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Politik

Neue Spannungen im Sudan

14. Mai 2019

In Khartum sind fünf Mitglieder der Opposition nach anhaltenden Protesten erschossen worden. Die Täter sind unbekannt, doch der Vorfall heizt die Spannungen an. Für die Zukunft des Landes steht viel auf dem Spiel.

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Sudanesische Demonstranten in Khartum 
Sudanesische Demonstranten in Khartum
Bild: Getty Images/A. Shazily

Fünf tote Oppositionelle und ein toter Armeeangehöriger: Der Beginn der neuen Woche im Sudan stand unter dem Zeichen der Gewalt. Wieder waren die Demonstranten auf die Straße gegangen, wieder hatten sie vor dem Hauptquartier des Militärs demonstriert - dieses Mal, um ihre Unzufriedenheit über das jüngst erzielte Abkommen mit der Armee zu bekunden.

Darin hatten sich beide Seiten - Militär und Opposition - über die personelle Besetzung der neuen Übergangsregierung geeinigt. Die Absprache sieht vor, bis zu den nächsten Wahlen neben der Regierung einen vom Militär kontrollierten Souveränitätsrat einzusetzen. Diesem sollen grundsätzlich auch Zivilisten angehören. Doch über dessen konkrete Besetzung soll erst in dieser Woche verhandelt werden. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, - ursprünglich bestanden sie auf einer rein zivilen Regierung - versammelten die Demonstranten sich ein weiteres Mal. Dabei fielen die tödlichen Schüsse.

Vermutungen zu den Tätern

Wer sie abfeuerte, ist derzeit noch unklar. Die Armee sprach von "nicht identifizierten Elementen" - ein Umstand, der auf eine Spaltung der Armee hindeuten könnte. Einige Demonstranten schlossen allerdings nicht aus, dass die Armeeführung selbst den Schießbefehl gegeben haben könnte, um den Druck der Straße abzuschwächen. Bereits am Montag hatte es Berichte gegeben, wonach Soldaten Demonstranten in anderen Teilen der Stadt mit Tränengas von den Straßen vertrieben hatten.

Sudan Proteste in Khartum
Entschlossen: Demonstranten in KhartoumBild: Reuters/M.N. Abdallah

Denkbar seien aber auch andere Möglichkeiten, sagt die Analystin Amani al-Tawil vom "Al-Ahram Centre for Political and Strategic Studies" in Kairo im Gespräch mit der DW. So könnten ehemaligen Mitstreiter des Sicherheits- und Geheimdienstes des gestürzten Präsidenten Omar al-Baschir für die Gewalt verantwortlich sein. "Sie könnten darauf aus sein, die Annäherung zwischen der Militärjunta und dem Bündnis für Freiheit und Veränderung zu verhindern, da sie nach der Herrschaft Al-Baschirs nun fürchten, sich vor Gericht verantworten zu müssen", so Al-Tawil. Denkbar sei aber auch, dass die Verantwortlichen unter Mitgliedern der einst ebenfalls Omar al-Baschir verbundenen Islamischen Nationalbewegung stünden, die den Militärrat auf diese Weise zwingen wollten, sie in den politischen Prozess zu integrieren.

Anderer Ansicht ist der Politanalyst Tobias Simon im. Er nimmt an, die Schüsse seien in einer ohnehin schwierigen, durch Frustration auf beiden Seiten zusätzlich angespannten Situation gefallen. Die Demonstranten seien unzufrieden, dass das Militär weiterhin an der Regierung beteiligt sei. Die Armee wiederum sei enttäuscht, dass die Proteste trotz der bereits erzielten Teileinigung fortgesetzt würden, obwohl bereits Fortschritte erzielt worden seien, so Simon im DW-Interview. 

"Grundsätzlich ist es sehr positiv, dass nun ein Fahrplan existiert, nach dem der Sudan in den nächsten Monaten und Jahren bis zur Beendigung der Übergangszeit regiert werden soll", so Simon weiter. Natürlich gebe es weiterhin einige Streitpunkte, an denen sich Konflikte weiterhin entzünden könnten. "Aber wenn man die Situation im Sudan etwa mit der in den Nachbarländern Libyen oder Ägypten vergleicht, liegt es auf der Hand, dass die Lage sich auch ganz anders hätte entwickeln können." 

Sudans Präsident Omar al-Bashir
In Haft: der ehemalige Staatspräsident Omar al-BaschirBild: Getty Images/A. Shazily

Ein schwacher Staat vor vielen Herausforderungen

Doch auch so hat der Sudan mit enormen Problemen zu kämpfen. Der Internationale Währungsfonds erwartet für das laufende Jahr eine Dämpfung der Wirtschaftsleistung um 2,3 Prozent. Die Abspaltung des Südsudans und die damit verbundenen Verluste der Ölfelder hat das Land immer noch nicht kompensiert. Auch die Aufhebung einiger US-Sanktionen im Jahr 2017 hat ihm nicht den erhofften Schwung verschafft. So lebt ein Großteil der Menschen weiterhin in Armut, die Wirtschaftsleistung pro Kopf liegt dem Internationalen Währungsfonds zufolge bei rund 1960 US-Dollar pro Kopf.

So ist der Sudan auf Hilfe von außen angewiesen. Die könnte er künftig verstärkt auf zweierlei Weise erhalten, sagt die Politanalystin Amani al-Tawil. "So können die Golfstaaten den Sudan auf wirtschaftlicher Ebene unterstützen. Ägypten dagegen könnte dem Sudan durch politische Konsultation oder militärischem Beistand unter die Arme greifen. So ließe sich der Zusammenbruch des Staates verhindern." Dadurch gerate der Sudan aber auch in Abhängigkeit von seinen Partnern.

Sudan-Proteste in Bildern

 

Ebenfalls offen ist die ideologische Entwicklung des Landes. Das Militär hat bereits angekündigt, die Scharia werde weiterhin Rechtsgrundlage des Landes bleiben. Zwar sei das Militär eher gemäßigt und habe keine große Sympathie für radikale islamistische Kräfte, so Tobias Simon. Doch gemäßigte Islamisten dürften auch weiterhin eine Rolle in der Regierung spielen.

Europa als potentieller Partner

Gelingt es den Konfliktparteien, ihre Auseinandersetzung friedlich zu regeln, dürften sie auch auf Unterstützung aus Europa hoffen. Denn der Sudan gilt als bedeutendes Transitland für Flüchtlinge. Derzeit leben dort rund eine Million Menschen, die aus dem Südsudan, aber auch aus Eritrea geflohen sind. Zudem gilt er als Passage für viele Menschen aus Zentral- und Ostafrika, die sich auf dem Weg nach Libyen befinden, um von dort nach Europa überzusetzen.

Die EU bemüht sich, die Flüchtlingsbewegungen zu kontrollieren. Dazu ist sie auch auf den Sudan angewiesen. Auch im Kampf gegen extremistische Gruppen in der Sahelzone gilt der Sudan als Partner. Gelingt es, den Konflikt im Zaum zu halten, könnte das Land auf weitere Unterstützung rechnen.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika