Brennans Weg zum CIA-Chef
15. Januar 2013New York, Mitte der 1970er Jahre: Ein Bus schaukelt durch die Straßen der Bronx. Darin der junge John Owen Brennan aus New Jersey: Sohn irischer Einwanderer, katholische Grundschule, katholische Highschool und nun auf seinem gewohnten Weg zur Fordham University, eine Jesuitenhochschule. Studien- und vermutlich Lebensziel: Priester.
Doch das ändert sich, als Brennan seine "New York Times" aufblättert und eine Anzeige sieht: Die CIA - einer der Auslands-Geheimdienste der USA - sucht Agenten. Und Priesterkandidat Brennan aus New Jersey schlägt einen Weg ein, der ihn nach 25 Dienstjahren und einem Gastspiel in der Privatwirtschaft nun wohl an die Spitze des mächtigen Geheimdienstes "Central Intelligence Agency" führen wird.
Obamas oberster Spion
Wenn der Senat keine Einwände hat, ist Brennan bald Obamas oberster Spion: 57 Jahre alt, verheiratet, Vater von drei Kindern, seit vier Jahren höchster Experte für Terrorbekämpfung im Weißen Haus, besessen und unermüdlich. "Ruhepausen? So etwas mache ich nicht", sagt Brennan. Und Obama nennt dessen Arbeitswut "legendär, sogar nach den Maßstäben des Weißen Hauses. Ich bin nicht sicher, ob er in den vergangenen vier Jahren überhaupt geschlafen hat."
Auch seine weiteren Eigenschaften lassen Brennan für das Amt wie gemacht erscheinen: Er kennt das "operative Geschäft" - war also selber Schnüffler und Spion. Zudem ist er ausgewiesener Nahost-Experte, spricht Arabisch und leitete unter anderem das CIA-Regionalbüro für den Nahen Osten in Saudi-Arabien. Das sind nützliche Kenntnisse in einer Zeit, in der die USA Bedrohungen ihrer Sicherheit vor allem aus muslimischen Ländern vermuten.
Wird Brennans CIA eine "Terroristen-Tötungsmaschine"?
"Meines Erachtens ist es positiv zu bewerten, dass Obama einen ausgewiesenen Fachmann als CIA-Direktor nominiert hat und keinen Politiker von außen und auch keinen Militär", sagt Politikwissenschaftler Jörg Wolf im DW-Gespräch. "Wenn ein Militär die CIA leitet, besteht die Gefahr, dass sie zur 'Terroristen-Tötungsmaschine' verkommt. Das war ein Vorwurf, als Brennans Vorgänger General Petraeus nominiert wurde." Nun sei mit Brennan ein Mann nominiert, der auch die Analyseabteilung sehr gut kenne. Das sei ein Anzeichen dafür, dass die CIA jetzt zurückkehre zu ihren Grundaufgaben, meint Experte Wolf. Er arbeitet für die "Atlantische Initiative" - ein Verein, der sich um die deutsch-amerikanische Freundschaft bemüht und unter seiner Leitung auch einen "think tank" betreibt, eine sogenannte Denkfabrik.
"Brennan ist außerdem ein enger Vertrauter von Präsident Obama und hat mit ihm in den vergangenen vier Jahren sehr gut zusammengearbeitet", erklärt der Berliner Politikwissenschaftler. "Brennan hat eine starke Rolle gespielt - sowohl bei der Operation, die zur Tötung von Bin Laden geführt hat, als auch beim Drohnenprogramm."
Letzteres werfen Kritiker dem bullig wirkenden Brennan nun vor: Seine Rolle als unermüdlicher Motor des US-Drohnenprogramms. Die unbemannten Flugkörper schwärmen zu gezielten Todesschüssen nach Pakistan, in den Jemen oder nach Somalia aus. Die USA führen für diesen Drohnenkrieg eigens eine "Tötungsliste" - US-Medien zitieren dazu einen kritischen Sicherheitsexperten: "Woche für Woche kommt Brennan mit dieser Liste von Menschen, die er tot sehen möchte. Ich sehe nicht, wie sich das ändern soll, wenn er nun auch noch CIA-Chef wird."
"Vor seiner Ernennung sollten wir eine Debatte führen"
"Nach allem, was wir wissen, ist Brennan der Architekt dieser Drohnen-Eskalation", sagt der US-Politikjournalist Alex Seitz-Wald der DW. "Auch die Tötungsliste geht auf ihn zurück. Ich sage ja gar nicht unbedingt, dass ein CIA-Chef Brennan verhindert werden muss. Aber vor Brennans Ernennung sollten wir eine richtige Debatte über diese Programme führen."
Brennan selbst verteidigte im April leidenschaftlich seine Beteiligung an dem größtenteils geheimen Programm und lobte "die chirurgische Genauigkeit, die Möglichkeit, mit laserscharfer Präzision diesen krebsartigen Tumor zu entfernen, der sich Al-Qaida-Terrorist nennt, und das darum liegende Gewebe so wenig wie möglich zu beschädigen."
Kritik an Brennans Haltung zu "verschärften Verhörmethoden"
Ein zweiter, gewichtiger Vorwurf an Brennan: Er habe als hochrangiger CIA-Mitarbeiter unter Präsident Bush Foltermethoden bei Verhören geduldet. "Er war bei der CIA zu einer Zeit, als diese Geheimgefängnisse unterhielt und Häftlinge von einem Land ins andere verbrachte", sagt Seitz-Wald, der seine Analysen auf Internetseite salon.com veröffentlicht. "Und es gab unter der Bush-Regierung die 'verschärften Verhörmethoden' - das war im Grunde Folter. Dinge, von denen wir als Land nun erkannt haben, dass sie falsch waren."
All das bekam Brennan schon einmal zu hören - und zwar im Herbst 2008, als er zum ersten Mal Obamas Kandidat für den CIA-Chefposten war. Damals wies Brennan die Kritik zwar zurück, stand aber nach soviel öffentlicher Schelte für den Posten nicht mehr zur Verfügung.
Die vier Jahre seitdem hat er gut genutzt: Als Topberater bei der Terrorbekämpfung hält Brennan den Präsidenten bisweilen mehrmals täglich auf dem Laufenden. Als US-Soldaten den Terroristenführer Osama bin Laden töten, verfolgt Brennan das Geschehen mit Barack Obama, Hillary Clinton und anderen maßgeblichen Politikern auf den Monitoren des Weißen Hauses. Brennan überbringt dem Präsidenten die Nachricht vom Attentäter, der in einer Kinopremiere zwölf Menschen erschießt. Und auch über das Grundschulmassaker in Newtown muss er Obama informieren.
"Leben nehmen, um Leben zu schützen"
Mit Brennan nimmt Obamas neues außen- und sicherheitspolitisches Team weiter Form an. Außenminister ist nun John Kerry, zum Verteidigungsminister macht der Präsident den Vietnam-Veteranen Chuck Hagel - allesamt "old hands", alte Hasen, die die Dinge ähnlich wie Obama sehen: Pragmatisch im Umgang mit Schurken- und anderen Staaten, moderat im Ton, aber hart in der Sache, wenn es US-Interessen zu wahren gilt. "Leider muss man manchmal Leben nehmen, um Leben zu schützen" - sagt John Brennan, der fast einmal Gottesmann geworden wäre.