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Ein neuer Präsident - ein neuer Anfang

13. Januar 2010

Mitten in den kroatischen Präsidentschaftswahlen kündigte Serbien eine Völkermordklage gegen den Nachbarn an. Kann der neue Präsident Ivo Josipović die Lage jetzt entschärfen?

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Symbolbild: Eine kroatische und eine serbische Flagge (Foto: DW)
Josipović möchte das frostige Klima zwischen den Nachbarn auftauenBild: DW

Wenn sich der neue kroatische Präsident Ivo Josipović Ende Februar an seinen Schreibtisch setzt, hat er keine Zeit zu verlieren, denn im Wahlkampf hat er viel versprochen. Die kroatische Wirtschaft strauchelt und auch in den Beziehungen zu den Nachbarn gibt es noch einiges zu lösen.

Zwar trifft sich Premierministerin Jadranka Kosor am Mittwoch (13.01.2010) in Kranjska Gora mit ihrem slowenischen Amtskollegen Borut Pahor, um die letzten offenen Streitereien über den Grenzverlauf zu Land und zur See zu besprechen - aber mit seinem südlichen Nachbarn Serbien wird sich Josipović sicherlich noch längere Zeit beschäftigen müssen. Nach dem Krieg in den 90er Jahren mangelt es an gegenseitigem Vertrauen.

Klage und Gegenklage

Kroatiens scheidender Präsident Stipe Mesić (Foto: AP)
Stipe Mesić hinterlässt seinem Nachfolger einige ProblemeBild: AP

So lieferte sich Kroatiens scheidender Präsident Stipe Mesić noch kurz vor Ende seiner Amtszeit mit seinem serbischen Amtskollegen Boris Tadić Verbalattacken. Belgrad fühlte sich von Mesićs Handlungen immer wieder provoziert.

Zuerst begnadigte er einen kroatischen Kriegsverbrecher, der wegen der Ermordung von serbischen Zivilisten verurteilt worden war. Dann stattete er praktisch seinen letzten Staatsbesuch dem Kosovo ab, dessen Unabhängigkeit Belgrad nicht anerkennt. Erschwerend kommt aus serbischer Sicht hinzu, dass Kroatien als einer der ersten Staaten Kosovo anerkannt hat.

Zudem beschuldigen sich die einst kriegführenden Nachbarn gegenseitig des Völkermords. Noch im Jahr 1999 reichte Kroatien gegen Serbien vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) Klage ein. Ende 2009 kündigte dann Belgrad eine "Gegenklage" vor dem IGH an. Die Kroatische Regierung reagierte pikiert: Die Kroaten hätten sich schließlich nur gegen einen Angriff von Miloševićs Truppen verteidigt, so ihr Argument.

Offen für Lösungen

Ivo Josipović auf einem Sessel (Foto: Josipovic)
Der neue Präsident sieht Fortschritte in den BeziehungenBild: Josipovic

Josipović erklärte zwar, gutnachbarschaftliche Beziehungen gehörten zu den Prioritäten in seiner Amtszeit, die Klage gegen Serbien zurückzuziehen halte er jedoch nicht für angebracht.

Seiner Meinung nach habe das Gerichtsverfahren nämlich auch positive Effekte gehabt. So hätten Forderungen an den früheren Kriegsgegner zur Vertrauensbildung beigetragen: "Heute arbeiten wir ernsthaft daran, den Verbleib der vermissten Personen aufzuklären. Das Verfahren zur Rückgabe der Beutekunst ist angelaufen. Serbien hat eine Sonderstrafkammer für Kriegsverbrechen, die nach meiner Meinung sehr gut arbeitet. Serbien arbeitet mit dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal zusammen."

Allerdings ist noch einiges zu tun. Serbien müsse die flüchtigen Anführer der bosnischen bzw. kroatischen Serben Ratko Mladić und Goran Hadžić fassen, fordert er: "Wenn wir diese Ziele auf eine andere Weise erreichen können, sehe ich auch keinen Grund die Klagen weiter voranzutreiben", sagt Josipović.

Fachmann mit beratender Funktion

Das Gerichtsgebäude des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag (Foto: dpa)
der Internationaler Gerichtshof soll über Völkermordklagen entscheidenBild: picture-alliance / dpa

Josipović, selbst ein Professor für internationales Recht, räumt Serbiens Klage gegen Kroatien keine Chancen ein: "Diese Klage hat meiner juristischen Einschätzung nach keinerlei Aussicht auf Erfolg. Es handelt sich wohl eher um ein innenpolitisches Kalkül Belgrads." Deshalb geht er gelassen mit der Ankündigung Belgrads um: "Ich bin mir sicher, dass Kroatien die Klagen entkräften wird." Allerdings möchte er auch eine außergerichtliche Einigung nicht ausschließen.

Letztlich entscheidet aber nicht der Präsident, ob Kroatien seine Klage aufrechterhält, sondern die Regierung. Premierministerin Kosor möchte daran festhalten. Josipović kann zwar als künftiger Präsident die Außenpolitik mitbestimmen, allerdings nur in beratender Funktion.

Klage Serbiens kontraproduktiv

Der Zagreber Politikwissenschaftler Branko Caratan glaubt allerdings, dass beide Seiten ihre Klagen zurückziehen werden. Dies sei nur eine Frage der Zeit. Seiner Meinung nach, ist die Klage Serbiens "nicht sehr hilfreich." Sie habe eher diejenigen Kroaten auf den Plan gerufen, die ohnehin gegen eine Verbesserung der Beziehungen zu Serbien sind. Die Klage hätte demnach kontraproduktiv gewirkt.

Allerdings sieht er den künftigen Präsidenten als besonnen. Deshalb geht er davon aus, dass dieser "Schritte unternehmen wird, um die Beziehungen zu Belgrad zu verbessern".

Caratan zufolge hat der scheidende Präsident Mesic sein Amt im Jahr 2000 noch zu einer konfliktreichen Zeit angetreten, als Kompromisse schwer waren. Nun sei es an der Zeit, die politischen Probleme mit kühlem Kopf und Argumenten und nicht mit Gewalt und Druck zu lösen, so der Politologe.

Beziehungen besser als der Schein?

Serbiens Präsident Boris Tadić vor einer serbischen Flagge (Foto: dpa)
Serbiens Präsident zwischen Kritik und versöhnlichen WortenBild: Petar Labrador

Trotz des jüngsten diplomatischen Schlagabtauschs bemüht sich der serbische Präsident Boris Tadić um versöhnliche Worte. Seinen neuen kroatischen Amtskollegen beglückwünschte er mit den Worten: "Die Zukunft aller Volksgruppen und Staaten in der Region liegt in der EU, dort müssen wir gute Nachbarn und Freunde sein."

Serbien und Kroatien hätten eine entscheidende Rolle beim Übergang des Westbalkan in eine Zone der Stabilität und Entwicklung gespielt. Die Voraussetzungen für diese Politik seien "der Aufbau eines Rechtsstaates, die Achtung der Gegensätze und das Erkennen der gemeinsamen wirtschaftlichen Ziele und Werte."

Autor: Goran Prokopec / Mirjana Dikic

Redaktion: Fabian Schmidt