Neue Angriffe auf Ost-Ghuta
23. Februar 2018Nur wenige Stunden vor der geplanten Abstimmung im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen über eine 30-tägige Waffenruhe in Ost-Ghuta hat eine neue Angriffswelle die syrische Region erschüttert. Den sechsten Tag in Folge bombardierten Kampfflugzeuge die belagerte Region östlich von Damaskus. Nach Informationen der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden seit Beginn der Bombardierungen am Sonntag mindestens 417 Menschen getötet und mehr als 2100 verletzt. Unter den Toten seien rund hundert Kinder.
Die Rebellenhochburg Ost-Ghuta erlebt derzeit eine der schlimmsten Angriffswellen seit Beginn des Bürgerkrieges vor sieben Jahren. Rund 400.000 Menschen sind in der Region von der Versorgung mit Lebensmitteln und Hilfsgütern abgeschnitten. Solange weiter gekämpft werde, sei die Lieferung von Hilfsleistungen zu gefährlich, sagte Jakob Kern vom Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen im Deutschlandfunk. "Die Hilfsgüter stehen bereit, aber wir brauchen eine Feuerpause."
Merkel und Macron appellieren an Russland
Die letzten beiden Bäckereien, die die 400.000 Personen mit Brot versorgt hatten, seien durch die Luftangriffe der syrischen Regierung zerstört worden, so Kern. Nach Berichten medizinischer Helfer wurden zahlreiche Krankenhäuser getroffen. Eine Versorgung der Verletzten sei kaum noch möglich.
Trotz der dramatischen Bilder, die in den den vergangenen Tagen veröffentlicht wurden, ist keineswegs gewiss, dass alle im Sicherheitsrat vertretenen Nationen für die Resolution zu einem Waffenstillstand stimmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron appellierten am Freitag in einem gemeinsamen Schreiben an Russland, der Resolution zuzustimmen.
Russland hatte den ersten von Schweden und Kuwait eingebrachten Entwurf abgelehnt und zahlreiche Änderungen gefordert. So heißt es in der überarbeiteten Fassung, dass der Sicherheitsrat einen Waffenstillstand "fordert". Ursprünglich war davon die Rede, dass der Sicherheitsrat "entscheidet", dass es einen Waffenstillstand geben müsse.
"Es können immer noch Leben in Ost-Ghuta gerettet werden"
Außerdem hatte Russland, als wichtigster Verbündeter des syrischen Regimes, gefordert, dass "Personen, Gruppen und Entitäten" mit Verbindungen zum Terrornetzwerk Al-Kaida und zur Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" von dem Waffenstillstand ausgenommen seien. Eine Präzisierung, die ebenfalls in dem überarbeiteten Entwurf berücksichtigt wurde.
Allerdings erklärten die syrische und die russische Regierung, die Kampfhandlungen richteten sich ohnehin nur gegen militärische Ziele in Ost-Ghuta. Die Rebellen in der Enklave werden von islamischen Extremisten dominiert, die von dort aus auch immer wieder Damaskus unter Beschuss genommen haben. Die Leidtragenden in dem Krieg zwischen Regierungsgegnern und Islamisten auf der einen Seite und der syrischen Armee und ihren russischen Verbündeten auf der anderen bleiben die in Ost-Ghuta lebenden Zivilisten.
jv/pg (dpa, afp, rtr)