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Notfall-Hilfe für Flüchtlinge in der EU

Bernd Riegert2. März 2016

Was sie bisher nur in Entwicklungsländern zahlte, will die EU jetzt auch in Europa finanzieren: Katastrophenhilfe für Flüchtlinge. Griechenland wird zum Notstandsgebiet. Bernd Riegert aus Brüssel.

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Flüchtlinge in Athen (Foto: DW/R. Shirmohammadi)
Bald mehr Nothelfer in Griechenland: Rotes Kreuz und Flüchtlinge in AthenBild: DW/R. Shirmohammadi

"In Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze herrscht Chaos", das berichtete der österreichische Europaabgeordnete Josef Weidenholzer in Brüssel nach seiner Rückkehr aus der Grenzregion. Tausende Menschen sind dort gestrandet, ohne ausreichende Versorgung und ohne Obdach. Täglich werden es mehr. "Die Griechen versuchen ihr Bestes, sind aber überfordert", sagte Weidenholzer in Brüssel.

Die EU-Kommission erklärt Griechenland deshalb jetzt indirekt zum Notstandsgebiet. Finanzmittel, die bislang für Naturkatastrophen und Nothilfe in Entwicklungsländern vorgesehen waren, sollen in den nächsten drei Jahren nach Europa umgelenkt werden. Insgesamt 700 Millionen Euro sieht der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe, Christos Stylianides, dafür vor. "Wir müssen jetzt die menschliche Not innerhalb unserer Grenzen lindern. Wir müssen darauf vorbereitet sein, sofort und entschlossen zu antworten", sagte Stylianides in Brüssel.

Katastropheneinsatz in Griechenland

Der größte Teil der Nothilfe soll nach Griechenland fließen, wo sich die Flüchtlinge und Migranten stauen, nachdem Österreich und die Balkanstaaten Obergrenzen für Durchreisen und Asylanträge eingeführt haben. EU-Kommissar Christos Stylianides sagte, dieser Situtation müsse nun mit der Solidarität aller EU-Staaten begegnet werden.

EU-Kommissar Christos Stylianides (Foto: Emmanuel Dunand/AFP/Getty)
Stylianides: Keine ZauberformelBild: Getty Images/AFP/E. Dunand

Die Notfall-Gelder sollen allerdings nicht an den griechischen Staat, sondern an Hilfsorganisationen wie "Ärzte ohne Grenzen" oder das "Rote Kreuz" und andere fließen, die in Griechenland die Flüchtlinge versorgen wollen.

Die griechische Regierung hatte der EU vorgerechnet, sie brauche für die Versorgung von 100.000 Flüchtlingen 480 Millionen Euro. Sollte er dieses Geld nicht bekommen, werde er andere EU-Beschlüsse mit einem Veto blockieren, hatte der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras wiederholt gedroht. Griechenland steckt immer noch in einer tiefen Wirtschaftskrise und ist mit dem Bau von 50.000 Schlafplätzen für Flüchtlinge im Rückstand.

"Es fehlen klare Ansagen"

Kurzfristig werde das frische Geld aus dem Kastrophen-Topf wohl kaum für Linderung sorgen, meint der Europa-Abgeordnete Josef Weidenholzer, der früher in Österreich selbst in der Migranten-Hilfe aktiv war: "Als Europa-Politiker habe ich so meine Zweifel, ob diese zugesagten Mittel auch wirklich vorhanden sind. Das gibt es immer: Dieses Spiel, wann kann ich was auszahlen."

EU-Abgeordneter Josef Weidenholzer (Foto: DW/B. Riegert)
Weidenholzer: Ernst mit den Griechen redenBild: DW/B. Riegert

Bereits im August 2015 hatte die EU-Kommission 280 Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe und die Verbesserung der Asylverfahren zugesagt. Zusätzlich noch einmal 150 Millionen Euro für eine Verbesserung des Grenzschutzes. Geflossen ist von diesen Mittel nur ein kleiner Teil, denn bislang hat die EU nur konkrete Projekte in Griechenland finanziert. Das könnte sich mit dem großen Notfall-Fonds jetzt ändern. Die Haushaltsregeln sind in diesem Bereich nicht so streng. Außerdem ist eine Mitwirkung des Europäischen Parlaments bei diesen Geldern nicht notwendig.

"Ich glaube, dass man mit den Griechen auch ernst reden muss, wie sie diese Mittel ausgeben werden. Es geht aber nicht anders, als dass wir Griechenland dabei unterstützen, diese Probleme gemeinsam mit uns zu lösen. Genauso wie wir auch die Türkei unterstützen", sagte Josef Weidenholzer der Deutschen Welle. Er zeigte Verständnis für Griechenland.

Die unterfinanzierten Krankenhäuser zum Beispiel seien kaum in der Lage, die griechischen Patienten zu versorgen, jetzt kämen auch noch die Flüchtlinge hinzu. Unter den Menschen, die jetzt in Griechenland gestrandet sind, seien überdurchschnittlich viele Kinder und Kriegsversehrte, hat der Europa-Abgeordnete beobachtet: "Was fehlt, ist vor allem Information und klare Ansagen." Die Menschen gingen immer noch davon aus, dass sie irgendwann nach Deutschland oder Großbritannien weiter könnten und drängten deshalb alle zur Grenze.

Flüchtlinge im Registrierungszentrum (Foto: picture-alliance/dpa/O. Panagiotou)
Griechenland braucht mehr Notunterkünfte wie diese auf LesbosBild: picture-alliance/dpa/O. Panagiotoupicture-alliance/dpa/O. Panagiotou

Obergrenzen führen zu Rückstau

Die humanitäre Krise in Griechenland hat sich die EU selbst eingebrockt, kritisierte Dienstag bereits das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen. Österreich und die Balkanstaaten wollten mit dem provozierten Rückstau auch Druck auf Griechenland ausüben, das bislang zu wenig getan habe, sagte der österreichische Außenminister Sebastian Kurz.

Der Europa-Abgeordnete Josef Weidenholzer weist diese Argumentation zurück: "Diese Grenzen, die vielleicht aus Ängsten kurzfristig erklärbar sind, werden das Problem nicht lösen, weil sie den Zuzug nicht reduzieren und es Ausweichmöglichkeiten gibt." Bei seiner Reise nach Idomeni habe er erfahren, dass die Schlepper schon alternative Routen über die grüne Grenze, über Albanien oder Bosnien-Herzegowina anbieten.

Der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe, Christos Stylianides, warnte vor zu hohen Erwartungen an die neue Nothilfe durch die EU-Zentrale in Brüssel. Die angestrebte "europäische Lösung" der Flüchtlingskrise sei dies nicht. "Diese Notfall-Hilfe kann nicht all unsere Probleme lösen. Es gibt keine Zauberformel. Es geht vielmehr darum, dass die EU und die Mitgliedsstaaten Hand in Hand arbeiten."

Grenzschutz durch NATO verzögert sich

Die NATO-Mission zur Überwachung der Seegrenze zwischen den NATO-Mitgliedern Türkei und Griechenland, die vor einer Woche starten sollte, verzögert sich. NATO-Diplomaten hatten davon berichtet, dass die Türkei keine deutschen Schiffe in ihre Hoheitsgewässer einfahren lassen wolle.

Gefangen im mazedonisch-griechischen Grenzgebiet

Die Mission unter deutschem Kommando ist ein zentraler Baustein einer Strategie, mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel die Zahl der ankommenden Flüchtlinge in Griechenland "spürbar und nachhaltig" senken will. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin bestätigte, dass die letzten Feinabsprachen mit der türkischen Seite liefen. Eine Blockade seitens der Türkei sieht man in Berlin aber nicht. Von NATO-Diplomaten in Brüssel hieß es, die türkischen Verteter hätten der Rücknahme von Flüchtlingen, die von NATO-Schiffen in der Ägäis gerettet werden, noch nicht zugestimmt.

Die EU-Kommission verbreitete dagegen eine positive Nachricht im Zusammenhang mit der Türkei. Die türkischen Behörden hätten erstmals 380 in Griechenland abgelehnte Asylbewerber zurück in die Türkei reisen lassen. "Das ist ein erster Schritt", lobte ein Sprecher der EU-Kommission. Am kommenden Montag wollen die Staats- und Regierungschefs mit der Türkei bei einem Sondergipfel weitere Zusagen zur Reduzierung der Flüchtlings- und Migrantenzahlen aushandeln.