Legalisierung des Nashornhandels als Mittel gegen Wilderei
3. Januar 2015Die Zahl der gewilderten Nashörner in Südafrika ist im vergangenen Jahrzehnt nach oben geschnellt: In 2004 waren es zehn Nashörner, die Wilderern zum Opfer fielen, in diesem Jahr mehr als hundertmal so viele: Über 1100, ein trauriger Rekord.
Südafrika ist die Heimat von 90 Prozent der sogenannten Südlichen Breitmaulnashörner. Hier entscheidet sich, ob die Art überleben wird. Die Regierung in Pretoria hat daher Bodentruppen und Helikopter zum Schutz der Nashörner eingesetzt. Aber die Gebiete sind schlichtweg zu groß: Der Krüger Nationalpark, in dem fast die Hälfte der südafrikanischen Nashörner leben, hat die Größe des Staatsgebietes von Israel. Das macht die Überwachung der Tiere nicht nur aufwendig, sondern extrem kostspielig. Südafrikas Regierung und Experten diskutieren darüber, ob durch eine Legalisierung des Handels das Abschlachten beendet werden kann. Denn alle anderen Versuche, die Wilderer zu stoppen, sind bisher gescheitert.
Aberglaube bringt das Todesurteil
Der Grund für die illegale Jagd: Das Horn ist wertvoll. In Asien sagt man ihm eine medizinische Wunderwirkung nach: Demnach sollen Beschwerden und Krankheiten wie Nasenbluten oder Krebs geheilt werden. Dabei haben wissenschaftliche Tests längst ergeben: Das Horn ist medizinisch nutzlos. Seine Struktur besteht aus Keratin, vergleichbar mit menschlichem Haar oder Fingernägeln. Der Irrglaube aber führte zu massiven Preissteigerungen: Auf dem Schwarzmarkt werden Preise von bis zu 100.000 US-Dollar pro Kilo Horn gezahlt – damit kann es mit Gold oder Kokain mithalten.
Neben der Überwachung der Nashörner in Südafrika gibt es Initiativen, die an der Wurzel des Problems ansetzen: Aufklärungsprogramme in asiatischen Ländern, vor allem in China und Vietnam, sollen bei der Bevölkerung das Bewusstsein dafür schaffen, dass das Horn der Tiere medizinisch wirkungslos ist und seine Verwendung zum Aussterben der Art führen kann.
Hornhandel als Lösung?
Aufklärungsarbeit reicht nicht aus, um die Wilderei zu stoppen, sagt Michael't Sas-Rolfes, südafrikanischer Experte für Artenschutz und Ökonomie. Stattdessen schlägt er vor, den legalen Handel mit dem Horn in Erwägung zu ziehen: "Die Idee dahinter ist, dass man mit einem stetigen Angebot Wilderern weniger Anreize gibt, die Tiere wegen ihres Horns zu töten." Momentan sei die Wilderei schlicht noch zu lukrativ. Ein anderer Positiveffekt des legalen Handels seien die Einnahmen, die man wiederum in Schutzprojekte investieren könne, meint Sas-Rolfes: "Es ist sehr teuer geworden, Nashörner zu schützen, und Tierschutzorganisationen haben oft einfach nicht genügend Geld, um die Lebensräume der Tiere so abzusichern, dass ihre Zahl stabil bleibt."
Es gibt verschiedene Szenarien, wie der Handel durchgeführt werden könnte. Eine Option ist, ausschließlich existierende Vorräte an Horn zu verkaufen. Südafrika ist momentan im Besitz von über 18 Tonnen Horn, das über die Jahre hinweg konfisziert wurde. Dessen Wert übersteigt 100 Millionen US Dollar - Geld, das in Schutzprogramme fließen könnte, so das Argument.
Eine andere Option wäre, den Verkauf von "geerntetem" Nashorn zu erlauben. Damit ist Horn gemeint, das lebenden Tieren abgenommen wird. Was grausam klingt, sei in Wahrheit keine gefährliche Prozedur, so Sas-Rolfes: "Nashörner müssen dafür nicht getötet werden. Das ist im Prinzip wie ein Haarschnitt, wenn man das Horn nicht zu tief unten abschneidet. Das Horn wächst nach, also kann man dies regelmäßig wiederholen". Alle drei Jahre kann man das Horn zurückschneiden. Einige Privatbesitzer machen dies schon - auch um die Nashörner dadurch vor Wilderern zu schützen. "Die Fortpflanzungsraten sind weiterhin gut, aber den Hornvorrat kann man nicht verkaufen." Noch nicht. Nashornbesitzer müssen abwarten, ob der Handel legalisiert wird.
Legalisierung: Ein langer Prozess
Eine Legalisierung des Handels wird nicht überstürzt umgesetzt. Seit 1977 ist der internationale Handel mit Nashorn verboten. Verantwortlich für die Regulierung des Handels ist CITES, das "Übereinkommen zum internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen". David Morgan, Chef des CITES-Wissenschaftssekretariats erklärt: "Um die bestehende Situation zu ändern, muss ein Mitgliedsland einen Vorschlag beim nächsten Treffen in 2016 einreichen. Damit dieser Vorschlag angenommen wird, müssen zwei Drittel aller anwesenden Länder dafür stimmen." Das wird nur passieren, wenn Südafrika einen überzeugenden Plan vorlegt. "Südafrika muss seine Arbeit machen, Wirtschaftsforschung betreiben, und dem Rest der Welt Zahlen und Fakten präsentieren," sagt Sas-Rolfes.
Kritische Stimmen bleiben
Der Vorschlag, den Handel zu legalisieren, polarisiert allerdings. Der südafrikanische Artenschützer, Unternehmer und Aktivist Dex Kotze meint dazu: "Es kann schlichtweg nicht funktionieren. Ein Problem ist zum Beispiel, dass die Nachfrage nach Horn viel größer sein wird, als das Angebot." Er schätzt, dass die südafrikanische Regierung pro Jahr ungefähr 3,5 Tonnen Horn von lebenden Nachhörnern anbieten könne, die Nachfrage aber liege bei fast 4000 Tonnen.
Ein weiteres Problem sei die Kontrolle: "Es gibt viel Korruption in China und auch in Südafrika. Wir befürchten, dass das Geld in den falschen Taschen landet", sagt Dex Kotze. Er befürchtet, dass das politische Prozedere der Legalisierung zu lang dauern wird, um die Art zu retten.
Während über die Möglichkeit der Legalisierung weiterhin diskutiert wird, muss sofort etwas passieren - da sind sich Artenschützer einig. "Man wird nie darum herumkommen, die Nashörner im Feld zu schützen. Man braucht immer einen sehr strengen Schutz und effektive Gesetze, die den illegalen Handel verhindern," meint Sas-Rolfes. Kotze fügt hinzu "Es ist ein politisches Problem und vor allem ein Problem des politischen Handelns. Die Länder müssen mehr Willensstärke zeigen, und politische Führer müssen sie umsetzen. Dann kann CITES Stärke zeigen und Sanktionen verhängen.”
Viele südafrikanische Artenschützer sind frustriert. Für sie sind Breitmaulnashörner keine Tiere wie alle anderen, sie sind der Stolz der Nation: Ende des 19. Jahrhunderts galt die Art weltweit als ausgestorben, bis man im Osten des Landes einige Dutzend Tiere entdeckte. Südafrikaner schrieben Tierschutzgeschichte, als sie es schafften, die wenigen Tiere wieder hochzupäppeln und die Art vor dem Aussterben zu retten. Heute, über hundert Jahre später, ertragen sie es nicht, Wilderern tatenlos beim Abschlachten der Tiere zuzusehen. Deswegen befürworten viele den Nashornhandel. Auch wenn das letztendlich bedeuten könnte: Nashörner überleben - ohne ihr Horn.