Die USA ziehen ab
3. Februar 2012Die USA müssen im Verteidigungshaushalt sparen, um das staatliche Defizit zu senken. In den nächsten zehn Jahren sollen 487 Milliarden Dollar aus dem bislang üppigen Haushalt des Pentagon gestrichen werden. In diesem Jahr liegt der Verteidigungshaushalt der Supermacht noch bei 525 Milliarden Dollar. Besonders teuer waren die Missionen im Irak und in Afghanistan. Diese Operationen sind beendet oder laufen aus, deshalb brauchen die USA weniger Kampftruppen am Boden. Das Heer soll von 570.000 auf 490.000 Frauen und Männer verkleinert werden. Diese Rahmendaten hat der amerikanische Verteidigungsminister Leon Panetta seinen Kollegen aus den übrigen 27 NATO-Staaten bei ihrem Treffen in Brüssel noch einmal erläutert.
Minister: Abzug der US-Brigaden nicht "dramatisch"
Die USA wollen aus zwei Kampfbrigaden abziehen. Der größte Teil der Soldaten wird wohl aus Deutschland verlegt werden. Einzelheiten werden im April bekanntgegeben, so ein Sprecher des Pentagons, des amerikanischen Verteidigungsministeriums. Der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière sagte in Brüssel auf eine Frage der DW, die USA stünden unvermindert zur NATO als dem wichtigsten Militärbündnis: "Der Abbau von US Soldaten von derzeit etwas über 40.000 auf gut 35.000 in Deutschland ist nicht dramatisch. Europa bleibt der wichtigste Stationierungsort für die USA außerhalb Amerikas. Ich habe keinerlei Grund an der NATO-Verpflichtung und an der inneren Bindung Amerikas an Europa zu zweifeln."
Nach dem Ende des Kalten Krieges - der Konfrontation zwischen der NATO und dem kommunistischen Warschauer Pakt in Europa - haben die USA ihre Truppenstärke in Europa bereits von 230.000 auf 81.000 heruntergefahren. Europa dient für Bodentruppen der USA hauptsächlich als Versorgungs- und Nachschubstation für Einsätze im Mittleren Osten und Vorderasien. Der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière meinte, dadurch habe sich die Sicherheit in Europa nicht verringert, sondern der Abzug sei einfach einer veränderten militärischen Bedrohungslage geschuldet. Auch andere NATO-Verbündete, Deutschland eingeschlossen, verringern ihre Truppenstärken und schließen Standorte. "Wenn die Amerikaner das gleiche tun, kann man sie schlecht dafür kritisieren", meinte ein NATO-Diplomat in Brüssel.
Der amerikanische Verteidigungsminister Leon Panetta wies darauf hin, dass die Europäer in Zukunft wahrscheinlich eher mehr US-Soldaten sehen werden als bislang. Denn die beiden großen Übungsplätze in den deutschen Städten Baumholder und Grafenwöhr sollen weiter genutzt werden, um Truppen auf Einsätze vorzubereiten. "Die Übungsplätze sind für viel Geld mit teurer Logistik ausgestattet worden. Die Amerikaner wären nicht klug, das aufzugeben", so ein NATO-Diplomat. "Die Bürgermeister in der Region müssen sich keine Sorgen machen." Allerdings werden die Familien der dann ständig rotierenden Truppen nicht mehr in den Standorten Baumholder und Grafenwöhr wohnen.
Ramstein ist keine Überraschung
Die Einrichtung der Zentrale für die geplante Raketenabwehr der NATO im rheinland-pfälzischen Ramstein ist kein Ausgleich für den geplanten Abzug und war auch nicht als solcher gedacht, heißt es von NATO-Offiziellen. In Ramstein befindet sich bereits das Hauptquartier der US-Luftwaffe und die NATO-Luftraumüberwachung für Europa. Deshalb sei es nur logisch, dort auch die Raketenabwehr anzusiedeln. Der Sprecher der Luftwaffenbasis in Ramstein sagte, das Personal dort werde wahrscheinlich von 400 auf 500 Personen aufgestockt. Der Ausbau werde mindestens zwei Jahre dauern.
Die Veränderung der NATO-Kommandostruktur, die sich den neuen Aufgaben der NATO anpasst und dem Spardruck folgt, war bereits im Sommer 2011 von der NATO beschlossen worden. Damit das NATO-Kommando in Ramstein bleiben kann, wird eine ähnliche Einrichtung im türkischen Izmir geschlossen. In Ramstein werden keine neuen Waffen zum Abschuss von Raketen installiert, sondern Computersysteme aufgestellt, die die Daten von Frühwarn-Radar-Anlagen aus ganz Europa vernetzen und auswerten.
Neue Herausforderungen
Mit dem Abzug von Kampftruppen aus Europa richten die USA ihr Augenmerk und ihre finanziellen Mittel verstärkt auf Asien und den pazifischen Raum. Dafür, dass neue Herauforderungen angenommen würden, habe er vollstes Verständnis, sagte Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière in Brüssel. Herausforderungen kommen auf die USA im Pazifik vor allem durch China zu, das seit Jahren massiv aufrüstet. Das US-Verteidigungsministerium möchte seine Marine im Pazifik modernisieren, intelligenter bewaffnen und die Präsenz zum Beispiel in Australien erhöhen. Gestärkt wird die Marine aber auch in Europa. Schon vor Monaten wurde bekannt, dass die US-Marine neue Schiffe in Spanien stationieren will.
US-Präsident Barack Obama hatte nur wenige Monate vor dem NATO-Gipfel in Chicago im Mai angekündigt, die US-Armee folge einer neuen Strategie und werde "flexibler und schneller" reagieren können. Verteidigungsminister Panetta und die NATO-Kollegen waren sich in Brüssel offenbar einig, dass sie künftig auf Kriegsführung über das Internet, unbewaffnete Drohnen, Spezialeinheiten und eine mobilere Luftwaffe und Marine setzen müssen. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sagte, alle 28 Verbündeten hätten dem Konzept zugestimmt. Das System taufte man "smart defence", also kluge Verteidigung. Die Klugheit soll vor allem dazu führen, dass die Verteidigungshaushalte im Zeichen der Schuldenkrise in Europa weiter sinken können. Rasmussen sagte, "smart defence" zwinge die Europäer zu besserer Zusammenarbeit und Kooperation bei Rüstungsvorhaben. Nicht jede Armee eines Staates müsse alles können. Als Beispiel nannte der NATO-Generalsekretär die gemeinschaftliche Beschaffung von unbemannten Drohnen zur Luft-Aufklärung.
NATO-Diplomaten gehen davon aus, dass auf die Europäer neue Aufgaben zukommen. Bei Sicherheitsfragen könne man nicht mehr wie bisher automatisch nach den Amerikanern rufen. Die USA erwarten, dass sich die europäischen NATO-Partner bis zu einem gewissen Punkt selbst helfen. Leon Panetta, der amerikanische Verteidigungsminister, betonte, die USA seien trotz aller Sparmaßnahmen weiterhin weltweit in der Lage mit ihren Partnern für Sicherheit zu sorgen und zeitgleich zwei Konflikte auszutragen, zum Beispiel gegen Nordkorea und den Iran.
Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Diana Hodali