Das NSA-Fass ohne Boden
16. Januar 2014Nach neuen Enthüllungen kann der US-Geheimdienst NSA auch auf Rechner zugreifen, die nicht ans Internet angeschlossen sind. Voraussetzung sei, dass Funk-Wanzen von Agenten oder nichtsahnenden Nutzern installiert werden, berichtet nun die Zeitung "New York Times". Die Sender könnten entweder in den Computer selbst eingebaut werden oder in USB-Sticks oder Steckern versteckt werden, heißt es unter Berufung auf Dokumente und Regierungsbeamte. In anderen Fällen werde Überwachungssoftware über das Netz geladen oder über Computer-Netzwerke. Unter anderem wurden das chinesische und russische Militär sowie Computer der mexikanischen Polizei und dortiger Drogenkartelle infiziert, aber auch Handelsinstitutionen innerhalb der EU. Laut Unterlagen aus dem Fundus des Informanten und Ex-NSA-Mitarbeiters Edward Snowden richtete der US-Geheimdienst zwei eigene Rechenzentren in China ein, möglicherweise über Tarnfirmen, schreibt die "New York Times". Von dort aus könne Überwachungssoftware in Computer eingeschleust werden.
Eine von US-Präsident Barack Obama eingesetzte Expertengruppe hatte zuvor die massive Sammlung von Telefondaten verteidigt. Dieses NSA-Programm sei wichtig für den Anti-Terror-Kampf und sollte fortgesetzt werden, erklärten die Fachleute in einer Senats-Anhörung in Washington. Obama stellt an diesem Freitag seine Pläne für eine Reform der Geheimdienste vor. Er will aber laut "New York Times" nicht alle Vorschläge der Experten umsetzen. So wolle er voraussichtlich der NSA vorerst weiter erlauben, gesammelte Telefon-Metadaten zu speichern. Obama wolle aber die Privatsphäre von Ausländern stärker schützen, heißt es. Eine umfassende Reform der Geheimdienste werde es wohl nicht geben, meinen Beobachter. Der Präsident versuche den Balanceakt, Spitzenpolitiker verbündeter Staaten und Bürgerrechtler zufriedenzustellen, ohne gleichzeitig seine Geheimdienste zu verärgern, schreibt die Zeitung.
Empörung in Berlin
Deutsche Politiker reagierten indes verärgert über die Nachricht, dass die Verhandlungen über mögliches No-Spy-Abkommen zwischen den USA und Deutschland vor dem Aus stehen. Bei einer Debatte im Bundestag hagelte es scharfe Kritik aus allen Fraktionen. "Bündnispartner und Freunde behandelt man nicht wie Gegner", empörte sich der Sozialdemokrat Burkhard Lischka im Bundestag. Dass die USA dies doch täten, sei "beunruhigend, demütigend und inakzeptabel". Anlass für die Diskussion in Deutschland war unter anderem das jahrelange Abhören des Handys von Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Nicht ganz klar sind sich die Abgeordneten nun wie man den Druck auf das Weiße Haus erhöhen kann, um doch noch zu einem Abkommen zu gelangen. Zum einen wird die Möglichkeit diskutiert, den Widerstand in Washington mit der Drohung zu quittieren, andere Abkommen wie den Austausch von Bankdaten zwischen Europa und der USA (Swift) auszusetzen, zum anderen auch die Verhandlungen über eine US-europäische Freihandelszone auf Eis zu legen. Beim Verfassungsschutz wird sogar eine "strategische und systematische Überwachung" deutscher Partner diskutiert, die es bislang so nicht gegeben hat.
Reformen aus Brüssel gefordert
Die Kommission der Europäischen Union forderte indes eine Reform des Systems zur Übermittlung personenbezogener Daten in die USA. Das sogenannte Safe-Harbour-Abkommen zwischen EU und Washington ist im EU-Parlament heftig umstritten. EU-Justizkommissarin Viviane Reding sagte in Straßburg, das System müsse transparenter werden. Außerdem sollte der Zugriff in den USA auf diese Daten begrenzt werden. "Ich erwarte, dass die US-Behörden sich jetzt an die Arbeit machen und das System wirklich verbessern."
nis/re (afp, dpa)