birthler. „Eines unserer Projekte wird sein, dass wir entweder im Internet oder in gedruckter Form gleichzeitig Informationen über unsere Arbeit in den sieben Ländern zur Verfügung stellen."
Offener Akten-Zugang für alle
Die Voraussetzungen der beteiligten Länder sind dabei sehr unterschiedlich. In Tschechien werden zwar seit Mitte der 90er-Jahre kommunistische Verbrechen untersucht, aber Zugang zu den Akten gebe es erst seit zehn Monaten, berichtet Miroslav Lehky von Aufarbeitungs-Behörde. Die Zahl der Akten ist groß, denn nicht nur Dokumente der Stasi, sondern aller repressiven Organisationen des kommunistischen Staates, werden aufbewahrt. Dazu gehörten der militärische und der zivile Nachrichten-Dienst und Grenztruppen, erklärt Lehky. „Wir haben jetzt alles zur Verfügung, um es zu analysieren. Und selbstverständlich wollen wir alles öffnen.“
In Bulgarien mussten die Stasi-Aufklärer lange um ein eigenes Gebäude kämpfen. Inzwischen hat man eines, in dem die Archive aller ehemaligen Geheimdienste zusammengeführt werden sollen. Ziel sei es, die Akten allen zugänglich zu machen, sagt der Leiter der Behörde Evtim Kostadinovs. Sie wollten außerdem der Öffentlichkeit die Namen von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens nennen, die in der Vergangenheit offizielle und inoffizielle Mitarbeiter der Geheimdienste gewesen seien.
Vorbild für andere Länder
Marianne Birthler will mit dem europäischen Netzwerk auch Initiativen in anderen ehemals kommunistischen Ländern stärken, in denen es noch immer keine systematische Aufarbeitung gibt. „Ich könnte mir vorstellen, dass allein die Tatsache, dass es unsere Kooperation gibt und dass wir auf der europäischen Ebene sichtbar sind, diesen Menschen den Rücken stärkt.“
In erster Linie denkt sie dabei an Slowenien und die baltischen Staaten. Ein wiedervereintes, freies Europa sei ohne ein Bewusstsein seiner vielfältigen, aber auch widersprüchlichen Geschichte nicht denkbar, sagte sie.