Noch eine Hoffnung weniger für Assange
15. März 2022Der 7. Dezember 2010 war der bislang letzte Tag in Freiheit für Julian Assange. Danach lebte der WikiLeaks-Gründer eine Woche in Untersuchungshaft, anderthalb Jahre mit einer elektronischen Fußfessel, fast 82 Monate in der ecuadorianischen Botschaft in London - und seit bald drei Jahren im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh.
Vor allem das Asyl in der Botschaft sollte den heute 50 Jahre alten Australier vor einer Auslieferung in die USA schützen. Doch dieser Schritt erscheint inzwischen als immer wahrscheinlicher. Denn anders als erwartet darf Assange nun doch nicht vor das höchste britische Gericht ziehen.
Der Oberste Gerichtshof Großbritanniens wird sich nicht mit seinem Berufungsantrag im Verfahren um seine Auslieferung an die USA befassen, weil es keine ausreichenden Rechtsgründe dafür gebe.
Die US-Justiz will Assange wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft. Vorgeworfen wird ihm, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben.
Seine Unterstützer sehen in ihm dagegen einen investigativen Journalisten, der Machtmissbrauch und Kriegsverbrechen aufgedeckt habe und an dem nun ein Exempel statuiert werden solle.
Ist Assange suizidgefährdet?
Anfang 2021 hatte ein britisches Gericht die Auslieferung mit Blick auf die psychische Gesundheit Assanges in erster Instanz untersagt. Die zu erwartenden Haftbedingungen würden Assange sonst in den Suizid treiben, argumentierte die Richterin damals. Ansonsten befand sie das Auslieferungsersuchen als gerechtfertigt.
Im Berufungsverfahren legte Washington dann Zusicherungen über eine humane Behandlung Assanges in US-Gefängnissen vor - und war damit Ende des vergangenen Jahres erfolgreich: Der High Court gab grünes Licht für die Auslieferung. Diese Entscheidung wollte Assange vom Supreme Court überprüfen lassen, was zumindest der High Court auch zuließ, das höchste Gericht nun aber ablehnte.
Priti Patel ist am Zuge
Das letzte Wort ist damit aber noch nicht gesprochen: Die Auslieferungsentscheidung muss nun von Innenministerin Priti Patel ratifiziert werden. Danach kann Assange versuchen, den Entscheid durch eine gerichtliche Überprüfung anzufechten. Dabei prüft ein Gericht die Legitimität der Entscheidung einer öffentlichen Stelle.
Die Organisation Reporter ohne Grenzen bedauerte die Entscheidung des Supreme Courts und forderte das britische Innenministerium auf, "im Sinne von Journalismus und Pressefreiheit zu handeln und die Auslieferung von Assange abzulehnen und ihn ohne weitere Verzögerung aus dem Gefängnis freizulassen."
rb/wa (AFP, AP, dpa, Reuters)