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PolitikAsien

Nord- und Südkorea: Warum nehmen die nuklearen Drohungen zu?

8. Oktober 2024

Die Feindschaft zwischen Nord- und Südkorea besteht schon seit vielen Jahrzehnten. Die eskalierende Atomwaffen-Rhetorik erhöht aber nun das Risiko eines unbeabsichtigten bewaffneten Zusammenstoßes.

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Symbolbild Atomwaffen Atomsprengkopf
Der "Oberste Führer" Nordkoreas, Kim Jong Un, drohte kürzlich, im Falle einer Provokation Atomwaffen einzusetzen und Südkorea dauerhaft zu zerstörenBild: KCNA/AP Photo/picture alliance

Die scharfe Atomwaffen-Rhetorik bis hin zur Androhungen von vernichtenden Vergeltungsschlägen hat auf der koreanischen Halbinsel ein gefährliches Niveau erreicht. Nord- und Südkorea stehen zwar schon seit langem ideologisch und militärisch in tiefer Feindschaft gegenüber. Nun verstärkt aber die immer schärfer werdende Rhetorik die Sorge, dass bereits ein kleiner Zwischenfall an der Grenze oder ein Missverständnis das riskante Säbelrasseln in einen bewaffneten Konflikt eskalieren lassen könnte.

Die Spannungen haben sich insbesondere seit der Amtsübernahme von Präsident Yoon Suk Yeol im Jahr 2022 verschärft. Yoon und seine Regierung folgten auf die linksgerichtete Administration des ehemaligen Präsidenten Moon Jae-in, der auf einen Dialog mit Pjöngjang setzte.

Die Beziehungen verschlechterten sich weiter, als Yoon am 1. Oktober, dem Tag der Streitkräfte Südkoreas, in einer Rede Nordkoreas Führer Kim Jong Un warnte, dass er "das Ende seines Regimes" erleben würde, sollte Pjöngjang Atomwaffen einsetzen. Yoon betonte, dass Südkorea und seine US-Verbündeten in einem solchen Fall mit einer "entschlossenen und überwältigenden" Reaktion antworten würden.

Was führt Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un im Schilde?

Diese Warnung folgte kurz nach einer Erklärung von Kim Yo-jong, der einflussreichen Schwester von Kim Jong Un, die betonte, dass Nordkorea sein nukleares Abschreckungspotential "kontinuierlich und unbegrenzt" ausbauen werde, um gegen die vermeintlichen Bedrohungen durch die USA gewappnet zu sein. Sie wies dabei darauf hin, dass das nuklearbetriebene U-Boot USS Vermont im südkoreanischen Hafen von Busan angelegt hatte.

Südkorea zeigt militärische Stärke

Am Tag der Streitkräfte präsentierte Südkorea seine militärische Stärke, einschließlich des neuesten Raketensystems Hyunmoo-5. Die USA unterstrichen ihr Engagement für die Sicherheit Südkoreas durch den Überflug eines nuklearfähigen B1-Bombers.

Kim Jong Un reagierte darauf, indem er Präsident Yoon als "Marionette" der USA bezeichnete und ankündigte, dass der Norden ohne Zögern Atomwaffen einsetzen werde, sollte der Süden oder die USA militärische Gewalt gegen Pjöngjang anwenden. Er beleidigte Yoon und bezeichnete ihn als einen "abnormalen Mann."

Kim Seong-kyung, Professorin für nordkoreanische Gesellschaft und Kultur an der Universität für Nordkorea-Studien in Seoul, äußerte sich besorgt über die derzeitige Lage: "In früheren Jahren waren beide Seiten lautstark und provokativ in ihren Drohungen, aber nun verfügt der Norden über nukleare Fähigkeiten und droht, diese einzusetzen."

Sie fügte hinzu, dass sich die Situation seit Kims Änderung der nordkoreanischen Verfassung erheblich verändert habe, da der Süden nun als feindlicher Staat definiert sei und frühere Ziele einer Wiedervereinigung ausgeschlossen wurden.

Nord- und Südkorea – siebzig Jahre im Kalten Krieg

Die Expertin wies darauf hin, dass die Drohung, Atomwaffen einzusetzen, und die tatsächliche Umsetzung einer solchen dramatischen und eskalierenden Aktion zwei sehr unterschiedliche Dinge seien. Obwohl Pjöngjang sich aufgrund der nahezu sicheren verheerenden Vergeltungsschläge, die das nordkoreanische Regime zerstören würden, noch zurückhalte, besteht die Sorge, dass ein kleiner Zwischenfall an der Grenze oder ein Missverständnis in der aktuellen Situation, die von scharfer Rhetorik und fehlender Kommunikation geprägt ist, schnell eskalieren könnte.

Mögliche Auswirkungen der US-Wahl

Kim Seong-kyung sieht die nuklearen Drohungen des Nordens auch als Botschaft an die USA - insbesondere im Vorfeld einer entscheidenden Wahl, die weitreichende Folgen für Südkorea haben könnte, sollte Anfang nächsten Jahres eine isolationistische Regierung ins Amt kommen.

"Sie zielen mit diesen Drohungen auf die USA, obwohl Nordkorea bei der Wahl kein zentrales Thema ist", sagte sie. "Kim Jong Un versucht, Aufmerksamkeit zu erregen, damit, falls [Donald] Trump gewinnt, die Möglichkeit besteht, dass er erneut Gesprächen zustimmt."

In einem Interview mit Radio Free Asia sagte John Bolton, Trumps ehemaliger Sicherheitsberater, Kim hoffe, dass Trump das Weiße Haus zurückerobere, da er dem nordkoreanischen Regime mehr Möglichkeiten für Dialog und Legitimierung bieten würde als eine mögliche Regierung unter Kamala Harris.

Einschüchternd und ernüchternd

Dan Pinkston, Professor für internationale Beziehungen am Seoul-Campus der Troy University, erklärte, dass trotz der zunehmenden Rhetorik in den zwölf Jahren seit Kim Jong Uns Machtübernahme weniger direkte Grenzzusammenstöße stattgefunden hätten als in früheren Phasen der angespannten Beziehungen.

"Obwohl es weniger physische Auseinandersetzungen gab, ist offensichtlich, dass der Norden die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen und den dafür notwendigen Trägerraketen drastisch beschleunigt hat", sagte er gegenüber der DW.

Er fügte hinzu: "Das Potenzial der Waffen, die Nordkorea jetzt zur Verfügung hat, ist sowohl einschüchternd als auch ernüchternd." Der Wert dieser Waffen liege in ihrer Abschreckungswirkung, und für den Norden gehe es darum, den Süden und die USA davon zu überzeugen, dass Pjöngjang bereit sei, sie auch einzusetzen. Genau aus diesem Grund betonten Kim Jong Un und seine Schwester so eindringlich ihre Bereitschaft, jederzeit den "Knopf zu drücken", so Pinkston.

Aus dem Englischen adaptiert von Shabnam von Hein

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Freiberufliche Mitarbeiter, Julian Ryall
Julian Ryall Korrespondent und Reporter in Tokio