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Kritik an Wahlgesetz

15. Oktober 2009

Der Europarat hat die Ukraine zur Nachbesserung des Gesetzes über die Präsidentenwahl aufgefordert. Der stellvertretende Generalsekretär der Venedig-Kommission, Thomas Markert, erläutert im DW-Interview die Kritikpunkte.

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Deutsche Welle: Bei den letzten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2004 wurden massive Wahlfälschungen festgestellt. Die Manipulationen wurden teilweise von einem schlechten rechtlichen Rahmen begünstigt. Herr Markert, ist das Gesetz fünf Jahre später noch genau so mangelhaft?

Thomas Markert: Es gibt eine ganze Reihe von Kritikpunkten. Zunächst einmal sollte man sagen, es handelt sich um Änderungen an dem vorherigen Präsidentschaftswahlgesetz. Wir waren der Meinung, dass in der Tat Änderungen notwendig sind, denn das vorherige Gesetz hatte bei der Wahl vor fünf Jahren zu vielen Schwierigkeiten geführt. Das Gesetz ist nun geändert worden, in mancher Beziehung in positiver Weise, aber die Änderungen haben nicht alle Mängel des bestehenden Gesetzes beseitigt und teilweise zu neuen Problemen geführt.

Welche Probleme meinen Sie?

Fangen wir an bei den Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen. Hier wird eine sehr hohe Hürde aufgestellt. Jeder Kandidat muss 2,5 Millionen Hrywnja bezahlen. Dieses Geld bekommt er nur zurück, wenn er in die zweite Runde kommt und dann auch verliert. Ein weiterer Kritikpunkt wären die sehr restriktiven Bestimmungen für die Medien, die für öffentlich-rechtliche, aber nicht unbedingt für privat-rechtliche Medien berechtigt sind und den Kandidaten verbieten, allzu oft in den Medien aufzutauchen. Ein dritter Punkt beträfe die Wahlkommissionen. Wir sind besorgt, dass die Wahlkommissionen in manchen Regionen zu einseitig zusammengesetzt sein könnten. Es gibt Bestimmungen, dass Wahlkommissionen innerhalb der gesamten Ukraine pluralistisch zusammengesetzt werden müssen, aber es gibt keine Garantie, dass dies auch in allen Gegenden der Ukraine der Fall ist. Es könnte sein, dass in der Westukraine und der Ostukraine Kommissionen recht einseitig zusammengesetzt wären. Es ist zum Beispiel nicht möglich, das jemand, der nicht im Wahlkreis wohnt, in der jeweiligen Wahlkommission vertreten ist, was es für manche Parteien schwierig machen kann, in Donezk oder umgekehrt in Lwiw Mitglieder für Wahlkommissionen zu gewinnen.

In der Ukraine war es bislang üblich, dass Wahlverlierer von Fälschungen sprechen und Gerichte einschalten. Wird das auch diesmal der Fall sein?

Teilweise gab es schon im bisherigen Gesetz recht willkürliche Regeln dafür, wann das Abstimmungsresultat gültig oder nicht gültig ist. Zum Beispiel konnte eine Urne nur dann für ungültig erklärt werden, wenn zehn Prozent mehr Wahlzettel drin waren, als Wähler abgestimmt hatten. Vor allen Dingen würde es durch die Gesetzänderungen schwierig, die einzelnen Resultate nachzukontrollieren. Zum einen gibt es Bestimmungen, die nicht besonders klar sind und der Zentralen Wahlkommission zunächst einmal nicht erlauben, die Resultate der Wahlkommissionen auf unterer Ebene im Einzelnen nachzuprüfen. Das andere ist, dass die Gerichtskontrolle der Aktivitäten der Wahlkommissionen extrem erschwert ist. Es gibt mehrere unklare Bestimmungen, die den Gerichten verbieten, bestimmte Punkte zu überprüfen, und die Zeit zur Überprüfung ist auch extrem kurz. Die Gerichte müssen aber in der Lage sein nachzuprüfen, ob die Wahlen gesetzmäßig abgelaufen sind und ob das Wahlergebnis im Einklang mit dem Gesetz festgestellt wurde. Das ist eine Aufgabe der Gerichte. Ich weiß, in der Ukraine gibt es oft viel Kritik den Gerichten, aber trotzdem kann man Wahlergebnisse nicht von der Gerichtskontrolle ausschließen.

Sind also wieder Wahlmanipulationen zu befürchten?

Es gibt gewisse Fortschritte im Gesetz. Zum Beispiel, ein Problem von 2004, die Möglichkeit mit Abwesenheitszertifikaten in anderen Wahllokalen abzustimmen. Hier sind Missbrauchsmöglichkeiten abgestellt worden. Aber wir sehen neue Missbrauchsmöglichkeiten, und insgesamt fürchten wir, dass das Gesetz nicht genug Gewährleistung bietet für ordentliche und saubere Wahlen. Wir hoffen allerdings auch, dass es vor der Wahl möglich sein wird, hier noch entsprechende Gesetzesänderungen durchzuführen.

Autor: Eugen Theise
Redaktion: Markian Ostaptschuk