Obama soll nichts gewusst haben
26. Oktober 2013US-Präsident Barack Obama soll Bundeskanzlerin Angela Merkel am Telefon versichert haben, nichts von dem mutmaßlichen Lauschangriff des US-Geheimdienstes NSA auf eines ihrer Handys gewusst zu haben. Er soll ihr aber auch gesagt haben, dass es sein könne, dass ihr Mobiltelefon belauscht wurde. Das berichtet die "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Ähnliches berichtet die "New York Times": Demnach habe Obamas nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice ihrem deutschen Kollegen versichert, dass Obama nichts von der mutmaßlichen Überwachung wusste. Allerdings habe sich Rice geweigert, die Lauschangriffe zu bestätigen. Beide Zeitungen nannten keine Quellen für ihre Informationen.
Bisher hatte das Weiße Haus nach Merkels Anruf bei Obama in einer schriftlichen Stellungnahme nur erklärt: "Der Präsident versicherte der Kanzlerin, dass die Vereinigten Staaten die Kommunikation von Kanzlerin Merkel nicht überwachen und nicht überwachen werden." Offen ließ ein Sprecher Obamas auch auf Nachfragen, ob Merkels Telefon in der Vergangenheit abgehört wurde.
Merkels Handy seit 2002 abgehört?
Nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" stehe Merkels Handy seit 2002 auf einer NSA-Liste mit Aufklärungszielen. Demnach haben die USA Merkel auch wenige Wochen vor Obamas Berlin-Besuch im Juni 2013 noch abgehört. In dem Dateiauszug stehe die Nummer unter "GE Chancellor Merkel". Ob alle Gespräche mitgeschnitten wurden oder nur die Verbindungsdaten ausgewertet wurden, ließe sich anhand der Daten nicht festmachen. Auch die "New York Times" schreibt, dass anscheinend vor etwa einem Jahrzehnt mit dem Abhören begonnen wurde, also unter Obamas Vorgänger George W. Bush. Es sei aber unklar, was die Bush-Regierung zu diesem Schritt bewogen habe und warum Obama "anscheinend sogar nach fünf Jahren Präsidentschaft nicht wusste, dass es geschah".
Frankreich arbeitete eng mit NSA zusammen
Bekannt wurde inzwischen auch, dass Frankreich die USA und einige andere Länder bei ihren Abhöraktionen unterstützt hat. Unter dem Codenamen "Lustre" liefere die Regierung in Paris bereits seit einiger Zeit einem Geheimdienstbündnis namens "Five Eyes" systematisch Informationen. Diesem gehören neben den USA auch Großbritannien, Neuseeland, Kanada und Australien an. Das berichteten die "Süddeutsche Zeitung" und der NDR unter Berufung auf Dokumente des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden.
Neben Frankreich sollen demnach auch Israel, Schweden und Italien ähnliche Kooperationsverträge mit dem amerikanischen und britischen Geheimdienst geschlossen. Während sich die "Five Eyes"-Mitglieder versprochen haben sollen, sich nicht gegenseitig auszuspionieren, gelte das für die Drittpartner nicht: Anfang der Woche hatte die Zeitung "Le Monde" berichtet, der US-Geheimdienst NSA überwache massenhaft Telefonate in Frankreich.
Deutschland will UN-Resolution gegen Internetspionage
Zusammen mit Brasilien will die Bundesregierung eine UN-Resolution zum Schutz der Privatsphäre auf den Weg bringen. Das wurde aus Diplomatenkreisen am UN-Sitz in New York bekannt. Mit der Resolution solle "eine Botschaft gesandt werden an diejenigen, die das System missbrauchen", sagte ein UN-Diplomat.
Die Resolution soll ein bestehendes internationales Abkommen über bürgerliche und politische Rechte ausweiten: Das bisherige Abkommen aus dem Jahr 1976 untersagt unter anderem jeden "willkürlichen oder illegalen Eingriff in die Privatsphäre, die Familie, die Wohnstätte oder den Briefverkehr". Diese Passage soll nun um Internetaktivitäten und elektronische Kommunikation erweitert werden. Eine Abstimmung könnte Ende November erfolgen.
Bundesanwaltschaft will Snowden nicht vernehmen
Auch die Bundesanwaltschaft interessiert sich für den vermuteten Lauschangriff auf die Kanzlerin. Die Strafverfolger haben einen sogenannten Beobachtungsvorgang angelegt. Politiker fordern von der Bundesanwaltschaft allerdings, den Enthüller Snowden zu befragen.
Doch Generalbundesanwalt Harald Range sieht derzeit keine Möglichkeit, den NSA-Enthüller als Zeugen zu vernehmen. "Wir können keine Zeugen vernehmen in diesem Stadium des Verfahrens, wo wir noch kein Ermittlungsverfahren haben. Wir können uns nur Auskünfte einholen, und das tun wir", sagte Range bei einer Veranstaltung in Karlsruhe.
nem/re (dpa, afp)