Obamas Gesundheitsgesetz spaltet Amerika
4. Oktober 2013Warum sind sich die US-Amerikaner so uneinig über Obamacare - ein Gesetz, das Experten zufolge eine Krankenversicherung für mehr als 30 Millionen Menschen schaffen wird? "Weil man es nicht geschafft hat, das Gesetz und seine Absichten verständlich zu vermitteln", nennt Kavita Patel von der Denkfabrik Brookings Insititution in Washington als einen der Gründe.
Über 80 Prozent aller Arbeitnehmer in den Vereinigten Staaten sind bereits durch ihre Arbeitgeber versichert. Laut einer aktuellen Gallup-Studie sind acht von zehn Amerikanern zufrieden mit ihrem aktuellen Gesundheitssystem. "Das Problem ist, dass Millionen Menschen ihre Häuser verloren haben oder bankrott gegangen sind, weil sie sich die explodierenden Versicherungskosten oder die Selbstbeteiligungskosten nicht mehr leisten konnten", erklärt Patel.
Der Grundgedanke der Gesundheitsreform ist, dass jeder US-Bürger Zugang zu medizinischer Versorgung haben soll. Bislang verzichteten viele junge Erwachsene darauf, eine Krankenversicherung abzuschließen - weil ihnen der Preis zu hoch und die Wahrscheinlichkeit, ernsthaft zu erkranken, niedrig erschien. Nach dem neuen Gesundheitsgesetz sind alle Bürger verpflichtet, sich zu versichern. Jeder Steuerzahler - egal ob jung oder alt, gesund oder krank - bekommt eine Versichertenkarte. Wer keine Krankenversicherung abschließt, muss mit einer Strafe von 95 US-Dollar rechnen.
Hauptziel von Obamacare ist es, die hohe Zahl der nicht versicherten US-Amerikaner - etwa 60 Millionen oder 20 Prozent der Bevölkerung - erheblich zu senken. Das neue Gesetz bietet im Rahmen des Regierungsprogramms für die Armen, "Medicaid", freie oder günstige Gesundheitsversorgung für Familien an, die weniger als 31.000 US-Dollar im Jahr verdienen. Kavita Patel schätzt, dass dies etwa 17 Millionen der bislang nicht versicherten US-Amerikaner einschließen wird.
Arbeitsverbot, um Versicherungspflicht zu umgehen
Kernpunkt des "Affordable Care Act", wie das neue Gesundheitsgesetz offiziell heißt, ist der neu geschaffene Online-Krankenversicherungsmarkt, der am 1. Oktober gestartet ist. Hier werden allen Bürgern, die nicht versichert sind und keinen Anspruch auf Unterstützung über "Medicaid" haben, eine Menge verschiedener Versicherungsmodelle angeboten. Grundsätzlich haben die Gesundheitspläne vier Stufen: Der "Bronze"-Plan soll 60 Prozent der Patientenkosten decken, während "Silber" 70, "Gold" 80 und der "Platinum Plan" sogar 90 Prozent der Kosten abdecken können. Außerdem bietet das Obamacare-Gesetz eine günstige Option für unter 30-Jährige an, die im Schnitt gesünder sind, aber weniger verdienen.
Unternehmen mit mehr als 50 Vollzeit-Beschäftigten müssen ihren Mitarbeitern seit dem 1. Oktober eine Krankenversicherung anbieten. Einige Firmen haben deshalb damit begonnen, Arbeitnehmer nur noch in Teilzeit zu beschäftigen. Andere haben sogar ein Arbeitsverbot von mehr als 29 Stunden pro Woche eingeführt, um zu vermeiden, dass die 30-Stunden-Schwelle erreicht wird.
Experten befürchten, dass dies die gegenwärtige Situation verschärft. Schätzungen zufolge könnten 30 Millionen Menschen trotz des neuen Gesetzes keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung haben. Dazu zählen zum Einen nicht registrierte Einwanderer - laut einer Studie des "Health Journal" aber auch Menschen aus Bundesstaaten, die sich weigern, das "Medicaid"-Programm auf Bedürftige ohne Versicherung auszudehnen.
Eine Entscheidung des Obersten Gerichts stellte es den Bundesstaaten im vergangenen Jahr frei, im Rahmen von Obamacare zusätzliche Mittel für "Medicaid" zur Verfügung zu stellen. Bisher haben sich 26 US-Bundestaaten - alle mit republikanischen Gouverneuren oder republikanisch kontrollierten Gesetzgebern - auf diese Entscheidung berufen, so dass bis zu acht Millionen Menschen von Obamacare ausgenommen sind. Nur 16 Bundesstaaten und der Distrikt Columbia haben mit dem Weißen Haus an der neuen Gesundheitsreform zusammengearbeitet.
Obamacare spaltet das Land
Das Obamacare-Gesetz hat eine scheinbar unüberbrückbare Kluft zwischen Demokraten und Republikanern geschaffen - und ein politisches Klima, in dem Viele die Funktionsfähigkeit des neuen Gesetzes bezweifeln. Laut einer Umfrage sind 51 Prozent der US-Amerikaner gegen das neue Gesundheitsgesetz und nur 40 Prozent dafür. Einer Gallup-Umfrage zufolge glauben 44 Prozent, dass Obamacare die Gesundheitsversorgung noch schlechter machen wird, während nur 35 Prozent denken, dass es die Situation verbessern kann.
Außerdem gibt es Befürchtungen, dass das Gesetz das nationale Defizit erhöhen wird. Laut dem überparteilichen Congressional Budget Office (CBO), dem Haushaltsbüro des US-Kongresses, wird Obamacare die Regierung im kommenden Jahrzehnt geschätzte 1,4 Billionen US-Dollar kosten. Aber solange die Demokraten die Mehrheit im Senat stellen und Obama im Weißen Haus ist, sind die Chancen, dass das Gesetz tatsächlich aufgehoben wird, sehr gering.