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PolitikAsien

Neu-alte Konfrontation im Süden Thailands

Julian Küng
20. August 2020

Nicht nur durch die wachsenden Studentenproteste sieht sich Thailands Führung herausgefordert. Tief im Süden geht die Armee gegen Separatisten vor - ohne Aussicht auf eine Lösung des alten ethnischen Konflikts.

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Thailand Checkpoint Narathiwat
Militärposten in der Provinz NarathiwatBild: DW/J. Küng

Bei mehreren Schießereien mit thailändischen Sicherheitskräften vor einer Woche in der südlichen Provinz Pattani wurden sieben Aufständische getötet. Sie seien verantwortlich für vorangegangene Bombenanschläge, bei denen zwei Soldaten ums Leben kamen, erklärte Armeesprecher Pramot Phrom-in. Einer der Sprengkörper detonierte im Bezirk Nong Chik, als patrouillierende Soldaten den Dorfrand von Pakaruesong passierten. Die kleine Ortschaft am Stadtrand Pattanis war bereits Ende April Schauplatz einer Militäroperation, die das vorläufige Ende einer kurzen Friedensphase bedeutete.

Thailändische Streitkräfte durchstreifen das Dorf von rund 200 Häusern kaum noch, seit sich die Bewohner vor Jahren gegen die Militärpräsenz auflehnten. Den Anschein eines militanten Widerstandsnests macht die verschlafene Siedlung aber nicht. Ziegen zotteln sorglos die Dorfstraße hinunter. Fromm islamisch gekleidete Bewohner lauschen dem muslimischen Gebetsruf, der aus den Lautsprechern der kleinen Moschee die Häuser beschallt. Ein Kleinkind im Dorfladen nebenan schreit in gleicher Tonlage. "Der Kleine singt bereits wie ein Muezzin", schwärmt Ladenbesitzerin Yashitor. "Vor allem unsere Kinder und älteren Bewohner fürchten sich vor den schwer bewaffneten Soldaten. Es ist hier sicherer ohne das Militär", sagt Yashitor, deren Bruder in Pakaruesong viele Jahre Dorfvorsteher war.

Thailand Dorfladenbetreiberin Yashitor im Provinz Pattani
Ladenbesitzerin Yashitor: "Mehr Sicherheit ohne Militär" Bild: DW/J. Küng

Festgefahrene Konfrontation

Auch nach über hundert Jahren, die seit der Einverleibung der drei Südprovinzen ins einstmalige Königreich Siam vergangen sind, sondert sich die dortige malaiische muslimische Bevölkerung vom buddhistischen Rest des Landes ab. Über 60.000 Soldaten und rund 100 Stützpunkte  hat das thailändische Militär in den Süd-Provinzen Yala, Narathiwat und Pattani stationiert. Bangkok unternimmt viel, um die buddhistische Minderheit zu beschützen. Aber mindestens genau so viel, um sich der Mehrheit zu entfremden. Die Vorwürfe von Menschenrechtlern reichen von Folter, willkürlichen Verhaftungen und Verschleppungen bis zu außergerichtlichen Tötungen. "Die meisten haben deshalb mehr Vertrauen in die 'Anderen' als in das thailändische Militär", sagt Yashitor leise. Mit "Anderen" meint die 55-Jährige die Separatisten, die für eine Abspaltung ihres "Heimatlands" vom Joch Bangkoks kämpfen.

Einflussreichste Gruppe der Aufständischen ist die "Barisan Revolusi Nasional” (BRN) oder "Nationale Revolutionäre Front". 60-70 Prozent  der militanten Kräfte sollen unter Kontrolle der über fünf Jahrzehnte alten Organisation stehen, glauben die Behörden. Als Hauptziele der Aufständischen gelten neben Soldaten und Sicherheitskräften vor allem buddhistische Geistliche und Lehrer. In den Augen der Separatisten sind Schulen Symbole der Unterdrückung durch den thailändischen Staat. Der Konflikt forderte seit seinem neuen Aufflammen im Jahr 2004 schon über 7000 Menschenleben.

Thailand Separatisten Muslime
Wenig Bindung an Bangkok - Thailands Muslime in den Südprovinzen Bild: AP

Brüchige Waffenruhe 

Zum Jahresbeginn gab es neue Hoffnung auf eine Lösung des Konflikts. Die Separatisten der BRN nahmen unter Vermittlung Malaysias nach jahrelanger Funkstille an Friedensgesprächen mit dem thailändischen Militär teil. Sie verpflichteten sich in  einem Abkommen mit der Nichtregierungsorganisation "Geneva Call” zur Einhaltung humanitärer Normen und riefen ihre Anhänger am 3. April dazu auf, die Waffen niederzulegen. Die Gruppe folgte damit einer Forderung der Vereinten Nationen nach einer globalen Waffenruhe während der COVID-19-Pandemie.

In Bangkok stieß die Profilierung der Separatisten auf internationaler Bühne auf Ablehnung. "Während die thailändischen Soldaten vor Ort den Waffenstillstand begrüßten, waren die hohen Militärs sehr verärgert”, sagt Don Pathan, Berater von Nichtregierungsorganisationen und langjähriger Beobachter des Konflikts. Entsprechend war die Friedenszeit nur von kurzer Dauer. Im Dorf Pakaruesong wurden Ende April drei mutmaßliche Rebellen bei einer Armeeoperation getötet, angeblich standen sie wegen "22 gewaltsamer Anschläge auf der Fahndungsliste.” Obwohl BRN-Sprecher Abdul Karim Khalid seine Anhänger dazu aufrief, sich an die einseitige Waffenruhe zu halten, erschossen Separatisten wenige Tage später vier Sicherheitskräfte in den Provinzen Pattani und Narathiwat. Der Teufelskreis begann von vorn. Die Überwachungsorganisation "Deep South Watch” verzeichnete in den Monaten Mai bis Juli 21 Tote und 26 Verletzte.

Thailand Hilfswerk "Baan Bun Tem" in Yala Stadt
Sua, Mitarbeiter des Hilfswerks "Baan Bun Tem", sieht erzwungene DNA-Tests kritischBild: DW/J. Küng

Überwachungsmaßnahmen verstärken Misstrauen

Zwar signalisieren beide Seiten den Willen, die Gespräche nach der Pandemie fortzusetzen. Doch das Misstrauen zwischen den aus Sicht des Militärs "kriminellen Gruppen” die es auszumerzen gelte, und dem "tyrannischen Regime Siam”, wie die Separatisten Thailands Truppen wahrnehmen, scheint größer denn je. Statt die Loyalität der breiten Masse zu gewinnen, um Aufständische zu isolieren, intensiviert Bangkok die Überwachung aller Einwohner des tiefen Südens. Mit mehr als 8000 Überwachungskameras werden die Einwohner der drei Provinzen observiert. SIM-Karten für Mobiltelefone können von Anwohnern nur noch nach Abgabe ihrer biometrischen Daten gekauft werden.

Hinzu kommt verstärktes Sammeln von  DNA-Proben, die mit diesen Daten abgeglichen werden. Mindestens 139 erzwungene DNA-Tests verzeichnete die Nichtregierungsorganisation "Cross Culture Foundation” von Januar bis September 2019 in den Südprovinzen. Auch während der COVID-19-Pandemie seien in der Grenzprovinz Yala zahlreiche Rückkehrer zu DNA-Tests gedrängt worden. Man entnehme die Proben ausschließlich bei Straftätern und Verdächtigen oder auf "freiwilliger Basis”, versichert die Armee. Die Informationen dienten als Beweismittel, um Täter von Anschlägen zu identifizieren.

"Genau dort liegt das Problem", meint Sua, Mitarbeiter des Jugendhilfswerks "Baan Bun Tem" (etwa: Haus des Friedens) in Yala. "Die Menschen haben Angst, durch die DNA-Daten in Strafverfahren zu geraten, die auf verfälschten Beweisen aufgebaut sind", führt der 30-jährige Buddhist aus. Beobachter wie Don Pathan sagen, dass die Armee mit den DNA-Tests und anderen Formen der Belästigung das Ressentiment der Bevölkerung gegen die Zentralregierung und ihre Vertreter nur verstärkt.