Norwegen rückt nach Rechts
10. September 2013Norwegen steht vor einem Regierungswechsel: Bei der Parlamentswahl errang das Bündnis der konservativen Spitzenkandidatin Erna Solberg nach Auszählung aller Stimmen 96 von 169 Parlamentssitzen. Für eine Mehrheit sind im Parlament in Oslo, dem "Storting", 85 Mandate nötig, Der sozialdemokratische Ministerpräsident Jens Stoltenberg, dessen Koalitionsbündnis demnach auf 73 Mandate kam, räumte am späten Montagabend seine Niederlage ein. Erstmals in der Geschichte des Landes könnten nun die Rechtspopulisten an der Regierung beteiligt werden.
Kommt eine Minderheitsregierung?
Solberg sprach vor Anhängern in der Hauptstadt Oslo von einem "historischen Wahlsieg". Die vier Parteien ihres Bündnisses müssen sich allerdings noch über ihre Zusammenarbeit verständigen. Die meisten Beobachter in Norwegen rechnen nun mit einer Minderheitsregierung aus Solbergs Konservativen und der rechtspopulistischen Fortschrittspartei, die insbesondere für eine rigide Einwanderungspolitik eintritt. Die kleineren Christdemokraten und die Liberalen würden sich demnach wegen Vorbehalten gegenüber der Fortschrittspartei nicht an einer Koalition beteiligen, deren Gesetzesvorhaben im Parlament aber stützen.
Die Chefin der Fortschrittspartei, Siv Jensen, kündigte harte Verhandlungen über eine "Plattform für die Regierung" an. Ihre Partei kommt auf 29 Sitze, das wären zwölf weniger als bei der Wahl 2009. Ein Mandat errang eine unabhängige Umweltpartei, wie die nationale Statistikbehörde SSB mitteilte.
Stoltenberg räumte seine Niederlage ein. Gemäß der parlamentarischen Tradition werde er nach der Vorlage des Hausenthaltsentwurfs am 14. Oktober den Rücktritt seiner Regierung einreichen - "wenn klar ist, dass es eine parlamentarische Basis für eine neue Regierung gibt", sagte er vor Anhängern in Oslo.
Breivik-Attentate Last für Stoltenberg
Stoltenberg, dessen Koalition seit 2005 am Ruder ist, wurde nach zwei Amtszeiten eine gewisse Politikmüdigkeit nachgesagt. Dabei hatte sich Norwegen unter Stoltenbergs Führung wirtschaftlich weiter positiv entwickelt und kam relativ unbeschadet durch die größte Finanzkrise der Nachkriegszeit. Viele Wähler machten dies aber weniger an Stoltenbergs Politik als vielmehr am enormen Ölreichtum des Landes fest. Dementsprechend avancierte der Umgang mit dem 570 Millionen Euro schweren Öl-Staatsfonds zu einem der wichtigsten Wahlkampfthemen neben anderen Aspekten wie Krankenversorgung, Bildung und Steuerpolitik.
Stoltenbergs Sozialdemokraten wurde zudem das Versagen der Behörden zur Last gelegt, die Attentate Anders Behring Breiviks im Juli 2011 nicht verhindert zu haben. Der Rechtsextremist - bis 2006 selbst Mitglied der Fortschrittspartei - hatte in Oslo und auf der Ferieninsel Utöya 77 Menschen getötet.
sti/uh (dpa, afp)