Neuer Modus bei der EM
5. Juni 2016Erstmals wird eine Fußball-EM mit 24 Mannschaften ausgetragen. Das bedeutet: acht Teams mehr, 20 Spiele zusätzlich und damit ein ganzer Monat lang Fußball-Europameisterschaft. Nach fünf Turnieren mit 16 Teams gibt es also nach 1996 wieder eine Aufstockung, davon profitieren gleich fünf EM-Neulinge: Slowakei, Island, Wales, Nordirland und Albanien. Das Ganze ist die Konsequenz aus einem Wahlkampfversprechen Michel Platinis, der 2007 vor seiner Ernennung zum UEFA-Präsidenten versprach, dass auch kleinere Fußball-Nationen bei der EM eine Chance bekommen sollen.
Weil sich die Zahl der Mitgliedsverbände der UEFA seit den 90er Jahren durch den Zerfall der Sowjetunion und der Aufspaltung Jugoslawiens auf mittlerweile 54 erhöht hat, weil sich die UEFA offiziell das Ziel gesetzt hat, verstärkt auf K.o.-Spiele zu setzen (und weil mit vielen Spielen auch viel Umsatz gemacht werden kann) wurde das Turnier somit zum dritten Mal in seiner Geschichte aufgestockt: 1980 gab es eine Erhöhung von vier auf acht Teams, 1996 dann eine auf 16. Nun dauert die EM (10. Juni bis 10. Juli) eine Woche länger als bisher und damit praktisch genauso lang wie eine Weltmeisterschaft. Das Turnier hat ein Achtelfinale und 51 statt 31 Spiele, die in zehn Stadien ausgetragen werden: Paris, Saint-Denis, Saint-Etienne, Bordeaux, Lens, Lille, Lyon, Marseille, Nizza und Toulouse.
Der aufgeblähte Turnierkalender sorgte bei den "großen" Fußballnationen nicht unbedingt für Begeisterung: "Aus sportlicher Sicht fand ich ein 16er-Feld für eine Europameisterschaft besser und auch für die Fans reizvoller", sagte etwa Bundestrainer Joachim Löw. "Ich kann aber verstehen, dass die kleineren Nationen eine Aufstockung positiv sehen." Drei "Große" haben es trotz der gestiegenen Teilnehmerzahl nicht in die Endrunde geschafft: Die drei Ex-Europameister Niederlande, Dänemark und Griechenland scheiterten in der Qualifikation.
Wer sind die vier besten Gruppendritten?
Die Gruppenphase bestreiten die 23 Qualifikanten und Frankreich, das als Gastgeber automatisch qualifiziert ist, in sechs Vierergruppen. Das heißt: Jeder hat drei Spiele innerhalb der Gruppe und danach gute Chancen auf die K.o.-Phase: Schließlich qualifizieren sich nicht nur die beiden Gruppenersten, sondern auch die vier besten Dritten für das neu geschaffene Achtelfinale. Kompliziert wird es vor allem am letzten Gruppenspieltag, denn dann müssen die besten vier Gruppendritten ermittelt werden - ein Fall für den Rechenschieber und die Regelkenner. Und ein Vorteil für die Gruppen, die erst nach den anderen zu ihren Partien antreten müssen und wissen, welches Ergebnis "reicht".
Sind Teams innerhalb einer Gruppe nämlich punktgleich, gibt es verschiedene Kriterien: Zunächst entscheiden die Punkte im direkten Vergleich, dann die Tordifferenz im direkten Vergleich, danach die höhere Anzahl der erzielten Tore im direkten Vergleich und schließlich die bessere Tordifferenz aus allen Gruppenspielen. Weiter geht es über die höhere Anzahl der erzielten Tore in allen Gruppenspielen, das Fairplay-Verhalten bis hin zum höheren UEFA-Koeffizienten.
Danach muss man die sechs Gruppendritten untereinander irgendwie vergleichen: Auch hier gibt es einen Kriterienkatalog: 1. Punktzahl, 2. Tordifferenz, 3. Anzahl Tore, 4. "Fair play conduct" - Gelbe und Rote Karten ergeben addiert eine bestimmte Punktzahl, 5. UEFA-Koeffizient. "Im Turnier muss man nach einem Modus spielen, bei dem man eine Logarithmentafel braucht", kritisierte der ehemalige DFB-Präsident und UEFA-Exko-Mitglied Wolfgang Niersbach.
Kein Spiel um Platz drei
Die Gruppenphase endet am 22. Juni - dann ist für die ersten acht Teams bereits Schluss. Ab dem Achtelfinale wird im bekannten K.o.-System gespielt: Der Sieger der Partie kommt weiter. Steht es nach 90 Minuten unentschieden, gibt es Verlängerung (2 x 15 Minuten). Steht danach noch immer kein Gewinner fest, geht es ins Elfmeterschießen. Die K.o.-Phase ist von der UEFA bereits nach einem festen Raster festgelegt worden. So spielen etwa die Sieger der Gruppen A-D jeweils gegen einen Gruppendritten. Bis zum Finale am 10. Juli hat jeder Finalist sechs Spiele absolviert. Ein Spiel um Platz drei gibt es weiterhin nicht.
Kein Wembleytor mehr möglich
Umstrittene Tore wie bei der WM 1966 in England soll es bei der EURO 2016 nicht mehr geben - die Torlinientechnik wird nach dem erfolgreichen Einsatz bei der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien erstmals auch bei der EM eingeführt. Die UEFA entschied sich für das System "Hawk Eye", das auch in der Bundesliga zum Einsatz kommt.
"Für uns ist das eine große Erleichterung, weil dadurch einfach eine ganz wichtige Fehlerquelle reduziert wird. Die Erfahrungen aus der Bundesliga sind sehr positiv", sagte der deutsche EM-Schiedsrichter Felix Brych. Die "Torlinienrichter" wird es aber daneben auch weiterhin geben. Alle 18 EM-Unparteiischen bekommen außerdem erstmals Unterstützung von Spielanalysten, die sie mit Videos und Datenmaterial auf die Partien vorbereiten sollen. "Die Schiedsrichter sollen einen Schritt voraus sein und alles über die beiden Teams und die Spieler wissen, bevor das Match beginnt", sagte UEFA-Schiedsrichterchef Pierluigi Collina.
Zudem gibt es eine Modifizierung der umstrittenen Dreifach-Bestrafung: Ein Spieler soll bei der EM für ein Foul im Strafraum nicht mehr mit der Roten Karte bestraft werden, sofern sein Vergehen keine Tätlichkeit ist. Stattdessen sollen die Schiedsrichter dann auf Strafstoß und Gelbe Karte entscheiden. Die Entscheidung gilt zunächst für eine Testperiode von zwei Jahren. Die bisherige Regelung war von vielen prominenten Fußballern und Trainern, unter ihnen Bundestrainer Joachim Löw, massiv kritisiert worden.
Modus- und Regeländerungen machen übrigens auch vor der EM 2020 nicht halt: Dann werden 13 Gastgeber ein Pan-Europa-Turnier ausrichten - ebenfalls mit 24 Teams. "Am Ende werden sich immer die stärksten Mannschaften durchsetzen", stellte Löw klar. "Ob ein Turnier nun mit acht, 16 oder 24 Mannschaften gespielt wird, spielt für mich da keine Rolle."