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Fiasko

Antje Passenheim, Washington DC30. Oktober 2013

Kaum hat US-Präsident Obama die Haushaltsschlacht geschlagen, geht der Kampf weiter. Seine Gesundheitsreform legte einen Fehlstart hin. Die entscheidende Website floppt. Obama ist frustriert, die Republikaner feixen.

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US-Präsident Barack Obama (Foto: Martin H. Simon/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Nummer kennt er schon im Schlaf: 0800 318 2596. Geduldig betet der US-Präsident die Ziffern runter, wo er geht und steht. "Wählen Sie 0800 318 2596!" rät Barack Obama den Amerikanern - und weiß dabei selber nicht, wie er aus einer der kniffeligsten Nummern herauskommt, in die er hineingeraten ist.

Die Einwahl ins Krankenversicherungs-Callcenter soll zunächst der Ausweg sein - um nämlich das Prestigeobjekt zu retten, mit dem Obama eigentlich in die Geschichte Amerikas eingehen will. Das Kernstück seiner langerwarteten Gesundheitsreform sollte Anfang des Monats wie ein Feuerwerk starten. Es mündete im Fiasko. Nichts funktioniert. Millionen Amerikaner sind frustriert. Und allen voran der Präsident. "Keiner ist frustrierter als ich", erklärte Obama in einer Rede im Rosengarten des Weißen Hauses. Denn das Webportal, über das sich Millionen Amerikaner seit dem 1. Oktober endlich ihre vielgefeierte, bezahlbare Krankenversicherung kaufen können sollten, bescherte dem Projekt einen Horrorstart.

Mehr als Geduld gefragt

"Das Problem ist, dass die Website, die es eigentlich leicht machen sollte, eine Versicherung zu kaufen, nicht so funktioniere, wie sie es für alle tun sollte", so ein zerknirschter Obama an ein frustriertes oder gar feixendes Volk. Da gebe es nichts schönzureden. Millionen Amerikaner stimmen ihm zu. So einfach wie eine Pizzabestellung oder eine Online-Urlaubsbuchung, hatte das Obama-Team versprochen, sei der Abschluss einer Krankenversicherung über das Portal www.healthcare.gov.

Doch schließlich musste Obama selber zugeben: "Die Website ist entweder zu langsam oder Nutzer bleiben mitten im Bewerbungsprozess stecken."

Nutzer etwa wie Daniel Leaf, der dem Sender ABC News seinen Frust schilderte. "Da passiert gar nichts. Der Bildschirm wird weiß", schilderte Leaf bei seinen ersten Versuchen. Der dreifache Familienvater ist durch seinen Job nicht krankenversichert. Seine Hoffnungen, es nun zu werden, versandeten auf der Regierungswebsite. "Wie inzwischen jeder weiß, funktioniert nichts", so der frustrierte junge Mann. Drei Tage habe er gebraucht, um ein Benutzerkonto einzurichten. Schließlich wähnte sich Leaf nah am Ziel: In 20 Minuten war er durch das Programm gekommen und hatte sich für einen Anbieter entschieden. Er war am Ziel - dachte Leaf. Doch dann fror die Seite ein. Die Arbeit war umsonst, Leaf nach wie vor ohne Versicherung. So wie ihm erging es Millionen, gab auch der Präsident in seiner wöchentlichen Rundfunkansprache zu. Dennoch sei die Nachfrage groß. "Die Seite ist mehr als 20 Millionen mal angeklickt worden", sagte Obama in seiner Ansprache. "Fast 700 000 Menschen haben schon eine Versicherung beantragt."

Obamas Blamage

Demonstration in Washington (Foto: k.A.)
Die geplante Gesundheitsreform hat viele Gegner in den USABild: picture-alliance/dpa

Im Klartext: Nur ein Bruchteil der Interessierten konnte sich registrieren. Und am Ende lieferte die Seite auch noch falsche Daten an die Versicherungen. Eine Blamage auch für die 55 Privatunternehmen, die das Gesundheitsministerium für die Erstellung der Website engagiert hatte. Kosten des Projekts: 330 Millionen Dollar.

Das Kopfschütteln ist groß. Wie kann ausgerechnet der als Internetpräsident bezeichnete Obama sein Herzensprojekt am Web scheitern lassen? In einer Kongressanhörung kam es raus: Die Regierung habe Mitschuld, so die Computerfirmen. In letzter Minute habe sie noch Änderungen gewollt. Und dann um jeden Preis zum 1. Oktober loslegen. Gesundheitsministerin Kathleen Sebelius gab sich zunächst arglos. Weder sie noch Präsident Obama seien vor dem Start am 1. Oktober gewarnt worden, dass es Probleme gebe, erklärte sie. Inzwischen hat sie eingelenkt und sich für die Pannen entschuldigt. Doch zahlreiche Oppositionelle fordern ihren Rücktritt. "Wenn sie nicht das Team auf die Beine stellen kann, das Präsident Obama braucht, um seine Agenda zu verwirklichen, sollte sie gehen", so der republikanische Abgeordnete Darrell Issa kürzlich.

US-Präsident Barack Obama (Foto: k.A.)
Obama ist zuversichtlich, dass es jetzt vorangehtBild: REUTERS

Für die 40 Millionen unversicherten Amerikaner hat Obama vorerst nur die Nummer des Callcenters parat. Wer sie wähle, werde in 150 Sprachen beraten - und zwar rund um die Uhr, verspricht Obama. Doch eben nur beraten. Das hilft den US-Bürgern nicht, die der Strafgebühr entkommen wollen. Sie droht ab Januar 2014 jedem, der keine Krankenversicherung hat. Zwar soll das Abschließen über den Marktplatz der Regierungswebsite bis zum 31. März möglich sein. Wer jedoch pünktlich zum Januar versichert sein will, muss das bis spätestens Mitte Dezember einen Vertrag haben. Obama versprach, über die Frist der Strafgebühr müsse jetzt noch einmal nachgedacht werden.

Feixende Republikaner

Die Republikaner reiben sich die Hände. Sie wollen Obama ohnehin am liebsten zwingen, seine Krankenversicherungspflicht zurückzupfeifen oder zumindest zu verschieben. Man könne Bürger nicht zwingen, etwas abzuschließen, wenn das technisch unmöglich sei, erklärte der republikanische Senator Marco Rubio: "Millionen Amerikaner werden ab nächstem Jahr von den Steuerbehörden bestraft, wenn sie keine Krankenversicherung finden. Aber der Weg, auf dem sie sie kaufen sollen, funktioniert nicht. Und das ist einfach nicht fair."

Inzwischen stoßen auch immer mehr Demokraten in dieses Horn. Doch die Unruhe ist verfrüht, meint Sabrina Corlette vom Institut für Gesundheitspolitik der Georgetown Universität in Washington: "Es sind doch erst gut drei Wochen von einer sechsmonatigen Frist vergangen", meint sie. "Und die Erfahrung aus anderen Gesundheitsprogrammen zeigt, dass die meisten Menschen sich immer in letzter Minute einschreiben."

Spätestens bis dahin muss die Website laufen, weiß Obama. Zumindest diese Versicherung hat der blamierte Präsident für seine Landsleute: "In den kommenden Wochen kriegen wir die Webseite zum laufen - so einfach wie sie laufen sollte."