1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Saudi-Arabiens Sportswashing: Aufkauf der Stars geht weiter

16. August 2023

Mit dem brasilianischen Nationalspieler Neymar wechselt der nächste Fußball-Superstar nach Saudi-Arabien. Immer mehr Profis folgen dem finanziellen Lockruf - und schweigen zu politischen Fragen.

https://p.dw.com/p/4VE5o
Neymar im Trikot des saudischen Klubs Al-Hilal, er streckt die Zunge raus.
Zum Scherzen aufgelegt: Neymar im Trikot des saudischen Klubs Al-HilalBild: Balkis Press/ABACA/picture alliance

"Ich bin hier in Saudi-Arabien - ich bin ein Hilali", verkündete Neymar in einer Videobotschaft. Als nächster Fußball-Superstar wechselt der 31 Jahre alte Brasilianer nach Saudi-Arabien. Angeblich zahlt der saudische Klub Al-Hilal für Neymar eine Ablöse von knapp 100 Millionen Euro an Paris St. Germain. 2017 war der Offensivspieler für die bisherige Rekordsumme von 222 Millionen Euro vom FC Barcelona zum französischen Serienmeister gestoßen.

Neymars neuer Arbeitgeber Al-Hilal ist mit vier Titeln der Rekordsieger der asiatischen Champions League. Die Saudi Professional League, die neben der japanischen und der südkoreanischen Ligen zu den Top 3 des asiatischen Fußballverbands AFC zählt, verbucht damit den nächsten Neuzugang eines Superstars, der zuvor sein Geld in Europa verdient hatte.

Den Anfang hatte im Januar der fünfmalige Weltfußballer Cristiano Ronaldo gemacht. Der 38 Jahre alte Portugiese steht beim Klub Al-Nassr unter Vertrag, angeblich kassiert er 200 Millionen Euro pro Jahr. Dem Ruf des großen Geldes folgten auch andere Stars im fortgeschrittenen Fußballalter wie der Franzose Karim Benzema (von Real Madrid zu Al-Ittihad), der Algerier Riyad Mahrez (Manchester City zu Al-Ahli), der Senegalese Sadio Mané (FC Bayern München zu Al-Nassr).

Auch den wechselwilligen französischen Vizeweltmeister Kylian Mbappé köderten die Saudis mit einem geradezu unmoralischen Angebot: Bei Al-Hilal könnte der 24-Jährige nach Medienberichten 700 Millionen Euro im Jahr verdienen. Im Augenblick sieht es allerdings eher aus, als bliebe Mbappé bei PSG, zumindest zunächst. Der sechsmalige Weltfußballer Lionel Messi aus Argentinien, der bereits als "Tourismusbotschafter" für Saudi-Arabien wirbt, schlug ein Angebot Al-Hilals - angeblich mit einem Jahresgehalt von 400 Millionen Euro - aus und heuerte beim US-Klub Inter Miami an.

Cristiano Ronaldo im Trikot von Al-Nassr während eines Spiels, er fixiert den Ball.
Christiano Ronaldo trägt seit Januar das Trikot von Al-NassrBild: FAYEZ NURELDINE/AFP/Getty Images

Die US-Liga hatte bereits Ende der 1970er Jahre alternde Fußball-Stars erfolgreich mit hohen Gehältern angelockt, wie die brasilianische Legende Pelé, die deutschen Weltmeister Franz Beckenbauer und Gerd Müller, den Niederländer Johan Cruyff oder auch Bobby Moore, Kapitän der englischen Weltmeisterelf von 1966. Damals ging es darum, Fußball in den USA populärer zu machen, was auch gelang.

Weniger Erfolg hatten Mitte der 2010er Jahre die Vereine der chinesischen Liga, die in großem Stil begannen, westliche Stars zu verpflichten. Ziel der Staatsführung in Peking war es, China im Fußball schnell an die Weltspitze zu führen. Das Experiment misslang - auch weil sich die chinesischen Klubs massiv verschuldeten.

Sport-Investmentfirma gegründet

Diese Gefahr besteht in Saudi-Arabien nicht, Geld ist dort reichlich vorhanden. Massive Investitionen in den Sport sind zudem Teil des Entwicklungsplans "Vision 2030", mit dem der saudische Kronprinz Mohammed Bin Salman, der als Ministerpräsident längst der starke Mann im Staat ist, das Land modernisieren und unabhängiger von den Öleinnahmen machen will. Bin Salman ist Vorsitzender des saudischen Staatsfonds PIF (Public Investment Fund), der nach eigenen Angaben über Finanzmittel in Höhe von 778 Milliarden US-Dollar verfügt, das sind umgerechnet rund 710 Milliarden Euro.

Seit Jahren investiert der PIF in den Sport, zum Beispiel in die neue Golf-Turnierserie LIV, die Formel 1 und auch den Fußball. 2021 übernahm der PIF 80 Prozent der Anteile am englischen Premier-League-Klub Newcastle United. Seit vergangenem Juni hält der saudische Fond auch 75 Prozent der Anteile an den heimischen Topklubs Al-Ittihad, Al-Nassr, Al-Hilal und Al-Ahli und ermöglichte ihnen die spektakulären Transfers von Ronaldo über Benzema bis Neymar.

Anfang August gründete der PIF das Unternehmen SRJ Sports Investments, "um die Position Saudi-Arabiens als eine der weltweit führenden Sport- und Unterhaltungsdestinationen zu stärken", wie der Fond mitteilen ließ. Die Regierung institutionalisierte damit ihr finanzielles Engagement im Sport. Eine Bewerbung um ein Mega-Ereignis wie eine Fußball-Weltmeisterschaft oder Olympische Spiele erscheint nur noch eine Frage der Zeit.

Andauernde Menschenrechtsverletzungen

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch werfen Saudi-Arabien seit langem Sportswashing vor. Damit ist die Strategie von Regierungen gemeint, mit Hochglanz-Sportveranstaltungen von Menschenrechtsverletzungen abzulenken. Amnesty verweist unter anderem auf die hohe Zahl an Hinrichtungen in Saudi-Arabien - "viele von ihnen nach äußerst unfairen Prozessen" - sowie auf eine hohe Zahl von verhängten Haftstrafen zwischen zehn und 45 Jahren für Menschen, die sich friedlich im Internet geäußert hätten. Zudem sind Frauenrechte in Saudi-Arabien trotz einiger Reformen weiter eingeschränkt, Homosexualität ist strafbar.

Amnesty hatte Cristiano Ronaldo nach seinem Wechsel aufgefordert, seine Popularität zu nutzen, um auf Menschenrechtsverletzungen in dem Land hinzuweisen. Der Portugiese hat allein auf Instagram 600 Millionen Follower. Dort versorgt er seine Fans jedoch nur mit sportlichen und privaten Posts und enthält sich politischer Äußerungen. Saudi-Arabiens fußballerischer Neuzugang Neymar unterstützte im vergangenen Jahr im brasilianischen Präsidentschaftswahlkampf den damaligen rechtspopulistischen Amtsinhaber Jair Bolsonaro und sorgte damit international für Schlagzeilen. Als glühender Kämpfer für die Menschenrechte gilt auch er eher nicht.

Sportswashing: Englands Fußball und die Saudis

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter