Neues Ungemach für Dilma Rousseff
12. März 2016Es wird eng für Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Rousseff. Bei einem Parteitag des Partido do Movimento Democrático Brasileiro (PMDB) votierten die Delegierten in Brasilia mehrheitlich für einen möglichen Bruch der Koalition mit Rousseffs linker Arbeiterpartei. In den nächsten 30 Tagen soll kein neu zu besetzender Regierungsposten, der der Partei zustünde, mehr mit PMDB-Mitgliedern besetzt werden. Nach Ablauf der 30 Tage soll die Parteiführung um Vizepräsident und Parteichef Michel Temer , der im Amt bestätigt wurde, dann eine endgültige Entscheidung treffen.
Das Land ist in einer tiefen wirtschaftlichen und politischen Krise, die Zustimmung zu Rousseff (Artikelbild) liegt nur noch bei knapp zehn Prozent. Temer betonte, "es ist jetzt nicht die Stunde, die Brasilianer zu spalten." Der PMDB ist Rousseffs wichtigster Koalitionspartner, sie hat sechs Ministerposten und stellt mit ihm den Vizepräsidenten.
Die Partei ist in ihrem Verhältnis zur Arbeiterpartei gespalten. Parlamentspräsident Eduardo Cunha, gegen den wegen des Verdachts der Annahme von fünf Millionen Dollar Schmiergeld ermittelt wird, ist mit Rousseff verfeindet und blockiert wichtige Reformen im Kongress. Der Gouverneur von Rio de Janeiro, Luiz Fernando Pezão, sagte dem Portal "Globo" dagegen: "Ich bin total gegen einen Bruch."
Mehrere Krisen gleichzeitig
In Rio finden im August die Olympischen Spiele statt, ein Ende der Koalition könnte die Lage im fünftgrößten Land der Welt verschärfen - es droht eine völlige Handlungsunfähigkeit. Rousseff hat mit mehreren Problemen zugleich zu kämpfen: Die Wirtschaftsleistung ist eingebrochen, die Inflation lag 2015 bei 10,7 Prozent, die Arbeitslosenzahl überstieg neun Millionen. Vor allem aber wirft die Opposition Rousseff vor, von dem großen Korruptionsnetz gewusst zu haben. Zudem gibt es Vorwürfe wegen ihrer Wahlkampffinanzierung bei der Wiederwahl 2014.
Ihrem Vorgänger Luiz Inacio Lula da Silva droht wegen Ungereimtheiten um eine Immobilie Untersuchungshaft und eine Anklage. Er bestreitet den Vorwurf, dass das Apartment an der Atlantikküste eine Schenkung eines Baukonzerns sein könnte. Um Aufträge von Petrobras zu bekommen, zahlten führende Bauunternehmen jahrelang Schmiergelder an Politiker. Nicht nur die Arbeiterpartei ist davon betroffen. Die konservative Opposition fordert den Rücktritt der Präsidentin und leitete ein Amtsenthebungsverfahren ein.
Rücktritt ausgeschlossen
Bisher schließt die seit 2011 regierende Rousseff einen Rücktritt wegen des Petrobras-Skandals aus. "Niemand hat das Recht, den Rücktritt eines gewählten Staatsoberhauptes zu fordern, ohne konkrete Beweise für ein Fehlverhalten vorzulegen", erklärte Rousseff noch am Freitag vor Journalisten. Die Vorwürfe gegen sie bezeichnete Rousseff als haltlos.
Ihren Gegnern warf Rousseff vor, eine politische Krise verursacht und der Wirtschaftsentwicklung geschadet zu haben. Sie verteidigte ihren Vorgänger. Den Antrag der Staatsanwaltschaft von São Paulo, Lula in Untersuchungshaft zu nehmen, bezeichnete Rousseff als "vollkommen ungerechtfertigt". Die Frage, ob sie Lula in ihr Kabinett aufnehmen werde, damit er Immunität bekomme, wollte Rousseff nicht kommentieren, wie die Zeitung "O Globo" berichtete. Rousseff war während Lulas Amtszeit erst Energieministerin, später Kabinettschefin.
Nach den Korruptionsermittlungen gegen Rousseffs Förderer Lula sind für Sonntag Massenproteste für eine Amtsenthebung der bis Ende 2018 gewählten früheren Guerillakämpferin geplant. Die Organisationsbündnisse Vem Pra Rua und Movimento Brasil Livre rechnen damit, dass mehr Menschen als vor einem Jahr auf die Straße gehen. Damals waren es bei den bisher größten Demonstrationen gegen Rousseff mehr als 800.000 gewesen. Schwerpunkte werden São Paulo und Rio de Janeiro sein.
stu/wl (dpa, epd)