Rassismus in der NFL
7. September 2017Als Michael Bennett auf dem Asphalt lag, das spitze Knie in seinen Rücken gerammt wurde und er die Waffe an seinen Kopf spürte, da war er auf einmal kein schillernder Star aus der American Football-Liga NFL mehr. Bennett war nur noch ein gewöhnlicher dunkelhäutiger Afro-Amerikaner, der um sein Leben fürchtete.
"Meinen Schädel wegblasen"
Es ist ein schockierender Erlebnisbericht, den der 31-Jährige am Mittwoch auf seinem Twitter-Kanal veröffentlichte.
Der Profi von den Seattle Seahawks schrieb in seinem offenen Brief, wie er am Rande des Boxkampfes zwischen Floyd Mayweather und Conor McGregor Ende August zum Opfer von Polizeigewalt wurde. In dem Statement mit der Überschrift "Gleichheit" berichtet der Defensivspieler, wie er nach dem Kampf die Halle in Las Vegas verließ, als er und Hunderte Menschen "etwas hörten, was nach Schüssen klang" und davonliefen. Daraufhin sei Bennett von Polizisten gestoppt und auf den Boden gedrückt worden.
Als ihm Handschellen angelegt wurden, habe ein Polizist eine Waffe an Bennetts Kopf gerichtet. "Er warnte mich, dass wenn ich mich bewege, er 'meinen Schädel wegblasen' würde", schrieb der Footballer.
"Ich werde sterben, weil ich dunkelhäutig bin"
"Die übermäßige Gewalt des Polizisten war unerträglich. Ich fühlte mich hilflos, als ich mit angelegten Handschellen auf dem Boden lag und der Bedrohung entgegenblickte, getötet zu werden", beschrieb Bennett: "Alles, woran ich denken konnte, war: 'Ich werde sterben, weil ich dunkelhäutig bin und meine Hautfarbe auf irgendeine Weise eine Gefahr ist.'"
Als auf dem Revier die Identität des Profi-Footballers festgestellt wurde, sei Bennett sofort freigelassen worden, allerdings "ohne legitime Begründung für das misshandelnde Verhalten des Polizisten".
Polizei: Kein "Racial Profiling"
Der zu Unrecht festgenommene Bennett hat angekündigt, die Möglichkeit einer Klage aufgrund der Verletzung seiner Bürgerrechte auszuloten.
Auf einer Pressekonferenz am späten Mittwoch wies Vize-Sheriff Kevin McMahill vom Polizeidezernat in Las Vergas Bennetts Anschuldigungen des "Racial Profiling" zurück. "Ich kann Ihnen sagen, dass ich keine Beweise dafür sehe, dass die Hautfarbe bei diesem Vorfall irgendeine Rolle gespielt hat", sagte er und bestätigte, dass eine interne Untersuchung zu dem Fall im Gange sei.
Sitzstreik bringt Stein ins Rollen
Der Vorfall um den Afro-Amerikaner wirft erneut ein Schlaglicht auf das große Problem in der NFL: Rassismus.
Aus Protest gegen Rassendiskriminierung und Polizeigewalt hatte Football-Quarterback Colin Kaepernick von den San Francisco 49ers bereits im vergangenen Jahr beim Abspielen der Nationalhymne vor Spielen einen "Sitzstreik" durchgeführt. Die Aktion brachte förmlich einen Stein ins Rollen. Mehrere Profis, darunter auch Bennett, waren diesem Beispiel gefolgt.
Kaepernick wird zum Augestoßenen
Doch Kaepernick hat für sein politisches Statement bitter bezahlt. Er steht zu Saisonbeginn ohne Verein da. Keines der 32 NFL-Teams will ihn unter Vertrag nehmen. Dabei hatten zahlreiche NFL-Teams dringend nach Quarterbacks gesucht und ihre Not am Ende mit der Rekrutierung von zurückgetretenen Spielern oder Athleten ohne NFL-Erfahrung kompensiert. Nur der 29-Jährige kommt für kein Team in Betracht. Kaepernick - für einige also ein Nestbeschmutzer - wird zum Ausgestoßenen. Solidarität für den Unbequemen
Dabei wird an seinen spielerischen Qualitäten kaum gezweifelt. In der Bestenliste aller NFL-Quarterbacks steht er auf Platz 17.
Zu Saisonbeginn erhält der vereinslose Profi nun von vielen Seiten Unterstützung, im Netz gibt es eine Solidaritätskampagne mit dem Hashtag #ImWithKap.
Boykottaufforderung gegen die NFL
Bis heute trainiert der Quarterback jeden Tag. Für Kaepernicks Unterstützer ist klar, dass seine Haltung das eigentliche Problem darstellt - und vor allem, dass er sie öffentlich gemacht hat.
Doch so langsam wird der Protest für die NFL zum Problem. Ein Boykott-Aufruf für NFL-Spiele, NFL-Sponsoren und NFL-Werbeartikel auf der Seite für Online-Petitionen change.org hat mehr als 175.0000 Unterstützer. Fans geben ihre Dauerkarten zurück. Wenn Image und Geschäft des Milliardenspiels auf dem Spiel stehen, dürfte die Ligaleitung nervös werden.
Nach der Veröffentlichung des Briefs des festgenommenen Bennetts auf Twitter meldete sich auch Kaepernick sofort zu Wort. "Dieser Übergriff auf meinen Bruder Michael Bennett ist widerlich und ungerecht. Ich stehe an der Seite von Michael, und ich stehe an der Seite der Menschen", schrieb er.