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Neue Ansätze im Kampf gegen organisierte Kriminalität

27. Oktober 2005

Eines der zentralen Probleme in Ost- und Südosteuropa ist noch immer die organisierte Kriminalität. Auf einer Expertentagung in Berlin diskutierten Fachleute über Fakten und Gegenstrategien.

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Experten zu Gast bei der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (2. von re. Helga Konrad, OSZE)

Die Bekämpfung der organisierten Kriminalität in Ost- und Südosteuropa hat nur länderübergreifend eine Chance, unterstrichen deutsche und internationale Experten auf einer Tagung in Berlin, die gemeinsam von der Südosteuropa-Gesellschaft und der Deutschen Welle veranstaltet wurde.

Über die so genannte Balkan-Route gelangen Drogen, Schmuggelware und Falschgeld in die EU. Besorgniserregend ist zudem der Menschenhandel. Auch hier ist das Zielgebiet meist Westeuropa. Menschenhandel ist nicht nur ein Einzeldelikt, am Menschenhandel hängt eine ganze Kette von verschiedenen kriminellen Aktivitäten. Es beginnt irgendwo mit dem so genannten "Aufreißer" oder "Rekrutierer". Laut Helga Konrad, der OSZE-Beauftragten für den Kampf gegen Menschenhandel, sind dies "die Anwerber sozusagen in den Ursprungsländern, die sich an Personen heranmachen - übrigens nicht nur an Frauen. Was wir in Südosteuropa sehen, dass die Opfer immer jünger werden - Mädchen und Jungen, auch Männer, denn es geht ja nicht nur um die sexuelle Ausbeutung, sondern es gibt ja auch Menschenhandel zum Zwecke der Arbeitsausbeutung, Zwangsarbeit, Schuldknechtschaft."

In den Menschenhandel sind ferner Transporteure involviert. Hinzu kommt die Korruption an den Grenzen, die nicht selten ist, bis hin zu den Zuhältern in den Zielländern. Es müssen also ganze Netzwerke aufgedeckt werden. Daher fordern Experten wie Helga Konrad eine verstärkte internationale Zusammenarbeit. Frau Konrad betonte: "Es gibt keine Anzeichen, dass Menschenhandel wirklich zurückgeht. Also müssen wir uns Gedanken machen, was man tun kann. Und das sind Bereiche, die wir dringendst angehen müssen, weil sie ein sehr lukratives kriminelles Geschäft sind. Übrigens nicht nur in Südosteuropa, sondern weltweit."

Hohe Profite

Laut einem Bericht der europäischen Polizeibehörde Europol wird mit Menschenhandel in Europa jährlich ein Umsatz von 8,5 bis 12 Milliarden Euro erzielt. Im Bereich der sexuellen Ausbeutung sind bereits konkrete Schritte unternommen worden. Aber es ist oft schwierig, Menschenhandel überhaupt zu erkennen: Manchmal wüssten die betroffenen Menschen selbst nicht einmal, dass sie Opfer von Menschenhändlern sind, berichtet Helga Konrad: "Es ist notwendig, Menschenhandelssituationen zu erkennen. Das heißt, es geht oft nicht nur um ein einziges Zeichen, sondern oft macht eine Kombination von verschiedenen Faktoren dann den Menschenhandel aus. Denn es ist nicht jeder Migrant oder jede Migrantin, die irgendwohin arbeiten geht, auch gleichzeitig ein Opfer von Menschenhandel, klarerweise."

Nur 30 Prozent der Opfer würden dabei überhaupt identifiziert. Daher müsse die Erkennung der Opfer verbessert werden. Die OSZE-Beauftragte meint: " Es kann es zwei Richtungen geben. Auf der einen Seite muss eben auch die Polizei gestärkt werden, die muss mehr Ressourcen haben, finanzieller Art, aber auch personeller Art. Auf der anderen Seite aber müssen auch die NGOs mit eingebunden werden - sozusagen die Service-Provider für Opfer von Menschenhandel, damit die sich selber direkt an sie wenden können und Schutz und Hilfe bekommen."

Gegenstrategien

Europäische Organisationen wie die OSZE, die EU und der Europarat arbeiten mit den Regierungen in Ost- und Südosteuropa zusammen. Damit die Zusammenarbeit verbessert und Opfer identifiziert werden können, müssen in den Ländern der Region entsprechende Gesetze verabschiedet werden oder bestehende gesetzliche Regelungen verbessert werden.

Um die Wurzeln des Menschenhandels zu bekämpfen, muss sich auch die wirtschaftliche Situation in den Ländern verbessern. Die vielerorts hohe Arbeitslosigkeit müsste abgebaut werden, wenn dem Menschenhandel wirksam begegnet werden soll.

Ideenaustausch und offene Grenzen

Aleksandar Vujicic im serbischen Innenministerium Leiter der Abteilung für die Internationale Polizeikooperation, insbesondere mit Interpol, meint dazu: "Durch den Austausch von Ideen, Dienstleistungen, Menschen, Waren und Geld wird bereits Kooperation gefördert und dadurch wird ein Klima geschaffen, das ausgesprochen ungünstig ist für die Entwicklung der organisierten Kriminalität. Sie entsteht gerade in Gesellschaften, die ein gewisses Problem mit staatlichen Strukturen haben, wo es Korruption gibt, wo ein vorteilhaftes Klima besteht".

Vujicic plädiert für offenere Grenzen, denn: "Jede abgeschottete Grenze und jede neu geschaffene Grenze ist in Europa kontraproduktiv, weil mit jeder neuen Grenze der Schmuggel sowohl von Menschen als auch von Waren teurer wird".

Mit anderen Worten: Je mehr Grenzen, desto höher der Profit der Kriminellen: Wenn zum Beispiel Menschen über fünf oder sechs Grenzen - von der Türkei oder der Ukraine aus nach Deutschland - geschmuggelt werden, dann müssen die Menschenhändler an jeder Grenze jemanden haben, der ihnen den Grenzübertritt erleichtert und ermöglicht. Und jeder fordert seinen Profit. Dies fördert Vujicic zufolge in jedem Land die Schaffung organisierter Verbrecherbanden.

Mirjana Dikic
DW-RADIO, 26.10.2005, Fokus Ost-Südost